Woodstock Aus Chaos erwächst ein Mythos
Großes ist geplant, als sich zwei junge amerikanische Festivalpromoter und zwei Risikokapitalinvestoren Ende der 1960er Jahre zusammentun: "Three Days of Love and Music", ein dreitägiges Konzert der Superlative mit 32 Bands und Interpreten, darunter Janis Joplin, Jimi Hendrix, Arlo Guthrie, Joan Baez, The Who, Grateful Dead, The Band, Santana und Jefferson Airplane. Auch mancher Geheimtipp steht auf der Liste, etwa Joe Cocker, Richie Havens oder Crosby, Stills, Nash & Young, die noch auf den Durchbruch warten.
Die Organisatoren - Michael Lang, Artie Kornfeld, Joel Rosenman und John Roberts - verpflichten die besten Techniker und engagieren den Beleuchtungsexperten Chip Monck. Sie beschaffen eine drehbare, auf Rollen gelagerte Bühne und der Grafikdesigner Arnold Scolnick tüftelt am Logo: eine Taube auf einem Gitarrenhals vor rotem Hintergrund.
Massenansturm auf das Festivalgelände
Als Schauplatz des Spektakels, das vom 15. bis 17. August 1969 dauern soll, ist Woodstock vorgesehen, eine Künstlerkolonie bei Kingston im Bundesstaat New York. Hier lebt Bob Dylan, der gefeierte Star der Gegenkultur - und es kann ja nicht schaden, ein wenig von seinem Ruhm zu zehren. Doch der Vertrag mit der Gemeinde kommt nicht zustande. Ausweichort ist die Farm des Milchbauern Max Yasgur bei Bethel. Der Name der Veranstaltung wird beibehalten: "Woodstock Music and Art Fair".
Offiziell erwarten die Veranstalter 60.000 Besucher, insgeheim hoffen sie auf 200.000. Tatsächlich machen sich mehr als eine Million Musikfans auf den Weg. Lange Staus bilden sich, die Polizei sperrt die Zufahrtsstraßen. Einige Hunderttausend "kommen durch", die schiere Masse macht alle Planungen obsolet.
Woodstock im Chaos
Noch während die Tickethäuschen aufgestellt werden, strömen Besucher aufs Gelände. Die Veranstalter sind gezwungen, den Eintritt freizugeben. Binnen kurzer Zeit herrscht Konfusion. Es mangelt an sanitären Anlagen, schnell bricht die Lebensmittel- und Wasserversorgung zusammen, medizinische Notfälle können kaum versorgt werden, Müllberge türmen sich auf. Zu allem Überfluss weicht Regen die Wiesen auf, Woodstock versinkt im Schlamm.
Was Spaß macht, ist erlaubt
Regen, Schmutz und Fäkalien können den Besucher des Festivals nichts anhaben. Die Bands und Sänger treten auf; manche präsentieren sich in Höchstform, andere sind so zugedröhnt, dass sie sich kaum auf den Beinen halten können.
Aber die Stimmung ist gut - ob vor oder hinter der Bühne. Trotz der vielen Menschen auf engem Raum gibt es keine nennenswerten Ausschreitungen. "Wir hatten keine Polizei", sagt später der Organisator Michael Lang, "deshalb gab es auch keinen Ärger".
Die Besucher hausen in Zelten oder Wohnmobilen. Manche musizieren selbst - Congas (Fasstrommeln), Gitarren und Querföten sind bevorzugte Instrumente. Hippies baden nackt im nahe gelegenen See, fremde Menschen küssen sich, lassen sich treiben, geben sich dem Moment hin. In aller Öffentlichkeit werden Drogen konsumiert, die nötigen Hinweise zur Qualität der angebotenen Ware kommen über die Lautsprecheranlage. Teilnehmer beschreiben Woodstock in der Rückschau als faszinierende Wolke, auf der man schwebte.