Bayern 2 - radioWissen


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Mehr als 5000 Jahre Geschichte

Von: Volker Eklkofer / Sendung: Herbert Becker

Stand: 14.04.2016 | Archiv

Die Kunst des Bierbrauens: Mehr als 5.000 Jahre Geschichte

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Quer durch die Kulturen spielt das Bier eine herausragende Rolle - als Volksgetränk, Wirtschaftsfaktor, Genuss- und Rauschmittel. Ein Land mit besonderer Biertradition ist Bayern - sein Reinheitsgebot setzte globale Maßstäbe.

Am Anfang war das Bier

Menschheitsgeschichte und Bierhistorie stehen in engem Zusammenhang. Evolutionsexperten streiten allerdings darüber, was zuerst kam - das Brotbacken oder das Bierbrauen. Eine Denkschule geht davon aus, dass die Menschen im Zuge ihrer Sesshaftwerdung Wildgräser sammelten, Getreide wie Gerste domestizierten, Körner-Grützbrei verspeisten und Fladenbrot in Lehmöfen zubereiteten. Irgendwann naschten steinzeitliche Ackerbauern bereits angegorenes Brot - beschwipst entdeckten sie das Bier.

Andere Forscher sind der Meinung, dass Getreide schon lange vor der Brotherstellung kultiviert wurde - einzig zum Zweck der Rauschmittelproduktion. Demnach schätzten schon herumziehende Jäger und Sammler das Bier. Aus gerösteten Grassamen gewannen sie Malz, gaben Spucke hinzu, wilde Hefearten sorgten für die Vergärung. Und weil das Anhäufen von Bier- und Getreidevorräten mit dem Wanderleben nicht vereinbar war, wurden die Menschen sesshaft. Folgt man dieser Theorie weiter, waren die ersten festen Bauten auch keine Wohnhäuser, sondern Kultstätten oder "Bierhallen", in denen sich die Sippen um ihren Schamanen zum Umtrunk versammelten. Bier wirkte gemeinschaftsbildend, es trug zur Entstehung sozialer Strukturen bei und half bei der Ausformung früher Hochkulturen.

Frühe Bierpioniere

Das Brauen ist seit mehr als 6.000 Jahren belegt. Sumerer, Assyrer Babylonier und Ägypter brachten die Bierproduktion in Schwung. Sumerische Tontafeln zeigen, wie Fladen gebacken und zu Bierteig vergoren wurden. Bier (-brei) galt im Zweistromland als wichtiges, schützenswertes Nahrungsmittel. So sah der Codex Hammurapi,die Gesetzessammlung des Schöpfers des ersten babylonischen Reichs (18. Jahrhundert vor Christus), Strafen wie das Ertränken für Panscher vor. Bier war zu dieser Zeit trüb und süß, man "verfeinerte" es mit Honig, Zimt, Safran, Eichenrinde oder Wolfsblume.

In Ägypten stieg Bier zum Volksgetränk auf, das in festgesetzten Mengen sogar an Sklaven ausgeschenkt wurde. Von den Ägyptern lernten auch die Israeliten die Kunst des Bierbrauens. Griechen und Römer waren keine Bierliebhaber, sie bevorzugten Wein und fanden bei keltischen und germanischen Eliten zeitweise eifrige Nachahmer, während deren Untertanen das "Barbarengetränk" durchaus schätzten.

Bierboom im Mittelalter

Wirtschaftsförderung war ein Schwerpunkt beim Ausbau des Frankenreichs durch Karl den Großen (768-814), die Karolinger legten besonderen Wert auf den Getreideanbau. Klöster entwickelten sich zu Landwirtschafts- und Bildungszentren, in der Brautechnik übernahmen sie eine Führungsrolle. Mönche und Nonnen konnten lesen und schreiben, sie trugen Rezepte zusammen und verbesserten sie. Die Sterilisierung während des Brauvorgangs machte das Bier im Mittelalter zu einem besonders gesunden Getränk. Sudhäuser und Gärkeller entstanden, die gewerbliche Bierproduktion begann. Abnehmer des klösterlichen Gebräus waren häufig Pilger und Wanderer.

Der Adel stieg bald ins Biergeschäft ein und auch in einfachen Haushalten wurde - zumeist von Frauen - selbst gebraut. Die Hausbrauerei endete dort, wo die Obrigkeit dazu überging, Braugerechtigkeiten zu verleihen und die Genehmigung zur Herstellung von Bier an Grundbesitz mit Braustätte, Keller und Schankwirtschaft zu koppeln. Profiteure dieser Entwicklung waren in den Städten wohlhabende Patrizier. Im 13. Jahrhundert organisierte sich das bürgerliche Brauhandwerk als Zunft oder Gilde.

Vom Grutbier zum Hopfenbier

Mittelalterlichem Bier wurden allerlei Kräuter und Gewürze ("Grut") beigemischt. Was genießbar war, was Wirkung, Farbe und Geschmack verändern konnte, landete im Bier, darunter Späne, Ruß, Pech, Bilsenkraut, Rosmarin oder Schafgarbe. Schließlich setzte sich der Hopfen, der bereits im Altertum ein kurzes Zwischenspiel als Bierzusatz hatte, ab dem Jahr 1000 mehr und mehr durch.

Hopfen macht Bier weniger verderblich, verbessert die Bildung von Schaum und garantiert einen angenehm-bitteren Geschmack. Die ab dem 12. Jahrhundert im norddeutschen Raum aktive Hanse (Handelsstädtebund) profitierte erst vom Bierexport, als der Trank durch vermehrte Hopfenzugabe haltbarer wurde. Von Bremen und Hamburg aus wurde Bier unter anderem nach Skandinavien, Russland und England verschifft.

Zeit für Reglementierung - das bayerische Reinheitsgebot

Als sich eine Klimaänderung, die "Kleine Eiszeit", bemerkbar machte, und während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zahlreiche Weinberge zerstört wurden, wandelte sich Bayern, wo viel Rebensaft getrunken wurde, zum Bierland. Der Bierkonsum stieg, das Brauwesen erhielt einen Schub. In der Holledau verschwanden die Weinstöcke, die Region wandelte sich zum führenden Hopfenanbaugebiet.

Der bayerische Herzog Wilhelm IV. (1493-1550), der sich die Herrschaft mit seinem Bruder Ludwig X. (1495-1545) teilte, beendete die Bierpanscherei in seinem Machtbereich - der Normenstaat warf die ersten Schatten. Am 23. April 1516 erließ Wilhelm ein Reinheitsgebot. Der Kernsatz der Verfügung lautete, dass bei der Bierherstellung "allain Gersten, Hopffen und Wasser" verwendet werden dürfen. Hefe war zu dieser Zeit noch nicht bekannt, die alkoholische Gärung wurde durch wilde, herumfliegende Hefen verursacht. Lokale Brauvorschriften hatte es zuvor etwa in Nürnberg (1293), Regensburg (1453) oder München (1420/1447) gegeben, das Reinheitsgebot war jedoch die erste umfassende Landesregelung.

Sicherung der Bierqualität, also früher Verbraucherschutz, dürfte aber nicht das vorrangige Ziel des bayerischen Herzogs gewesen sein. Vielmehr ging es darum, die Verwendung kostbaren Getreides wie des zur Brotherstellung benötigten Weizens zu verhindern und Gerste als Rohstoff für das Malz durchzusetzen. Immerhin gab es Abweichungen vom Reinheitsgebot. Hätte man sich strikt an die Vorgabe Gerste-Hopfen-Malz gehalten, wäre der Siegeszug des Weißbieres ausgeblieben.

Das bayerische Reinheitsgebot wirkte weit über Bayern hinaus, etwa nach Norwegen und in die Schweiz. 1906 übernahm das Deutsche Reich die Regelung. 1952 wurde sie im Biersteuergesetz bundesweit festgeschrieben, 1993 im vorläufigen Biergesetz erneut juristisch abgesichert. Nach wie vor ist das Reinheitsgebot oberster Grundsatz für das Bierbrauen in Deutschland.

Die Bierpolitik der Wittelsbacher

Die bayerischen Regenten aus dem Hause Wittelsbach verstanden schon früh, die Macht von Bier und Geld auf süffige Weise miteinander zu verbinden. Herzog, später Kurfürst Maximilian I. (1573-1651), ein ausgewiesener Finanzexperte, erkannte die enorme Anziehungskraft des Weizenbieres. Ab 1603 ließ er Weißbier ausschließlich durch eigene Brauhäuser in München, Kelheim, Mattighofen und Traunstein herstellen. Fast 200 Jahre lang blieb das Weißbiermonopol in den Händen der Wittelsbacher. Zufrieden pries der Rechtsgelehrte und Staatskanzler Wiguläus Kreittmayr (1705-1790) im Jahr 1769 das Weißbier zusammen mit dem Salz und der Schweinemast als "das bayrische Klee mit den drey göldenen Blättern".

Andere Coups, die neben Steuereinnahmen zusätzliche Geldquellen sprudeln ließen, waren die Eröffnung des Münchner Hofbräuhauses 1592, die Übernahme der Klosterbrauerei Weihenstephan im Jahr 1803 und die Gründung des Oktoberfestes 1810.

Als Glückgriff erwies sich auch die Legalisierung des "wilden Bierausschanks" durch König Maximilian I. Joseph (1756-1825) im Jahr 1812. Bier war zu dieser Zeit mangels ausreichender Kühlung noch eine verderbliche Ware und wurde in Kellern gelagert. Damit sich das Erdreich im Sommer über den Kellern nicht erwärmte, pflanzten die Brauer Kastanien und Linden. Zum Ärger vieler Wirte kauften die Menschen ihr Bier nicht nur in den Kellern, sondern tranken es im Schatten der Bäume - der Biergarten war geboren. Mit dem Erlass des Königs entfaltete sich die Biergartenkultur, die Kunde vom neuen bayerischen Volksvergnügen ging um die Welt und lockte Besucher vor allem nach München. Biergärten gelten heute als Ausdruck bayerischer Lebensart.

Das Bier und die industrielle Revolution

Die rasante technologische Entwicklung erfasste im 18./19. Jahrhundert auch das Brauwesen. Dampf- und Kältemaschine, Thermometer, neue Erkenntnisse über mikrobiologische Zusammenhänge und der Einsatz von Hefezellen in Reinzucht ermöglichten die industrielle Produktion einheitlich guter Biere in großem Stil.

Untergäriges Bier, zu dessen Gärung Temperaturen von vier bis elf Grad Celsius benötigt werden, konnte nun auch im Sommer erzeugt werden. Das bis dahin verbreitete obergärige Bier trat zunehmend in den Hintergrund. Verkehrsmittel wie Bahn, Dampfschiff, später LKW und Flugzeug, ermöglichten den Bierexport in alle Welt. Das Braugewerbe nahm unter den Bedingungen des Kapitalismus die heutige Gestalt an.

Im 19. Jahrhundert schossen die Brauereien in Deutschland wie Pilze aus dem Boden, 1880 waren es etwa 19.000. Heute gibt es in Deutschland 1.350 Brauereien, jede zweite davon steht in Bayern.


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