Das Leben von John Stuart Mill Das Thema
John Stuart Mill wurde 1806 in London als Sohn von James Mill und Harriet Murrow geboren. Sein Vater war, zusammen mit seinem Freund Jeremy Bentham, Vertreter eines radikalen Utilitarismus. Die Ideen der beiden sollte der Sohn später noch weiterentwickeln. Unter dem Einfluss und der Erziehung des Vaters erhielt John Stuart Mill eine umfassende Bildung. Latein, Griechisch, Deutsch und Französisch gehörten ebenso dazu wie auch sehr bald Ökonomie, Chemie, Mathematik, Logik und Metaphysik. Zurück vom Studium in Montpellier, wo er mit Ideen und Vertretern des französischen Liberalismus bekannt wurde, las er 1821 die Schriften Benthams und begeisterte sich für dessen Nützlichkeitsprinzip. Zwei Jahre später trat er in die größte Handelsgesellschaft jener Zeit, in die Ostindische Handelskompanie, ein und rückte dort sehr schnell in höhere Positionen auf. Nach 1858 zog er sich mit einer durchaus üppigen Pension aus dem Berufsleben zurück und widmete sich ganz seinen Studien.
Politischer Autor und Wahlrechtverfechter
Bereits 1848 war sein Buch "Grundsätze der politischen Ökonomie" erschienen, womit er sich als politischer Autor einen Namen machte. 1863 dann wurde seine Schrift "Der Utilitarismus" veröffentlicht. Seine Frau, Harriet Taylor, eine radikale Linksliberale und Frauenrechtlerin, beeinflusste ihn stark in seinem Eintreten für das Frauenwahlrecht und ein allgemein erweitertes Wahlrecht. Dafür und für allgemeine Sozialreformen machte er sich ab 1865 als Abgeordneter der liberalen "Whigs" im britischen Unterhaus stark, was ihm große Anerkennung im Kreis seiner Kollegen einbrachte. Zwei Jahre später ist John Stuart Mill maßgeblich daran beteiligt, das britische Wahlrecht zu reformieren. Auch wenn Arbeiter auf grund ihres geringen Einkommens und Frauen weiterhin nicht wählen durften, so war es doch beachtlich, dass sich nach der Wahlrechtsreform die Zahl der Wahlberechtigten um das Doppelte erhöhte. Nach dem Ausscheiden Mills aus dem House of Commons, zog er sich in seine Wahlheimat nach Frankreich zurück. John Stuart Mill starb 1873 in Avignon.
Seine Theorie des Utilitarismus
Der Wortstamm kommt aus dem Lateinischen: utilis bedeutet nützlich. Gemeint ist mit dieser sozialphilosophischen Theorie, dass ein bestimmtes Handeln nur dann als nützlich und auch gerecht angesehen werden kann, wenn es einen möglichst großen Nutzen für das Gesamtwohl der Gesellschaft erbringt, also für möglichst viele Menschen. Die politisch-philosophische Lehre ist neben dem Empirismus und dem Pragmatismus die wohl bedeutsamste Richtung in der politischen Philosophie angelsächsischer Prägung.
Dieses Gedankengebäude wirft viele Fragen auf: Wie ist zu erreichen, dass eine Gesellschaftsform gleichermaßen Gerechtigkeit und Freiheit bietet? Wie kann man den einzelnen vor der Macht der Gesellschaft schützen und die Gemeinschaft vor dem egoistischen Streben des Einzelnen? An welchen Punkten kollidieren individueller und gesellschaftlicher Nutzen? Auf diese Fragen versuchte John Stuart Mill Mitte des 19. Jahrhunderts Antworten und damit Handlungsanleitungen zu finden, wie das politische System Großbritanniens zwischen industrieller Revolution und dem wachsenden Reichtum der größten Kolonialmacht den neuen wirtschaftlichen Erfordernissen angepasst werden konnte. Und das hatte seiner Meinung nach allein durch Reformen zu geschehen. Dabei lehnte Mill einen reinen Wirtschaftsliberalismus ebenso ab wie einen radikalen Sozialismus.
Ungerechtigkeit als sozialer Sprengstoff
Er sah eine Gesellschaft in Gefahr, wenn in einer Nationalökonomie nur wenige immer mehr besitzen und die meisten - das betraf die neue Schicht der Arbeiter - kaum etwas zum Leben haben. Eine Sprengkraft, der Mill die politische Moral der Nützlichkeit und des Glücks entgegensetzt mit der Maxime: "Was gerecht ist, ist nützlich!" Und gerecht ist nach Mill, was nützt und wobei sich die Menschen wohlfühlen. Damit ist nicht die rein hedonistische Lust oder das kurzweilige Vergnügen gemeint. Mill will, wenn er von Glück spricht, das moralisch richtige Handeln auf lange Zeit hin benennen, das sich daraus ergibt, dass der Einzelne sich immer als Teil des Ganzen, also der Gemeinschaft, versteht und dem Gesamtwohl dient. Das war in der englischen Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts sicherlich ein Aufruf an die herrschende politische Klasse, sich sozialen Fragen zuzuwenden und mit den schwächeren Gruppen der Gesellschaft verlässliche Vereinbarungen zu treffen.
Wie aktuell ist Mills Theorie des Utilitarismus in modernen Gesellschaften?
Sehr viel komplexer als die gesellschaftliche Realität Großbritanniens Mitte des 19. Jahrhunderts muten unsere modernen Gesellschaften an. Gleichwohl finden sich auch hier bei uns, 150 Jahre später, immer wieder Beispiele für Interessenskonflikte zwischen Einzelnem und der Gesellschaft. Zum Beispiel das Rauchverbot, das der Gefährlichkeit des Passivrauchens geschuldet ist, auch wenn es die Freiheit einzelner Personen einschränkt. Oder: In Deutschland darf man Schusswaffen nicht frei erwerben. Die Gefahr, dass sonst mehr kriminelle Taten verübt werden, wird höher eingeschätzt als das persönliche Schutzbedürfnis des Einzelnen. Zum zweiten sind "nützlich" und "gerecht" als wirtschaftliche und soziale Größen wohl kaum in einer Gesellschaft verwirklicht, wenn zehn Prozent der deutschen Bevölkerung dreißig Prozent des volkswirtschaftlichen Vermögens besitzen. Oder wenn es auf der Welt eigentlich keine Hungernden geben dürfte, weil eigentlich genug Nahrung für alle vorhanden ist. Nur werden in den Entwicklungsländern ein Großteil der Anbauflächen für Pflanzen genutzt, die als Futtermittel für Nutztiere in westliche Industrienationen ausgeführt werden. So ist das Modell von Mill, wie es der Berliner Philosoph Ralph Schumacher formuliert, nicht mehr 1:1 als ethisches Grundkonzept in die moderne Zeit zu übertragen. Aber das Nützlichkeitsprinzip für "Gedankenexperimente" zu verwenden, um abzuwägen, welche Güter sich nun gegenüberstehen, welche Möglichkeiten und Optionen zu wählen sind, dafür ist es nach wie vor aktuell.