Ende der Welt - Die tägliche Glosse Nach Neuwagen riechen
Sie suchen noch ein Geschenk für Weihnachten? Oder wollen sich selbst eine Freude machen? Noch dazu mit unschlagbarem Preis-Leistungsverhältnis? Wir haben da was, das ihnen den Kopf verdrehen wird, sobald sie davon hören. Eine Glosse von Ralf Thume.
Es gibt jetzt einen Duft, der heißt „Neuwagen“. Nur damit wir uns nicht missverstehen: Dabei geht’s nicht um irgendeinen billigen Duftbaum, der, am Innenspiegel baumelnd, den gröbsten Automief übertünchen soll, sondern um ein feines Parfum, ein Extrait de Parfum sogar. Und ich hab’s auch nicht dummdeutsch falsch ausgesprochen: Es heißt nicht Nöwaschengoder so, denn nicht Chanel oder Dior oder Citroen hat’s kreiert, sondern ein deutscher Duftkünstler in Holzminden: eine „olfaktorische Hommage an den unvergleichlichen Geruch eines brandneuen Autos“, sagt die Werbung, ledrig, metallisch, gelackt, ozonisch.
Aber schlappe 250 Euro für eins aus dem Fläschchen sollten doch noch drauf und drin sein!
Und wahnsinnig praktisch: Wer hat schon kurz vor Weihnachten, mitten in der Rezession auf dem eigenen Girokonto, das nötige Großgeld für ein neues Auto? Aber schlappe 250 Euro für eins aus dem Fläschchen sollten doch noch drauf und drin sein! Und mal ehrlich: Brauchen tut man doch eh keine neue Karre. Es geht nur ums Gefühl. Man will nur drum beneidet werden. Und dieser Traum kann jetzt in Erfüllung gehen, mitten in der Fußgängerzone sogar: Ein paar Spritzer „Neuwagen“ aufgetragen und jeder riecht dir an: Der ist doch grad seinem funkelniegelnagelneuen Kfz entstiegen wie Aphrodite den morgenfrischen Meereswogen!
Man sollte nur drauf achten, dass man nicht im Überschwang alles akustisch versaut. Indem man eingeduftet vor sich hinblubbert wie ein mit den Hinterreifen scharrender Lamborghini an der Ampel. Alles andere als ein dezentes Tesla-Summen wäre drüber. Dann hält dich keiner für einen Durchgeknallten. Leise ist angesagt, ozonisch, nicht E-10nisch. Krawall ist out.
Oder doch nicht? Wenn man sich den Tesla-Chef so anhört... Vor allem, seitdem der Trump ihn zu seinem Chef-Behördenabwracker befördert hat. Kann kein Zufall sein, dass der Musk heißt, oder? Also Moschus, auf Deutsch. Also wie das Zeug, das in so vielen Parfums ist. Das Drüsensekret von Hirschen. Aphrodisierend, sagt man.
Was lernen wir daraus? Augen auf im Verkehr, egal wo, egal mit wem. Obacht vor denen, die sich an sich selbst berauschen. Lasst keine Moschusochsen ans Steuer. Wir setzen auf Holzminden. Und hoffen rechtzeitig zum Fest auf einen neuen Duft: Gebrauchtwagen, Mittelklasse, grundvernünftig, TÜV neu.