Kraftstoff des Lebens
Mensch, Natur und Umwelt | MS, RS, Gy |
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Blut ist ein ganz besonderer Saft. In der Mythologie galt es als Sitz des Lebens und der Seele, als zauberkräftiges, magisches Fluidum. Die Biologie sieht das nüchterner. Anlass zum Staunen gibt der Lebenstreibstoff aber allemal.
Zwischen fünfzig- und hundertmal schlägt das Herz eines gesunden, ruhenden Menschen in jeder Minute. Mit jedem Schlag presst es dabei rund 80 Milliliter Blut durch ein geschlossenes System aus Arterien, Venen und feinsten Haargefäßen, in dem beständig fünf bis sieben Liter Blutplasma und Blutzellen auf einer Gesamtstrecke von etwa 100.000 Kilometern kreisen. In sechzig Sekunden pumpt das Herz so die gesamte Blutmenge einmal durch den Körper, bis zu 9.000 Liter werden dabei Tag für Tag für Tag umgewälzt, ein Leben lang, immer im Kreis.
Der Blutkreislauf: Lieferservice, Räumdienst und Schutzpolizei
Und genau auf diesen Kreislauf kommt es an! Ohne sein ständiges Zirkulieren, und vor allem ohne den Stoff, den er bewegt, könnten wir nicht leben. Auf seiner Ringfahrt durch die Adern transportiert das Blut sämtliche Nährstoffe und Substanzen, die den Stoffwechsel unserer Zellen aufrecht erhalten. Aber das Blut ist nicht nur ein Lieferservice, sondern auch eine Art Müllabfuhr: Nachdem es seine Fracht an den Bestimmungsorten abgeladen hat, packt es schädliche Abbauprodukte auf und führt sie der Entsorgung durch spezielle Organe zu. Neben diesen Speditionsjobs übernimmt das Blut auch Funktionen der Feindaufklärung und Verteidigung, die Krankheitserreger ausspähen, zum Abschuss freigeben und unschädlich machen.
Die Blutzellen: Gastransporteure, Ringfahnder und Kleberspezialisten
Für jede dieser Aufgaben sind Spezialeinheiten zuständig, die sich zu einer schlagkräftigen Truppe vereinigen. Etwa die Hälfte des Blutstroms besteht aus dem flüssigen Blutplasma, das rund 92 Prozent Wasser und ein Gemisch aus Eiweißen, Zuckern, Salzen, Fetten, Hormonen und Vitaminen enthält. In dieser Lösung schwimmen drei unterschiedliche Arten von Blutzellen mit klar abgegrenzten Sonderkompetenzen.
- Den Löwenanteil machen mit rund 99 Prozent die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) aus. Sie befördern den in der Lunge aufgenommen Sauerstoff zu den Zellen, nehmen dort Kohlendioxid auf und schaffen das Abbauprodukt zurück zur Lunge, wo es abgeatmet wird.
- Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) fungieren als Stoßkommando der Immunabwehr. Die Abfangjäger des Körpers schicken dazu drei Abteilungen ins Feld: Die Lymphozyten erkennen eingeschleppte Fremdstoffe und bilden spezifische Abwehrstoffe, die Monozyten umschließen und verdauen unerwünschte Eindringlinge, die Granulozyten bekämpfen Entzündungen und Infektionen.
- Die Blutplättchen (Thrombozyten) sind für den Wundverschluss und die Blutgerinnung verantwortlich. Sie verkleben an verletzten Gefäßwänden und bilden einen Pfropf (Thrombus), um das Leck abzudichten.
Das Blutbild: Körperspiegel, Genesungsprotokoll und Frühwarnsystem
Das Blut ist jedoch nicht nur im, sondern auch außerhalb des Körpers unverzichtbar. Seine Zusammensetzung, genauer gesagt der Anteil und die Verteilung der Blutzellen, liefert wichtige diagnostische Erkenntnisse über den Zustand der Organe, über entstehende oder bestehende Erkrankungen und die Funktion des Immunsystems. Weicht das Blutbild von definierten Standardwerten ab, läuft etwas schief im Körper. Mithilfe dieser Momentaufnahme können Ärzte anhand typischer Merkmale auf wahrscheinliche Ursachen schließen, geeignete Gegenmaßnahmen einleiten, den Genesungsverlauf und die Verträglichkeit verabreichter Medikamente überprüfen. Fortschritte in der Medizin und immer feinere Analyseverfahren haben dieses diagnostische Spektrum erheblich ausgeweitet. Neu entdeckte Signalsstoffe im Blut, so genannte Marker, weisen bereits im Vorfeld auf drohende Erkrankungen hin und ermöglichen so ein frühzeitiges Eindämmen des Risikos.