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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Wer, er? Na, er!

Keine richtige Antwort mehr, dafür die Meldung, die/der Andere habe mit "Like-Daumen", "Smile-Emoji" oder sonstwie "reagiert". Aber was daherkommt wie das Lässige schlechthin, ist sprachtheoretisch geradezu ein Weltmodell. Eine Glosse von Gregor Hoppe.

Von: Gregor Hoppe

Stand: 02.08.2023

Es gibt schon wieder was Neues! Oder, besser gesagt: Die Nettikette im Internet- bzw. von Handy zu Handy-Kommunikationskanal hat sich verändert. Und was die Digital Natives wahrscheinlich schon wieder langweilt, steigt zugleich langsam zur Generation davor hoch.

Immer öfter kommt jetzt keine verbale Antwort mehr von der Person, mit der man eben noch fleißig hin- und herschrieb. Sondern es kommt nur noch: „Mit „Kußmund/Herzchen in rot, blau, gold/Rosenblüte/Sonnenstern/Wonnemond   reagiert auf“: Und dann folgt der eigene, eben erst versendete Text. Das spart dem anderen die Zeit, die er/sie/es gerade noch hatte, um selbst kurz und schnell was einzutippen. Aber dann: der nächste Anruf, Mail, Emoji, was auch immer, und unter erhöhtem Zeitdruck flüchtet man in eine Antwort, die das direkte Gespräch auf eine grammatikalische Ebene höher zieht.

Linguistisch betrachtet hochinteressant: Erst in der ersten Person gesprochen. These. Dann Antwort bekommen. Antithese. Und drittens von sich selbst in der dritten Person geschrieben (sie/er/es hat reagiert…). Synthese. Denn das ist weniger performatives Sprechen im Sinne von „Hiermit beschließe ich…“. Sondern nur noch die Ansage der soeben veränderten Haltung unter Inkaufnahme merklicher Distanzierung.

Dialog roger, over und out

Gerade herrschte noch eitel Sonnenschein auf direktem Du zu Du. Jetzt aber: Ich gebe noch ein letztes Lebenszeichen, bestärke Dich mit symbolisierter, bildhafter Zustimmung, dann aber entschwinde ich, mit dem impliziten Hinweis, nerv jetzt bitte nicht noch weiter. Dialog roger, over und out. Für diesmal.

Und damit ist man gut bedient. Es könnte auch der Stinkefinger, der Wutbürger- oder Tobsuchts-Emoji auf dem Display aufleuchten. Wie hoch nobel klingt da: „XY hat reagiert“, geradezu wie die dritte Person des Julius Caesar, die die Gallier in den Asterix-Abenteuern immer vorübergehend verwirrt. Alles Gute zum Geburtstag. Dankeschön. Bittesehr. Er hat mit Herzchen auf „Bittesehr“ reagiert. Wer? Na er! Ah, er!

Kennen Sie „Warten auf Godot?“ Das Beckett-Drama, indem zwei Personen auf die Titelfigur warten, die nie kommt? Damit spielt eine Karikatur im „New Yorker“: Estragon liest Vladimir von seinem Handy vor: „Godot hat getextet: Es wird später. Traurig-Emoji. Zwinker-Emoji.“ 


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