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Der verordnete Volkszorn Glossar

Stand: 04.11.2013 | Archiv

PersonErklärung
Goebbels, Joseph
(1897-1945)
Der Sohn eines Buchhalters studiert Germanistik und wird 1921 promoviert. Der Versuch, sich eine Existenz als freier Schriftsteller aufzubauen, scheitert. Mitte der 1920er Jahre tritt er in die NSDAP ein und arbeitet unter anderem für das Parteiblatt "Völkische Freiheit". Er etabliert die NSDAP im "roten" Berlin und wird 1928 in den Reichstag gewählt. 1933 übernimmt er das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Er strickt eifrig am Führermythos und bemüht sich, den in Deutschland latent vorhandenen Antisemitismus in der öffentlichen Meinung zu verankern. Im November 1938 ist er die treibende Kraft bei der Auslösung der antisemitischen Krawalle. Mitte 1944 ernennt ihn Hitler zum "Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz", im April 1945 zum Reichskanzler. Am 1. Mai 1945 tötet er seine sechs Kinder und begeht mit seiner Frau Selbstmord.
Göring, Hermann
(1893-1946)
Der hochdekorierte Weltkrieg-I-Jagdflieger wird 1922 NSDAP-Mitglied und Chef der SA. 1928 erhält er ein Reichstagsmandat, 1932 wird er Parlamentspräsident. Nach dem Machtantritt der NSDAP bekleidet Göring zahlreiche Ämter, darunter das des preußischen Ministerpräsidenten und des Reichsjägermeisters. Er organisiert den Aufbau der Luftwaffe und wird 1936 Beauftragter für den Vierjahresplan. Er ist "Wirtschaftsdiktator" Deutschlands, als Joseph Goebbels 1938 die Novemberpogrome auslöst. Göring reagiert ungehalten. Gegen die "Entjudung" hat er zwar nichts einzuwenden, will aber wegen der außenpolitischen Dimension der Judenpolitik lieber behutsam vorgehen und spektakuläre Aktionen wie die "Reichskristallnacht" vermeiden. Gleichwohl unterzeichnet er die Verordnung vom 12. November, die den Juden eine "Sühneleistung" in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt. Ab 1942/43 verliert Göring wegen der Misserfolge seiner Luftwaffe an Einfluss in der NS-Führung. 1945 wird er von den Amerikanern gefangen genommen und in Nürnberg zum Tode verurteilt. Der Hinrichtung entgeht er am 15. Oktober 1946 durch die Einnahme von Zyankali.
Grynszpan, Herschel (1921-?)Grynszpan, dessen Eltern 1911 aus Polen nach Deutschland einwandern, kommt am 28. März 1921 in Hannover zur Welt. Er wird als schwermütig und verhaltensgestört beschrieben, einen Schulabschluss erreicht er nicht. 1936 zieht er zu Verwandten nach Paris. Sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung wird im Juli 1938 abgelehnt, dennoch bleibt er illegal in Frankreich. Als er von der Abschiebung seiner Familie nach Polen erfährt, die die Grynszpans ins Elend stürzt, sinnt er auf Rache. Am 7. November 1938 kauft er einen Revolver und betritt den Hof der deutschen Botschaft in der Rue de Lille. Sein Ziel ist es, den deutschen Botschafter, Johannes Graf von Welczek, zu töten. Tatsächlich begegnet Grynszpan dem Botschafter, der von einem Morgenspaziergang zurückkehrt. Grynspan, der Welczek nicht kennt, fragt ihn, wo der Botschafter zu erreichen sei. Dieser verweist den Fremden an einen Amtsdiener und entgeht so dem Anschlag. Der Attentäter wird ins Zimmer des Gesandtschaftsrates Ernst vom Rath geführt, der für den Besucherempfang zuständig ist. Als Rath erscheint, gibt Grynszpan zwei Schüsse ab. Der Diplomat wird schwer verletzt, zwei Tage später stirbt er. Nach dem Anschlag wird Grynszpan von der französischen Polizei verhaftet, wegen Mordes angeklagt, aber nicht vor Gericht gestellt. 1940 liefern die Behörden Vichy-Frankreichs den Häftling an Deutschland aus. Propagandaminister Goebbels plant für Mai 1942 einen großen Schauprozess, der jedoch verschoben wird. Grynszpan kommt ins Gefängnis Berlin-Moabit, dort verliert sich seine Spur. Angeblich überlebt er den Krieg und taucht 1945 unter falschem Namen in Paris unter. 1960 wird er auf Wunsch der Eltern für tot erklärt. Sein Vater tritt 1961 in Jerusalem als Zeuge im Eichman-Prozess auf.
BegriffErklärung
ArisierungFür die Säuberung aller Lebensbereiche der Gesellschaft von Juden, für ihre wirtschaftliche Verdrängung, ihre Ausplünderung und Existenzvernichtung wählen die Nationalsozialisten einen Begriff, der schon seit den 1920er Jahren in deutsch-völkischen Kreisen kursiert: Arisierung. Bereits 1935 ist er im Nachschlagewerk "Großer Brockhaus" zu finden: "Ausschaltung der nichtarischen Bestandteile aus der Bevölkerung". Die Arisierung verläuft schrittweise als komplexer politischer und gesellschaftlicher Prozess, in den eine Vielzahl von Institutionen und Nutznießern eingebunden ist. Sie läuft nur wenige Wochen nach der "Machtergreifung" 1933 an, wird im Laufe der Jahre zunehmend radikaler, mündet 1938/39 in die "Zwangsentjudung" der letzten Betriebe und endet mit der Deportation der Juden in die Vernichtungslager. Beteiligt sind Einzelpersonen, kleine, mittlere und große Unternehmen, Banken, Parteistellen und Finanzämter. Sie alle profitieren, der große Gewinner aber ist der NS-Staat.
Boykott 19331933 leben in Deutschland etwa 560.000 Juden - eine Minderheit, die 0,76 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Reichskanzler Hitler ist zwei Monate im Amt, als die erste antisemitische Aktion anläuft. Den Vorwand liefern Berichte der Auslandspresse über den politischen Terror in den Wochen nach der "Machtergreifung", auch eine Ächtung deutscher Produkte wird erwogen. Die NSDAP-Führung bildet "Abwehrkomitees” und ruft zum Kampf auf. In der Nacht zum 1. April 1933 werden Geschäfte jüdischer Unternehmer gekennzeichnet - mit der Aufschrift "Jude” auf den Schaufenstern, mit Hetzparolen oder dem Davidstern. Schilder von Ärzten und Anwälten sind ebenfalls betroffen. Tagsüber stehen SA-Männer vor den markierten Läden und versuchen Kunden vom Kauf abzuhalten. Wer sich nicht hindern lässt, wird beim Betreten des Geschäftes oft fotografiert und läuft Gefahr, am nächsten Tag sein Bild in der Lokalzeitung veröffentlicht zu sehen. Zudem werden Menschen, die mit Juden in Kontakt stehen, öffentlich auf Schautafeln angeprangert. Viele Juden flüchten aus Deutschland, im ersten Jahr nach der "Machtergreifung” sind es ca. 37.000. Nur wenige dieser Menschen gehen nach Übersee, die meisten bleiben in Europa. Sie hoffen auf Rückkehr, wenn sich die Wogen wieder geglättet haben.
NSDAPDie Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei geht 1919 aus der Deutschen Arbeiterpartei hervor. Unter Mitarbeit Adolf Hitlers entsteht im Februar 1920 das 25-Punkte-Programm der NSDAP, das unter anderem Forderungen wie den Ausschluss von Juden aus der "Volksgemeinschaft” und die Verstaatlichung von Industriebetrieben enthält. Die "Weltanschauung" der Nationalsozialisten basiert auf Antisemitismus, Antimarxismus, Rassismus und Nationalismus. Im Juli 1921 übernimmt Adolf Hitler den Vorsitz der NSDAP. Nach dem Putschversuch vom 8./9. November 1923 wird die Partei verboten und 1925 wieder gegründet. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise steigt die NSDAP zur Massenbewegung auf und erhält 1933 nach dem Verbot beziehungsweise der Gleichschaltung aller anderen Parteien eine Monopolstellung. 1933 hat die NSDAP 2,7 Millionen Mitglieder, 1939 sind es 5,3 Millionen, bis 1945 steigt die Zahl auf 8,5 Millionen an. Nach der Kapitulation des NS-Regimes verschwindet die NSDAP aus dem öffentlichen Leben. Am 10. Oktober 1945 verbietet sie der Alliierte Kontrollrat.
Reichskristallnacht / Reichspogromnacht / NovemberpogromeDer Volksmund gibt den antisemitischen Ausschreitungen vom 9./10. November 1938 die spöttische Bezeichnung "Reichskristallnacht". Später bürgert sich "Reichspogromnacht" ein, aber auch dieser Begriff wird den Ereignissen nicht ganz gerecht. Bereits am 7. und 8. November kommt es zu vereinzelten Aktionen und mancherorts dauert die Gewaltorgie bis zum 13. November. Wer präzise sein möchte, spricht daher von den "Novemberpogromen".
Sturmabteilung (SA)Aus einer Ordnertruppe der NSDAP entwickelt sich ab 1921 ein paramilitärischer Verband, der in der Endphase der Weimarer Republik über 400.000 Mitglieder zählt und bis 1934 auf vier Millionen anwächst. Kennzeichen der SA ist ihre Uniform, das Braunhemd. SA-Männer kommen häufig zum Einsatz, wenn es darum geht, politische Gegner zu terrorisieren. Nach dem Machtantritt 1933 fungieren SA-Leute als Hilfspolizisten. Machtansprüche der SA-Führung um Ernst Röhm, der vom Zusammenschluss von SA und Reichswehr träumt, verunsichern führende Militärs, die an einer "Parteiarmee" nicht interessiert sind. Adolf Hitler, Hermann Göring und andere NSDAP-Funktionäre schmieden ein Komplott zur Verhinderung eines angeblichen SA-Putsches. Ernst Röhm und seine engsten Mitarbeiter werden im Sommer 1934 ermordet, die SA spielte fortan politisch keine Rolle mehr. Während der Novemberpogrome 1938 wird die SA aber erneut benötigt, sie treibt den gewalttätigen "Radau-Antisemitismus" auf die Spitze.
ShoaAls Bezeichnung für die systematische Vernichtung der europäischen Juden wird im angelsächsischen Sprachraum häufig der Begriff Holocaust verwendet, der seine Wurzeln im hebräischen Wort für Brandopfer hat. Um religiöse Fehlschlüsse zu vermeiden, hat sich in jüngster Zeit Shoa (hebr. Vernichtung, Katastrophe) durchgesetzt.

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