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Eine polnische Odyssee im Zweiten Weltkrieg Begriffe

Stand: 20.06.2016 | Archiv

BegriffeErklärung
Anders-ArmeeDer polnische General Wladyslaw Anders (1892-1970), der bereits 1920 im Russisch-polnischen Krieg gegen die Rote Armee kämpfte, gerät 1939 verwundet in sowjetische Gefangenschaft und wird im berüchtigten Moskauer Gefängnis "Lubjanka" inhaftiert. Nach dem deutschen Angriff auf Russland (22. Juni 1941) kommt Anders frei und erhält von Lawrentij Berija, dem sowjetischen Volkskommissar für Inneres, das Angebot, eine Truppe aus polnischen Kriegsgefangenen aufzustellen. Sie soll gegen die Deutschen kämpfen und der polnischen Exilregierung in London unterstehen. Zahlreiche polnische Zivilisten, die 1940/41 in die Sowjetunion deportiert wurden und nach einer Amnestie die Lager in Sibirien und Kasachstan verlassen dürfen, schließen sich der Anders-Armee an. 1942 setzt Anders durch, dass seine von den Russen nur unzureichend versorgte Truppe mitsamt den Zivilisten nach Persien verlegt wird. Über Nordafrika gelangt die Anders-Armee auf den westlichen Kriegschauplatz und bewährt sich vor allem bei Kämpfen in Italien (Schlacht um Monte Cassino). Nach Kriegsende 1945 kehren nur wenige Anders-Soldaten in die von den Kommunisten beherrschte Heimat zurück.
GULagBereits wenige Wochen nach der Oktoberrevolution nimmt der russische Polizeistaat Gestalt an. Im Dezember 1917 wird das Sicherheitsorgan "Tscheka" (Abkürzung für Allrussische Außerordentliche Kommission beim Rat der Volkskommissare zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage) gegründet. Mit Rotem Terror und politischer Verfolgung können die Bolschewiki ihre Macht erhalten und ausweiten. Als Anfang der 1920er Jahre - ausgelöst durch Hunger und Armut - die Kriminalität in der Sowjetunion ansteigt, kommt es zu erneuten Verhaftungswellen. Bald sind die Gefängnisse hoffnungslos überfüllt. Obwohl die führenden Bolschewiki das Zwangsarbeitersystem des Zaren am eigenen Leibe erfahren haben, lassen sie es wieder aufleben: Häftlinge werden nach Sibirien deportiert.
1926 schlägt der Geheimdienstchef Felix Dserschinskij vor, "die unwirtlichen Zonen unseres Landes mit parasitären Elementen zu bevölkern". Zwangsarbeiter, so seine Überlegung, kann man in Regionen schicken, die freie Menschen niemals aus eigenem Antrieb betreten würden. Die Opfer sind schnell ausgemacht: Saboteure, Drückeberger, Konterrevolutionäre. Neben hunderttausenden Bauern (Kulaken), die sich weigern, in Kolchosen einzutreten, werden zahlreiche Arbeiter aus Betrieben, die das vorgegebene Plansoll nicht erfüllen, nach Sibirien geschickt. Selbst für geringfügige Vergehen drohen während der Stalinzeit Strafen von 15, 20 oder 25 Jahren Lagerhaft.
Ab 1929 bis in die Chruschtschow-Ära hinein wird die Zwangsarbeit zum konstanten Faktor des sowjetischen Wirtschaftslebens. Das GULag-Netz (Glaw-noje Uprawlenije Isprawitelno-trudowytch Lagerei - Hauptverwaltung der Lager) erstreckt sich über gesamte Sowjetunion.
Eine neue Welle Gefangener kommt ab Mitte der 1930er Jahre in die Lager. Zwischen 1936 und 1938 entledigt sich der Diktator Jossif Stalin der ehemaligen Oppositionellen und aller potentiellen Rivalen. Den Säuberungen fallen zehntausende Parteimitglieder und ihre Familien zum Opfer. Zudem füllen sich die Lager nach Bevölkerungstransfers etwa aus Grenzgebieten ins Landesinnere mit "Volkesfeinden"; Polen und Balten sind ab 1939 betroffen.
Hitler-Stalin-PaktHäufig verwendete Bezeichnung für den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt (Laufzeit zehn Jahre) der am 23. August 1939 unterzeichnet wird. Die Partner verpflichten sich zum gegenseitigen Gewaltverzicht (Art. 1); zur Neutralität, falls ein Partner Krieg mit einem anderen Staat führt (Art 2); zu regelmäßigen Konsultationen (Art. 3); zum Verzicht auf die Beteiligung an einem gegen den Partner gerichteten Bündnis (Art. 4); zur Konfliktbeilegung auf freundschaftlichem Wege (Art. 5). Ein geheimes Zusatzprotokoll, das am 28. September 1939 ergänzt und abgeändert wird, regelt die Machtverteilung in Ostmitteleuropa: Polen wird auf der Linie Narew-Bug geteilt und das Baltikum wird der Interessensphäre der UdSSR zugeschlagen; in Balkanfragen wollen sich die Partner künftig eng abstimmen.
NKWDDas "Volkskommissariat für innere Angelegenheiten" (russ. Narodnyj Kommissariat Wnutrennych Del) der UdSSR wird 1934 als Unionsbehörde gebildet. Es übernimmt die Aufgaben des Innenministeriums (unter anderem Grenzschutz, Strafvollzug, Kontrolle des GUlag-Netzes, Ausbeutung Gefangener als Arbeitskräfte) und verfügt über eigene Truppen. Der Geheimdienst GPU gehört, von kurzen Umstrukturierungsphasen bei den Sicherheitsorganen abgesehen, zum NKWD. Das NKWD ist eines der wichtigsten Instrumente des stalinistischen Terrors und eine bedeutende Stütze des Sowjetstaates. Bei Verhaftungen und Deportationen setzt das NKWD speziell ausgebildete "Operative Gruppen" ein.
Roter Terror1917/18 starten die bolschewistischen Führer den Roten Terror in der Sowjetunion. Massenterror nach jakobinischem Vorbild (Französische Revolution) ist für sie ein Mittel des Klassenkampfes gegen die "Bourgeoisie". Auf Betreiben der Staatsmacht werden Oppositionelle eingeschüchtert, mutmaßliche "Volksfeinde" verhaftet und Gegner des Regimes (Offiziere, Beamte, Adelige, aber auch Sozialrevolutionäre und streikende Arbeiter) erschossen. Der im Dezember 1917 gegründete Sicherheitsdienst "Tscheka" arbeitet außerhalb des Gesetzes. "Tscheka"-Mitarbeiter sperren Menschen ohne Haftbefehl ein, nehmen Geiseln, veranstalten Razzien, foltern und morden. Auch nach der Festigung seiner Macht will das Sowjetregime vom Roten Terror nicht lassen. Jossif Stalin lässt ihn wieder aufleben, als er 1929 die Kollektivierung der Landwirtschaft vorantreibt, in den späten 1930er Jahren "Säuberungen" durchführen lässt und während des Zweiten Weltkriegs neu hinzu gewonnene Gebiete wie Ostpolen und das Baltikum sowjetisiert.
Russisch-polnischer Krieg (1920)Der Erste Weltkrieg endet mit dem Kollaps Russlands, Österreich-Ungarns, des Deutschen des Osmanischen Reiches. Die Siegermächte gewähren den Nationalitäten der kleineren Völker Selbstbestimmung, eine neue Staatenwelt zwischen Ostsee und Adria entsteht. Auch Polen, das seit der Dritten Teilung (Einigung zwischen Russland, Österreich und Preußen 1795; frühere Teilungen in den Jahren 1772 und 1792) von der politischen Landkarte verschwunden ist, gehört zu den Profiteuren der Neuordnung. Im Oktober 1918 proklamiert ein polnischer Regierungsrat ein "vereinigtes, unabhängiges Polen". Staatschef wird Józef Klemens Pilsudski (1867-1935). Dem Militär und Politiker, der in jungen Jahren als Unabhängigkeitsaktivist nach Sibirien verbannt worden war, schwebt ein Großpolen "von Meer zu Meer" (Ostsee/Schwarzes Meer) unter Einbeziehung der Ukraine vor.
Nach der Oktoberrevolution 1917 und einem blutigen Bürgerkrieg ist Sowjetrussland geschwächt. Pilsudski präsentiert sich den Westmächten als Kämpfer gegen das "Gespenst des Bolschewismus" und startet im Frühjahr 1920 einen Eroberungsfeldzug, der mehr und mehr den Charakter eines Glaubenskrieges annimmt mit äußerster Brutalität geführt wird. Im Mai nehmen polnische Truppen Kiew ein. Die Sowjetführung spielt die nationale Karte, viele Offiziere des einstigen Zarenregimes treten in die Rote Armee ein und verleihen ihr neue Schlagkraft. Die Polen werden zurückgeschlagen, im August 1920 stehen die Russen vor Warschau.
Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili (1879-1953) - seit 1913 nennt er sich Stalin - ist zu dieser Zeit als Kriegskommissar der politisch ranghöchste Funktionär der Bolschewiki an der Südwestfront. Stalin führt, wie ihm seine Kritiker in der roten Militärführung vorwerfen, einen "Privatkrieg" zur Eroberung der Stadt Lemberg (Lwow). So bleibt die Südflanke der Hauptstreitmacht vor Warschau ungeschützt, Pilsudskis Truppen stoßen am 16. August hinein und schlagen die Rote Armee vernichtend. Im Westen wird das "Wunder an der Weichsel" bejubelt, in der Sowjetunion die "Katastrophe von Warschau" beklagt.
Noch im August beginnen unter englischer Vermittlung Waffenstillstandsverhandlungen, am 18. März 1921 wird der Friede von Riga unterzeichnet. Das von Pilsudski erträumte Großpolen kommt zwar nicht zustande, doch Sowjetrussland muss weite Gebiete Weißrusslands, Podoliens und Wolhyniens an Polen abtreten.
Stalin wird seines Postens enthoben und muss sich vor dem Politbüro in Moskau rechtfertigen. Jahre später rächt sich Stalin, mittlerweile zum Diktator aufgestiegen, für die persönliche Niederlage und den Karriereknick grausam an der roten Generalität und am polnischen Offizierscorps.

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