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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Sekunde mal …

„The times they are a changin“, wusste Bob Dylan schon vor bald 60 Jahren. Und Filme, in denen Teenager die Telefonleitung blockieren oder betteln, den neuen Bond im Fernsehen mitschauen zu dürfen, sind selbst schon wieder ein Stück Zeitgeschichte. Schneller, schneller, immer schneller – mittlerweile markiert e i n e Sekunde den großen Graben zwischen den Generationen. Die sogenannte Millennial Pause … Eine Glosse von Norbert Joa.

Von: Norbert Joa

Stand: 13.09.2023

Achtung, Achtung … Test, test … one, two – Tonnadel runter … äh, Kassette rein – play   u n d   record zeitgleich drücken – Band … läuft … oder so. Hier spricht ein Boomer, aus dem Millionenheer der 58 bis 68jährigen, also gleichsam aus Grabesnähe. Zudem einer der letzten Mohikaner mit einem NOKIA 3310, mit dem man SMS verschicken kann und das ich nur montags laden muss. So erreichte mich auf meinem klobigen Personalcomputer – aber immerhin schon ohne Fax, berittenen Boten und Zugbrücke - folgende Elektropost einer Kollegin, ein Artikel mit der Schlagzeile:  „Millennial Pause und das digitale Aussterben einer Generation.“

Dafür wurden massenhaft Social Media Videos ausgewertet – also von mir schon mal nichts - dafür vielleicht Posts meiner Kinder und das interessante Ergebnis: die Filmchen der sogenannten „Millenials“ – also der 27 bis 42jährigen – beginnen im Mittel noch mit einer Sekunde Pause. Diese endlose, quälende, langweilige, sinnlose Sekunde dient vor allem dazu, um sich zu vergewissern, dass „das Gerät“ aufnimmt. Das steckt als fernes Echo aus Boomerzeiten noch in deren Knochen. Diese erste Pausensekunde fehlt nun bei der nachfolgenden „Generation Z“, den 11 bis 26jährigen, die ganz im Digitalen groß- oder kleingeworden sind. Sie legen – wie auch ihr Smartphone - sofort los.

Gemäß dem Tiktok Slogan: „Make every second count“. In der Zeit, in der 30 Dreißigjährige 30mal anfangs eine Sekunde dumm und stumm aufs Handy schauen, obs – ja, wie soll man sagen … läuft … haben hundert 15jährige schon zwei Tiktok Filme zu Ende geschaut und zwölf weitergewischt. Ohne großes Nachdenken. Das Nachdenken wird übrigens schwer überschätzt. Was wurde die letzten Jahrhunderte nicht alles gedacht und geschrieben und gehandelt oder unterlassen. Und wo stehen wir heute? Also, da kann man auch gleich los reden. Wie sagte der große Karl Kraus schon 70 Jahre vor Social Media: „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.“    - - -

Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben

Ja, da hab ich jetzt mal eine Kunstpause gemacht – gleich zwei Sekunden, Boomer dürfen das - einundzwanzig, zweiundzwanzig – nicht nur, um leistungslos Honorar zu schinden, das auch – sondern vor allem, um Raum zu geben, zum Nachdenken. Nochmal: „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.“ Gut, dass man nie auf einer Party neben diesem genialen Spötter stand … aber, aber … hat nicht auch Karl Kraus dauergepostet, auf seine Weise, abertausende Seiten, in die Welt hinaus? Ja, aber zuvor nachgedacht und den Text geschärft, bis aufs letzte Komma.

Im Unterschied zum Artikel zur „Millenial Pause“ – hier, diese Stelle zum Beispiel – ZITAT:   „Gerade für Unternehmen sehen wir hier – komma – eine beunruhigende Entwicklung. Das führt dazu, dass Bewerber sich als zukünftigen Arbeitsplatz Unternehmen suchen, an dem sie vermuten, dass die Gen Z verstanden wird."

Mir scheint, hier hat sich die KI gedacht: „Every Millisecond Counts.“


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