Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Bettel App mit Battle Rap

Wenn immer weniger Leute Bargeld dabeihaben, was machen dann Obdachlose und andere, die betteln? Naja, das, was sie in anderen Ländern auch machen. Seit Jahren: bargeldlos betteln. So revolutionär ist es also nicht, was das Hamburger Sraßenmagazin "Hinz&Kunzt" jetzt ankündigt: bargeldlos bezahlen. Aber gut, Deutschland ist eben auch da ein bissl hintendran. Eine Glosse von Uli Höhmann.

Von: Uli Höhmann

Stand: 03.03.2025

Was bezahlen Sie noch mit Bargeld: die Semmeln beim Bäcker, die Bratwurst am Würstelstand, das Obst vom Markt? Und natürlich noch die Bettlerin vorm Supermarkt. Der geben Sie den Euro aus dem Einkaufswagen … na, Schmarrn, ist ja nur ein Chip drin! Sorry, kein Bargeld dabei. - Ist das peinlich!

Muss es Ihnen aber gar nicht sein. Sie können schließlich nichts dafür, dass Deutschland international hinten dran ist, auch beim Thema Betteln. Nein, nicht bei der Zahl der Bettelnden, da können wir gut mithalten, sehr gut sogar. Aber beim bargeldlosen Betteln ist Deutschland echt … arm dran. Der Satz „Sorry, hab kein Bargeld dabei“ wird in Schweden zum Beispiel überhaupt nicht mehr verstanden. Und das liegt weniger an der Sprache, als an der Technik. Natürlich haben da Obdachlose ein Handy mit Bezahlapp, die hatten schließlich vor fünf Jahren auch schon Kartenlesegeräte dabei.

Nein, das ist kein Witz. Genauso wenig wie sich jetzt das Hamburger Straßenmagazin „Hinz und Kunzt“ rühmt, das erste Straßenmagazin in ganz Deutschland zu sein, dass man beim Obdachlosen seines Vertrauens auch bequem bargeldlos bezahlen kann. Dafür gibt’s den QR-Code „Hinz und Pay“ - einscannen, Zahlmethode auswählen, fertig. - „Geh, so ein Krampf!“ Ich hör sie schon schreien, die ewig Gestrigen: „Nur Bares ist Wahres!“ Und: „Wie soll das denn gehen: Stellt der Bettler dann statt einem Becher ein Schild auf mit QR-Code oder wie?“ Ja, ganz genau.

Bettel App goes Battle Rap

Darunter vielleicht noch der freundliche Satz: „Nehme auch Bitcoins“ und natürlich ein Downloadlink zur Bettel App – die schlaue Streetworker in langen, kalten Winternächten im Obdachlosenheim entwickeln werden. Das wird das nächste große Ding, sag ich Ihnen, eine Riesenerfolgsgeschichte! Am Ende kauft Marc Zuckerberg ihnen die App ab und schwingt sich auf zu einem Peachum 2.0. Die Dreigroschen-Oper wird zur Drei-QR-Code-Oper – Bettel App goes Battle Rap.

Deutschland ist Bargeldland, doch Polen macht es vor, da zieht keiner mehr echte Oldschool-Kohle hervor. Sogar in der Kirche, wenn du spendest Almosen, fummelst du nicht ewig rum in deinen Hosen. Ein Bettler jeden Cent umdreht, schwör dir, Digga: jeden! Hol dir Kartenlesegerät, machs wie die Schweden! Falls jetzt der Eindruck entstanden ist, betteln ist cool – nein, ist es nicht. Und wird es nie sein. Auch nicht mit App. Mitgefühl gibt’s nicht als Download. Und einem Bettelnden was geben, hat nichts mit echter Teilhabe zu tun.


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