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Anarchie, Staat und Recht Fragen und Antworten

Stand: 05.04.2011 | Archiv

Menschenrechtsrat | Bild: picture-alliance/dpa

Fragen 1 bis 4

Frage 1

Was bedeutet der Satz des Philosophen Thomas Hobbes: "Der Mensch ist des Menschen Wolf"?

Antwort 1

Menschen sind von Natur aus aggressiv und destruktiv und brauchen einen Staat und Gesetze, um einigermaßen miteinander auszukommen.

Frage 2

Wie leben die Menschen laut Hobbes, wenn es keinen Staat gibt?

Antwort 2

Dann leben Menschen im Zustand des Krieges aller gegen alle, sie arbeiten nicht und sind nicht dazu in der Lage, kulturschaffend zu wirken.

Frage 3

Was ist das Besondere an der Gesellschaft der Tallensi?

Antwort 3

Sie kommen ohne staatliche Struktur aus, ohne geschriebenes Recht, ohne vererbbare politische Macht, ohne zentralstaatliche Institutionen. Sie sind akephal (= kopflos) organisiert und extrem friedlich.

Frage 4

Wie gehen akephale Gesellschaften mit Macht und Autorität um?

Antwort 4

Macht und Autorität sind an Funktionen gebunden und an freiwillige Anerkennung. Ein Jagdhäuptling ist außerhalb der Jagdzeiten ein ganz normales Stammesmitglied. Verlust der Anerkennung bedeutet Verlust der Macht. Diese Mechanismen schützen vor Willkür und Amtsanmaßung.

Fragen 5 bis 8

Frage 5

Wie unterscheidet sich ein staatliches Gebilde von akephalen Gesellschaften?

Antwort 5

Von Staat spricht man dann, wenn eine Person oder Personengruppe mithilfe eines Zwangsapparates wie Polizei und Armee innerhalb eines Gebietes dauerhaft das Monopol auf legitime Gewaltausübung durchsetzen kann. Allein der Staat und seine Beauftragten dürfen Gewalt ausüben und verbieten es anderen.

Frage 6

Wann und wo taucht der Staat in der Geschichte auf?

Antwort 6

Etwa 2.000 v. Chr., in Mesopotamien, also im heutigen Irak, in Ägypten bei den Pharaonen und in China. Menschen gibt es seit zwei Millionen Jahren, aber staatliche Gesellschaften erst seit 4.000 – 5.000 Jahren.

Frage 7

Wie werden Normverletzungen in nichtstaatlichen Gesellschaften konkret geahndet?

Antwort 7

Betroffene Verwandtschaftsgruppen einigen sich mithilfe eines Schlichters und handeln Schadensersatz aus, legen Bußen fest, versöhnen sich durch Opferrituale. Das Prinzip, dass sich ein Einzelner vor Gericht verantworten muss, gibt es nicht. Es gibt auch kein schriftlich fixiertes Recht.

Frage 8

Wann, wo und auf welcher Grundlage entstand schriftlich fixiertes Recht?

Antwort 8

Um etwa 2000 v. Chr. in Häuptlingsgesellschaften und in den ersten Staaten der Menschheitsgeschichte, wie zum Beispiel Mesopotamien. Grundlage ist eine große Rede des Königs, Stadtkönigs oder Oberpriesters. Differenziertere Rechtsformen, Verträge etc., gibt es etwas später im babylonischem Recht.

Fragen 9 und 10

Frage 9

Wie ist es um den Menschenrechtsgedanken in der amerikanischen Verfassung bestellt, wie entwickelte er sich später?

Antwort 9

Auf Frauen und Sklaven fand er keine Anwendung. Auch im Frankreich von 1789 (Französische Revolution) wurden Frauen nicht berücksichtigt. Noch in der Weimarer Republik waren die Menschenrechte eher unverbindlich. 1949 wurden sie in der Bundesrepublik mit dem Grundgesetz festgelegt, seit 1951 wacht das Bundesverfassungsgericht über ihre Einhaltung.

Frage 10

Was können wir von den akephalen Gesellschaften lernen?

Antwort 10

Dass es sehr wohl im Rahmen der menschlichen Möglichkeiten liegt, ohne zentrale Strukturen, ohne Gerichte, ohne Gefängnisse, ohne Folter und Todesstrafe zu leben – dass der Mensch also keineswegs von Natur aus des Menschen Wolf ist, sondern durchaus in der Lage, vielleicht sogar darauf angelegt ist, nach friedlichem Ausgleich mit anderen zu streben.


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