Das Thema Garnisonsstadt, Gefängnis, jüdisches Getto
Knapp 70 Kilometer von Prag entfernt, im Norden Böhmens, liegt die Kleinstadt Terezin. Hier legte Kaiser Joseph II. (1741-90) im Jahr 1780 den Grundstein für einen Garnisonsstandort. Nach den Planungen seiner Militärs entstanden Kasernen, Wohnungen, Arsenale, Ställe, Magazine und diverse unterirdische Gänge. Das befestigte, für etwa 15.000 Einwohner ausgelegte Bollwerk wurde nach Maria Theresia, der Mutter Josephs benannt: Theresienstadt.
Die im Zuge der Auflösung Österreich-Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Tschecho-Slowakei musste nach der Münchner Konferenz im Herbst 1938 deutsch besiedelte Randgebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens an NS-Deutschland abtreten. Ungehindert von den Westmächten vollzog Hitler im März 1939 die "Erledigung der Rest-Tschechei", indem er der tschechischen Regierung einen Militärschlag androhte, die Wehrmacht einmarschieren ließ und das "Reichprotektorat Böhmen und Mähren" errichtete. Mehr als sieben Millionen Tschechen, darunter etwa 60.000 Juden, gerieten unter deutsche Herrschaft. Der Coup kam derart überraschend, dass nur wenige Juden fliehen konnten.
Die sogenannte 'Kleine Festung' in Theresienstadt nutzte die Gestapo in Prag ab 1940/41 als Gefängnis für politische Gefangene. Auch im Protektorat wurden die jüdischen Gemeinden nun systematisch zerschlagen. Während deutsche Juden 1941/42 in Gettos nach Lodz, Riga und Minsk verschleppt wurden, wandelten die Besatzungsbehörden ganz Theresienstadt in ein jüdisches Getto um. Die Garnisonsstadt konnte wegen ihrer Schutzwälle problemlos abgesperrt werden und ließ sich leicht bewachen. Die Bewohner der Festungsstadt wurden umgesiedelt.
Zwischenstopp auf dem Weg in die Gaskammern
Theresienstadt sollte der SS als Sammellager dienen. Zunächst wurden tschechische Juden ins Getto geschickt. Später kamen auch deutsche Juden, meist ältere Menschen, denen man mit dem Versprechen, sie in ein "Reichaltersheim" zu bringen, die letzten Habe abgenommen hatte. Unter den nach Theresienstadt deportierten Juden befanden sich viele jüdische Weltkriegsteilnehmer und einstige Prominente aus Politik, Wirtschaft und dem Kulturbetrieb. Bald war die Kleinstadt völlig überfüllt. Auf einem Quadratkilometer Fläche lebten im Sommer 1942 knapp 54.000 Menschen.
Bis zur Befreiung im Mai 1945 war Theresienstadt Durchgangsstation für rund 140.000 Menschen, darunter 15.000 Kinder. 88.000 Juden wurden in die Vernichtungslager transportiert, mehr als 30.000 starben in Theresienstadt selbst - an Hunger, Seuchen und Misshandlungen. Auch Hinrichtungen fanden statt. Zur letzten großen Deportationswelle kam es im Herbst 1944. Etwa 11.000 Menschen blieben 1944/45 in Theresienstadt zurück.
Soldaten der Roten Armee erreichten im Januar 1945 Auschwitz, eine der Stätten des Mordens im Osten. Während die sowjetischen Truppen weiter auf deutsches Gebiet vordrangen, organisierte die SS Todesmärsche und trieb die überlebenden Juden aus den Vernichtungslagen bei Eis und Schnee in Richtung Westen. Krank und geschwächt starben viele Häftlinge, andere, die nicht schnell genug vorankamen, wurden von den Bewachern erschossen. Im Frühjahr 1945 schnürten die alliierten Armeen den Machtbereich der Nationalsozialisten immer enger ein, doch die Todesmärsche gingen weiter. Zahlreiche Gefangene trieb die SS von Buchenwald bei Weimar nach Theresienstadt, denn deutsche Truppen unter Feldmarschall Ferdinand Schörner leisteten zu dieser Zeit im Protektorat erbitterten Widerstand. Noch Anfang Mai wurden in Theresienstadt mehr als 50 Gefangene erschossen. Der letzte Kommandant des Gettos, der SS-Offizier Karl Rahm (1907-1947), floh am 5. Mai 1945. Er wurde später in Österreich verhaftet, an die Tschechoslowakei ausgeliefert und hingerichtet. Die Kapitulation der Wehmacht am 8. Mai brachte für die Insassen des KZ Theresienstadt die Befreiung.