Wolfgang Borchert Das Schicksal eines Kriegsheimkehrers
Der von Wolfgang Borchert für sein Drama „Draußen vor der Tür“ gewählte sarkastische Untertitel „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“, könnte als pessimistische Prognose gewertet werden, die jedoch nicht eintrat.
Bereits am 13. Februar 1947 strahlte der Nordwestdeutsche Rundfunk eine Hörspielfassung des Dramas aus und verlieh der desillusionierten Generation der Kriegsheimkehrer eine eindringliche Stimme, die in ihrer Wahrheit viele Hörer ergriff und befreite, aber in ihrer unmissverständlichen Direktheit auch abschreckte. Ein Schrei ging durch die Reihen der Verzweifelten, Verlassenen und Verstümmelten, die aus ihrer aufgezwungenen Apathie aufschreckten und sich plötzlich mit ihrer Situation konfrontiert sahen. Der Protagonist Beckmann fungiert in "Draußen vor der Tür" als Stellvertreter der Kriegsheimkehrer, die nach Antwort verlangen, Antwort auf Fragen nach dem Sinn ihres Lebens, "Wozu? Für wen? Für was?". So steht denn auch Borcherts Schlusssatz als anklagender Hilfeschrei im Raum: "Gibt denn keiner, keiner Antwort???"
Kriegsheimkehrer – Die Generation der Desillusionierten
Borchert, der kriegsverletzt am Ende seiner Kräfte Vegetierende, wagte diese Anklage, denn der Stoff seines Lebens war der Stoff vieler vom Krieg gebeutelter Soldaten – er war jahrelang an der Front gefangen und schließlich schwerstverwundet nach Hause geschickt worden. Die Tragik seines Lebens und der Wille, dieser Gehör zu verschaffen, befähigten ihn, an das Krankenbett gefesselt, in nur acht Tagen die Geschichte Beckmanns zu verfassen, der nach einem gescheiterten Selbstmordversuch einem Mann, genannt "der Andere", die Hölle seiner vorangegangenen dreijährigen Kriegsgefangenschaft in Russland schildert.
Die Hoffnungen auf ein "heiles Zuhause" werden auf grausamste Art und Weise zerschlagen, denn heil ist in der ehemaligen Heimat nahezu Nichts geblieben: überall zerstörte Städte, Trümmerfelder. Die nach Geborgenheit Lechzenden finden sich aber nicht nur äußerlich ihrer Behausung beraubt, auch innerlich fühlen sie sich wie einer "Draußen vor der Tür". Auch der einzige Hoffnungsschimmer, an den man sich geklammert hat, die liebende Ehefrau, hat sich nicht selten einem Anderen zugewandt. Beckmann muss diese schmerzliche Erfahrung ebenfalls machen: "Als ich jetzt nach Hause kam, da war mein Bett besetzt."
Kollektive Verarbeitung des Krieges
Rasend und gehetzt erfolgte die Niederschrift seines Dramas, dessen Uraufführung in den Hamburger Kammerspielen am 21. November 1947 er nicht mehr miterlebte. Einen Tag zuvor erlag er 26-jährig seinen im Krieg erlittenen Verletzungen. Die Frage nach der Schuld und die Schuldverteilung charakterisiert die Figuren des Stückes und spaltet sie in diejenigen "draußen vor der Tür", in die junge Generation, die durch ihr Schuldbewusstsein von ihrer Mitschuld entlastet wird und in diejenigen der älteren Generation, drinnen, satt und aufgehoben, ohne Schuldbewusstsein. Die außerordentliche Resonanz auf Borcherts Drama resultiert nicht zuletzt daraus, dass es dem betroffenem Publikum durch die Identifikation mit Beckmann die Verarbeitung ihrer eigenen Kriegserfahrungen ermöglichte.