Das Thema "Familienlager" - Lageralltag - Terezin heute
Um die Judenvernichtung zu verschleiern und den Beweis für ein "normales" jüdisches Leben zu liefern, wurde Theresienstadt zum Mustergetto bestimmt und als "Familienlager" vermarktet. Als das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) dem KZ im Juni 1944 einen Besuch abstattete, hübschte die SS Theresienstadt in zynischer Weise auf. Cafés und Läden wurden eröffnet, Blumen gepflanzt. Zur "Freizeitgestaltung" setzte die Lagerleitung Musik-, Theater und Sportveranstaltungen an. Zufallsbegegnungen von Juden mit Rot-Kreuz-Delegierten probte man. Keiner der Besucher durchschaute den billigen Bluff, das inszenierte Täuschungsmanöver war ein voller Erfolg. Naiv-zufrieden notierte der IKRK-Mann Maurice Rossel, man habe sogar eine Aufführung von Verdis Requiem gehört.
"Der Führer schenkt den Juden eine Stadt"
Derart motiviert wagten die Nazis den nächsten Täuschungsschritt. Sie zwangen den jüdischen Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron (1887-1944), im Herbst 1944 einen perfiden Film über die heile Welt in Theresienstadt zu drehen - Arbeitstitel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt". Gerron war ein Star der 20er Jahre, er hatte mit Hans Albers und Marlene Dietrich gearbeitet. 1933 emigrierte er in die Niederlande und geriet nach der Besetzung Hollands mit seiner Familie in die Fänge der SS. Nun erfüllte Gerron seinen Auftrag, ein euphemistischer Streifen über die Lebensumstände in Theresienstadt entstand. Vielleicht hoffte er, durch Kooperation mit der NS-Propaganda seine Überlebenschancen zu verbessern oder die Deportation der Schauspieler und Musiker nach Auschwitz hinauszuzögern, vielleicht machte es ihm auch Freude, nach langer Lagerhaft wieder im "Filmgeschäft" zu arbeiten. Es half ihm nichts; am 28. Oktober 1944 wurde er in Auschwitz ermordet. Sein Film wurde 1945, kurz vor dem Ende des "Dritten Reichs", unter dem Titel "Theresienstadt - Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" in Prag uraufgeführt.
Lageralltag in Theresienstadt
Der Gerron-Film sollte den Eindruck erwecken, als wäre ein "normales" Leben im KZ möglich gewesen. Theresienstadt-Überlebende schildern dagegen die Entwurzelung nach dem Verlust ihrer Heimat und der bürgerlichen Existenz. Sie beschreiben das qualvolle Zusammensein in überfüllten Räumen und Schlafsälen. Sie sprechen von Hunger und Entkräftung. Transporte kamen und gingen ab. Die Gefahr der Deportation war allgegenwärtig. Manche Gefangene hofften auf einen Arbeitseinsatz irgendwo in Deutschland. Andere ahnten, dass es im Osten Todeslager gab, einige wussten es.
Dennoch entwickelte sich ein halbwegs belastbares Alltagsleben im KZ Theresienstadt, dem Vorhof zur Hölle. Familien fanden wieder zusammen, Paare hielten an ihrer Beziehung fest, sogar einige Kinder kamen zur Welt. Mit geistig-kultureller Aktivität gelang eine Art Selbstbetrug, die Schaffung der Fiktion einer geordneten Existenz.
Terezín heute
Die Festungsanlage Theresienstadt ist in ihrem Kern erhalten geblieben. Die Gedenkstätten sind ein bedeutendes Touristenziel und locken jährlich mehr als 200.000 Besucher an.