Der Anfang vom Ende
Geschichte | HS, RS, Gy |
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Mit unbändigem Aggressions- und Eroberungswillen treibt Hitler nach dem Machtantritt die Kriegsvorbereitung voran. Ziel ist: Gewinnung von "Lebensraum im Osten". 1939 steht die Appeasementpolitik der Westmächte vor dem Bankrott.
Hitler greift nach der Macht
Nach dem Scheitern der Reichskanzler Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburgden ihm eigentlich suspekten “böhmischen Gefreiten” Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Regierungschef. Dem Kabinett Hitler gehören nur zwei Nationalsozialisten an, die übrigen Minister kommen aus den traditionellen Rechtsparteien. Wie seine Vorgänger regiert Hitler zunächst mit Notverordnungen des Reichspräsidenten. Den Brand des Reichstags am 27. Februar 1933 nimmt er zum Anlass, den Grundrechtskatalog der Weimarer Verfassung außer Kraft zu setzen (Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933). Damit hat er freie Hand bei der Verfolgung politischer Gegner.
Die Rechte schließt sich zusammen
Die Reichswehrführung, die von Hitler einen personellen und materiellen Ausbau der Truppe erwartet, akzeptiert dessen Vorgehen ebenso wie führende Industrielle, denen Hitler Gewinne durch ein geplantes Rüstungsprogramm in Aussicht stellt. Unterstützung kommt auch von Seiten der Bürokratie. Die nationalkonservativen Kräfte und die NS-Bewegung hoffen, aus ihrem Bündnis Profit zu schlagen. Überzeugt davon, Hitler im Bedarfsfall "zähmen" zu können, blicken die traditionellen Machteliten aus Militär, Wirtschaft und Verwaltung auf dessen Partei mit ihrer Massenbasis und wollen sie ihre Zwecke einspannen. Hitler wiederum braucht seine Partner, um Hindernisse auf dem Weg zur Macht schnell zu beseitigen.
Hitler zerschlägt das parlamentarische System
Am 23. März 1933 verabschiedet der Reichstag das Ermächtigungsgesetz. Die Abgeordneten der KPD und mehrere Parlamentarier der SPD können an der Abstimmung nicht teilnehmen, da sie sich in "Schutzhaft” oder auf der Flucht befinden. Die bürgerlichen Parteien stimmen für das Gesetz. Mit dem Ermächtigungsgesetz kann die Reichsregierung durch einfachen Beschluss Gesetze auf dem Vorordnungsweg erlassen. Die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive ist aufgehoben, der Reichstag ist damit überflüssig. Die Selbständigkeit der Länder und die Selbstverwaltung der Gemeinden werden am 31. März 1933 beseitigt. Künftig sorgen "Reichsstatthalter”dafür, dass die Anordnungen Hitlers umgesetzt werden. Damit ist ein weiterer Schritt in Richtung Führerstaatvollzogen.
In den folgenden Monaten geht es Schlag auf Schlag. Nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (7. April 1933) können NS-Gegner aus dem Staatsdienst entfernt werden. Ein spezieller "Arierparagraph” ermöglicht die Entlassung jüdischer Beamter. Den 1. Mai, traditionell ein Kampftag der Arbeiterbewegung, erklärt die Regierung zum "Tag der nationalen Arbeit”. Bereits am 2. Mai 1933 werden die Gewerkschaften gleichgeschaltet. An ihre Stelle tritt die Deutsche Arbeitsfront, eine Einheitsgewerkschaft.
Nach und nach lösen sich die Parteien - auch die bürgerlichen - unter dem Druck der Nationalsozialisten auf. Mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien wird der Erosionsprozess abgeschlossen (14. Juli 1933). Deutschland ist nun ein Einparteienstaat.
Streit ums Waffenmonopol - Hitler kommt den Militärs entgegen
Im Juni 1934 befiehlt die NS-Führung umfangreiche Säuberungen, die sich gegen "aufrührerische Kräfte” innerhalb der Sturmabteilungen (SA) richten. Deren Chef Ernst Röhm, der einer engen Zusammenarbeit Hitlers mit der Reichswehr im Wege steht, wird ermordet. Der Hintergrund: Röhm, ein alter Kampfgefährte des "Führers", liebäugelt - zum Schrecken der Generalität - mit einer Fusion von Reichswehr und SA. Auch kirchliche und konservative NS-Gegner, darunter der frühere Reichskanzler Kurt von Schleicher, fallen Killerkommandos zum Opfer. Zur Freude der Industriellen wird während des so genannten "Röhm-Putsches" auch der sozialrevolutionäre Flügel der NSDAP ausgeschaltet. Ein Gesetz legalisiert die Morde nachträglich als "Akt der Staatsnotwehr”. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg (2. Juli 1934) lässt Hitler die Reichswehr auf seine Person vereidigen und in Wehrmacht umbenennen.
Der NS-Staat nimmt Gestalt an
Im Sommer 1934 hat Hitler seine Macht gefestigt. Mit Hilfe von Erziehung und Propaganda, durch den rücksichtslosen Einsatz von Polizei und Justiz, soll der Nationalsozialismus verankert, eine "Volksgemeinschaft”geschaffen werden. Seine wahre Absicht, die Vorbereitung Deutschlands auf einen Eroberungskrieg im Osten, verheimlicht der "Führer” seinem Volk. Ein umfassendes Überwachungssystem entsteht und eine Geheime Staatspolizei (Gestapo) zur Überwachung und Verfolgung von Regimegegnern wird aufgebaut. Auch die Justizwird gleichgeschaltet. Bereitwillig ordnen sich die meisten Richter und Staatsanwälte dem Willen des "Führers” unter.
Hitler gewinnt die Arbeiterschaft für das "Dritte Reich"
Per Gesetz schafft die Reichsregierung die Tarifautonomie der Sozialpartner in Deutschland ab, 1934 wird ein Lohnstopp verfügt. Neue Regelungen, unter anderem die Einschränkung der freien Wahl des Arbeitsplatzes, ordnen die Arbeitswelt im Sinne der Nationalsozialisten. Die kapitalistisch orientierte Marktwirtschaft bleibt aber unberührt. Dennoch sind die Arbeiter nicht unzufrieden, denn ein groß angelegtes Arbeitsbeschaffungsprogramm (unter anderem Autobahnbau) bringt viele Menschen nach Jahren der Erwerbslosigkeit wieder in Lohn und Brot.
Nahezu alle Arbeiter erhalten als "Geschenk des Führers” erstmals sechs bis zwölf Tage Urlaub im Jahr, der Jahresurlaub wird zum gesetzlichen Anspruch. Viele Arbeitnehmer kommen in den Genuss von staatlich subventionierten Kraft durch Freude-Reisen. Die braunen Machthaber wünschen sich den Arbeiter als "Soldat an der Arbeitsfront”, dessen "Kampfplatz” die Werkbank oder das Fließband ist. Und für die geplante Aufrüstung und die Eroberung von "Lebensraum im Osten” brauchen die Nazis eine ausgeruhte und zufriedene Arbeiterschaft. Das Vorhaben gelingt, Hitler kann die soziale Basis seiner Herrschaft erheblich verbreitern.
Auch die NS-Wirtschaftspolitik dient der - geheim gehaltenen - Kriegsvorbereitung. Die Intensivierung der Landwirtschaft wird vorangetrieben, die Rüstungsindustrie kommt in Schwung. 1936 fordert ein Vierjahresplan von Wirtschaft und Wehrmacht, binnen vier Jahren kriegs- bzw. einsatzfähig zu sein.
Hitlers Außenpolitik der Vernebelung
Um seinem Fernziel, der Erkämpfung des "Lebensraumes” im Osten näher zu kommen, muss Hitler nach seinem Machtantritt zunächst versuchen, die militärischen Beschränkungen des Versailler Vertrags zu beseitigen, ohne dass die europäischen Großmächte gegen Deutschland vorgehen. Die Nationalsozialisten übernehmen den Apparat des Auswärtigen Amtes fast unverändert und gaukeln dem Ausland außenpolitische Kontinuität vor. Es entsteht der Eindruck, der Reichskanzler Hitler bleibe mit seinen Versuchen einer Revision des Versailler Vertrags in der Tradition seiner Weimarer Vorgänger. Führende Nationalsozialisten wie Hitler und Goebbels halten "Friedensreden”, in denen sie betonen, dass Deutschland seine Ziele nur auf friedlichem Wege erreichen will.
Frühe diplomatische Erfolge der Regierung Hitler
Im Juli 1933 wird das Reichskonkordatmit dem Vatikan abgeschlossen. Es soll die Konflikte zwischen der Katholischen Kirche und dem Nationalsozialismus beenden. Im Januar 1934 unterzeichnet Deutschland einen Nichtangriffspakt mit Polen auf zehn Jahre. Die deutsch-polnischen Beziehungen, die wegen der in Versailles festgeschriebenen Gebietsabtretungen gespannt sind, verbessern sich spürbar. Gleichzeitig wird dadurch das gegen Deutschland gerichtete französische Bündnissystem geschwächt. Im deutsch-britischen Flottenabkommen vom Juni 1935 erklärt sich Deutschland bereit, seine Flotte nur bis zu 35 Prozent der Stärke der britischen Marine aufzurüsten.
Zwischen solche "friedenspolitischen” Schritte streut Hitler immer wieder aggressive Akte, um das Verhalten des Auslands zu testen. Ein frühes Beispiel dafür ist der Austritt Deutschland aus dem Völkerbund im Oktober 1933. Durch den Ausstieg aus diesem System der kollektiven Sicherheit, das Abrüstung und internationale Sicherheitsgarantien vorsieht, will Hitler freie Hand für seine geplante Aufrüstung erhalten.
Deutschland bricht den Versailler Vertrag
Kaum ist im Januar 1935 die Rückgliederung der Saar gelungen, verstößt Deutschland im März mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und dem offenen Aufbau der Luftwaffe bewusst gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags. Der Völkerbund, der internationale Verträge eigentlich überwachen soll, kann sich nicht einmal zu einer Verurteilung des deutschen Vorgehens entschließen, Sanktionsmöglichkeiten hat er ohnehin keine. Die Zurückhaltung des Auslands ermutigt Hitler, noch einen Schritt weiter zu gehen. Im März 1936 marschiert die Wehrmacht ins entmilitarisierte Rheinland ein. Der Coup ist riskant, denn die Wehrmacht ist nicht kampfbereit, falls es zu einem bewaffneten Konflikt mit den Westmächten kommt. Viele Flugzeuge der Luftwaffe, die die Rheinlandaktion decken sollen, verfügen nicht einmal über Maschinengewehre und sind nur mit Holzattrappen ausgerüstet. Frankreich und England nehmen den Einmarsch unter Protest hin.
Prestigegewinn durch die Olympischen Spiele
Im Jahr 1936 später präsentiert sich Deutschland während der Olympischen Spiele der Welt als friedliebende Nation. Die Wettkämpfe werden mit enormem Aufwand inszeniert, vor den Augen der Welt verblassen die Schattenseiten der NS-Diktatur. Währenddessen werden die Beziehungen des "Dritten Reichs” zum faschistischen Italien immer enger ("Achse-Berlin-Rom”). Zusammen mit Italien unterstützt Deutschland den Putsch rechtsgerichteter Militärs um General Francisco Francoin Spanien. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) kämpfen deutsche Soldaten in spanischen Uniformen auf Seiten der Franco-Truppen. Für die Wehrmachtsführung ist dies eine willkommene Gelegenheit, neu entwickelte Waffen zu testen und Soldaten auf kommende Kriege vorzubereiten.
Das Bündnis mit Italien erleichtert Deutschland im März 1938 den Anschluss Österreichs, Hitlers Fahrt durch Wien gleicht einem Triumphzug. In Deutschland ist seine "Heim-ins-Reich"-Politikpopulär. Mit großem propagandistischem Aufwand lassen die Nationalsozialisten Volksabstimmungen veranstalten, die regelmäßig mehr als 90 Prozent Zustimmung bringen.
Deutschlands Außenpolitik wird offen aggressiv
Trotz aller Provokationen bleiben Großbritannien und Frankreich bei ihrer Befriedungspolitik (Appeasement) und stimmen im September 1938 sogar der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei an Deutschland zu (Münchner Abkommen). Feierlich garantieren England und Frankreich die Existenz der verbleibenden Tschechoslowakei. Hitler gibt sich auch mit diesem Erfolg nicht zufrieden, er plant die "Zerschlagung der Resttschechei”. Schließlich nimmt er den schwelenden Konflikt zwischen Tschechen und Slowaken zum Vorwand, seine Panzer im März 1939 in die Tschechoslowakei einrücken zu lassen. Deutschland errichtet ein Protektorat Böhmen und Mähren, die Slowakei wird ein Vasallenstaat. Der klare Bruch des Münchner Abkommens veranlasst Briten und Franzosen, ein letztes Warnsignal an Deutschland zu senden: eine gemeinsame Garantieerklärung für Polen. Als Reaktion kündigt Deutschland im April 1939 das Flottenabkommen mit Großbritannien und schließt im Mai den "Stahlpakt” mit Italien.
Für eine weltweite Überraschung sorgt im August 1939 der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt (auch die Westmächte haben sich um ein Abkommen mit dem Sowjet-Diktator Josef Stalin bemüht). In einem geheimen Zusatzprotokoll vereinbaren Deutschland und die UdSSR die vierte Teilung Polens, der Einflussbereich Russlands wird auf das Baltikum ausgeweitet. Außerdem erhält Deutschland kriegswichtige Rohstofflieferungen und vermeidet einen Zwei-Fronten-Krieg. Hitler glaubt nun, den Angriff auf Polen wagen zu können.