Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Gäste loswerden aber richtig

Über Politik reden im Privaten, in der Familie und unter Freunden - das gilt mittlerweile als ausgesprochen heikel. Daran sind schon Freundschaften und Familienfeiern zerbrochen. Wobei man dabei völlig das Potential einer solchen politischen Diskussion außer acht lässt, findet unser Autor Uli Höhmann. Zeitlich und thematisch richtig platziert, kann eine politische Debatte bei einem alten Problem helfen: Gäste wieder loswerden.

Von: Uli Höhmann

Stand: 11.02.2025

Wer kennt das nicht: Da sitzen die Gäste bei Wein und Knabbereien, und Sie denken sich: Och Leute, habt ihr kein Zuhause? Die Uhr rückt vor, Sie müssen morgen früh raus, Sie haben das auch schon zwei, drei Mal dezent erwähnt, aber Katrin macht ne neue Flasche auf, Torsten hält sein Glas hin und Dirk ruft: „Oh mein Gott, hab ich euch schon erzählt...?!“ Nein, Dirk, hast du nicht und das war eigentlich auch gut so.

Wenn die ganzen Klassiker nicht greifen – gähnen, pisswarmes Bier servieren, Knabberzeug ab- und Spülmaschine einräumen – wenn das alles nicht hilft, um seine Gäste los zu werden: was dann?

Gehen wir das Problem systematisch an

Gehen wir das Problem systematisch an: Was löst zuverlässig einen Fluchtreflex aus? Richtig: Ekel und Angst. Sie können aufs Klo rennen, laute Würgegeräusche machen und danach sagen: Würd ich jetzt nicht mehr rein gehen. Sicher sehr wirkungsvoll, kann aber auch Katrins Helfersyndrom triggern: Sie brüht augenblicklich eine große Kanne Anis-Kümmel-Bäuchleintee, von dem Sie erst so richtig brechen müssen.

Wählen wir also die Angst. Doch Obacht, die will wohl dosiert sein. Erzählen Sie etwas Schockierendes: Sie glauben an Chemtrails, sind Reichsbürger und Hitler lebt im Erdkern. Kann funktionieren, birgt aber das hohe Risiko, dass Sie nie wieder Gäste haben werden. Und es kommt auch stark darauf an, wie Sie sonst so drauf sind. Wenn ich meinen Freunden erzähle, im Hopfen sind Mikrochips und der Aiwanger darf nur mitregieren, damit er die Überwachungssoftware der CSU auch im Opfisoft verbreitet, würden meine Gäste wahrscheinlich fragen, wann der Vorverkauf beginnt, weil sie denken, ich test mein neues Bühnenprogramm.

Nein, Angst wirkt nur, wenn es plausibel ist, was Sie erzählen, wenn es sich gerade noch so im Bereich des Möglichen bewegt. Zum Beispiel: dass Sie den Lindner ja mal gut fanden. - Ja, da muss Dirk erst mal lachen, blickt dann aber in Ihr maximal marktwirtschaftliches Pokerface und das ist der Moment, in dem Sie eiskalt noch einen draufpacken: „Es ist ja auch nicht alles schlecht, was Trump so macht.“ - Ja, das könnte klappen, es sieht gut aus, entsetzte Gesichter ringsum, da wird die Luft scharf eingesogen, Hände wandern zu Stirnen, gleich, gleich kommt der allgemeine Aufbruch und Sie haben bald Ihre Ruhe! Doch nein! Was ist das?! Torsten holt tief Luft und widerspricht, redet sich in Rage, beißt sich fest an Ihrem Pseudo-Standpunkt.

Tja, das ging gewaltig nach hinten los. Auf Angst reagieren eben nicht alle mit Flucht, manche auch mit Schockstarre oder Kampf. Blöd gelaufen. Deshalb mein Tipp: Fremdscham. Nichts löst bei Gästen zuverlässiger den Fluchtreflex aus als ein gut performter Ehestreit. Über Politik. Machen Sie sich absurde Vorwürfe: „Du bist die Alice Weidel der Kochkunst – kalt, roh und von gestern.“ Singen Sie sehr laut und sehr falsch: „Einfältigkeit ganz rechts und Feigheit“, während Sie vor aller Augen die Wahlbenachrichtigung Ihres Partners verbrennen.

Glauben Sie mir, das wirkt. Danach haben Sie Ihre Ruhe. Zumindest für den Moment. Bis der Shitstorm einsetzt wegen des Videos von diesem Abend. Aber egal, Hauptsache die Gäste sind weg.


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