Ein unverwüstlicher Überlebenskünstler
Mensch, Natur und Umwelt | MS, RS, Gy |
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Er wirkt wie eine harmlose gelbe Blume, doch er hat es in sich: Der Löwenzahn pflanzt sich sexuell fort, bei Bedarf aber auch ungeschlechtlich - wie es eben besser passt. Auch sonst ist er nicht totzukriegen. Und das ist gut so.
Der Löwenzahn wird grob unterschätzt. Er ist hübsch anzusehen, führt uns aber schon damit raffiniert hinters Licht: Was wir für eine einzige Blüte halten, sind in Wahrheit viele - nämlich im Schnitt 200 Blüten. Aus jeder einzelnen wächst eine winzige dunkelbraune Frucht in Gestalt einer Tonne heran. Wenn sie reif ist, lässt sie ein haarfeines Fädchen aus ihrem oberen Ende wachsen, aus dem schließlich ein kleiner Fallschirm sprießt. Fertig ist die perfekte Ausrüstung, mit der sich der Löwenzahn kilometerweit ausbreitet. Und weil die Schirmchen so lustig fliegen, helfen Kinder ihm gerne dabei. Nicht immer zur Freude der Nachbarn.
Gärtner im Gefecht: Sisyphus hat's leichter
Denn Freunde des gepflegten Rasens haben ausgesprochen schlechte Karten im Spiel gegen den Löwenzahn. Ist die Pflanze einmal da, wird man sie nicht wieder los. Dafür sorgt zum Beispiel die Pfahlwurzel, die der Löwenzahn ins Erdreich treibt. Wer versuchen wollte, sie auszugraben, müsste schon bis zu zwei Meter tief in den Boden vordringen - aber dann ist der Rasen auch nicht mehr das, was er einmal war. Abmähen ist natürlich möglich, aber dann duckt sich der Löwenzahn einfach und blüht eben knapp über dem Boden. Darüber zu betonieren hilft auch nur für begrenzte Zeit: Mit dem Druck eines prallen Autoreifens treiben die Keimlinge langsam, aber sicher Risse in den Belag - und den Liebhaber sauberer Flächen zur Verzweiflung.
Nutzen, was sich nicht ausrotten lässt
Der gelb blühende Korbblütler mag manchem lästig sein, ganz sicher können wir aber Nutzen aus seinen Inhaltsstoffen ziehen. Die Volksmedizin weiß das schon lange: Löwenzahn fördert die Verdauung und den Fluss der Galle. Dass er harntreibend wirkt, darauf deutet der Spitzname "Bettnässer" hin. Sogar die Krebsforschung lotet derzeit aus, ob sich aus den Inhaltsstoffen neue Tumormedikamente gewinnen lassen. Und die Milch der Pflanze beschert einerseits den Herstellern von Kinderkleidung einen gewissen Umsatz, zum anderen könnte aus ihr einmal ein Kautschuk-Ersatz werden. Forscher arbeiten daran seit dem Zweiten Weltkrieg; in zwanzig, vielleicht fünfzig Jahren wollen sie soweit sein. Profitieren wir also lieber vom Löwenzahn, der ohnehin nicht auszurotten ist. "If you can't beat them, join them", sagen die Engländer in so einem Fall - und die haben den Rasen ja bekanntlich erfunden.