Ende der Welt - Die tägliche Glosse Politisch frühstücken
Ministerpräsident Markus Söder und Kanzlerkandidat Friedrich Merz haben sich gestern getroffen. Im Sauerland. Bei einem Weißwurstfrühstück. Klingt nach einem typischen Wahlkampfauftritt der Union. Aber wer genau hinschaut, sieht, wer da wem schon zum Frühstück einen einschenkt. Eine Glosse von Uli Höhmann.
„Zünftiges Weißwurstfrühstück mit dem bayerischen Ministpräsidenten Markus Söder und dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Union Friedrich Merz in der Sankt Hubertus Schützenhalle von 9 Uhr 30 bis 14 Uhr.“ So hat es gestern auf der Einladung gestanden der CDU in Brilon im Sauerland. 10 Euro Eintritt inklusive 2 Weißwürsten, einer Breze und einem Blasorchester. So weit, so Wahlkampf. Und doch steckt hier erheblich mehr dahinter, ja offenbart sich in dieser Veranstaltung geradezu die Perfidie des Wahlkampfs der CSU.
Einmal, weil es um ein Frühstück geht, der perfekte Rahmen, die ideale Mahlzeit für die Politik. Denn Abendessen ist zu spät, Kaffee-Kuchen zu ungesund, Mittagessen zu schwer – danach fallen alle nur ins Suppenkoma. Ein gutes Frühstück aber ist die Basis für einen guten Tag.
Also, laden wir sie doch ein, die Basis. Ein Frühstück hält für jeden was bereit. Ein Frühstück kann drei Minuten dauern – Kaffee, Kippe, fertig – oder drei Stunden. Ein Frühstück darf süß oder herzhaft sein, deftig oder leicht. Ein Frühstück ist so multi wie der Vitaminsaft, denn es ist tolerant gegenüber allen Geschmäckern. Sie können alles durch-, neben-, nach- und miteinander frühstücken: Croissant, Obst, Rührei, Bacon, Müsli. Ja, beim Frühstück fällt es nicht mal auf, wenn Sie vegan sind. Dann dippen Sie eben Ihre Semmel in den schwarzen Kaffee, murmeln irgendwas wie „krieg so früh noch nichts runter“ und es wird allgemein akzeptiert.
Frühstück ist Deutschland und Deutschland ist Frühstücksland
Ein Frühstück kann morgens um halb 7 sein oder mittags um halb 12 – egal, der Tag fängt danach erst an. Frühstück ist die Allparteienkoalition unter den Mahlzeiten, die Summe unserer Gesellschaft. Frühstück ist Deutschland und Deutschland ist Frühstücksland. Mehr Symbolpolitik geht schier nicht. Deshalb ist es auch so beliebt in der Politik. Es zeugt von allgemeiner Offenheit, während man gleichzeitig allen anderen mal so richtig was aufs Butterbrot schmiert, Themen wegputzt, Debatten abfrühstückt und den politischen Gegner zum Smoothie püriert.
Aber dann kommen die Bayern, Söder und die CSU und sagen: Weißwurschtfrühstück. Und der naive Sauerländer schluckt's und sagt: „Och jo, ist mal was andres, so ne Weißwurst,“ und verkennt dabei völlig, wie die CSU dem Konzept Frühstück sämtliche Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit ausgezuzelt hat.
Weißwurst, Breze, Senf und Bier – das ist kein Frühstück, zumindest für Menschen nördlich des Weißwurst-Äquators, sondern eine Invasion in die Magengrube, die feindliche Übernahme des guten Geschmacks durch eine labbrige Brühwurst, die dem gemeinen Sauerländer als Kulturaustausch mit dem befreundeten Ausland untergejubelt wird. Ein Weißwurstfrühstück im Sauerland – subtiler kann Söder gar nicht werden, um gegenüber Merz auszudrücken: Mia san mia und ihr seids anders. Es ist Wahlkampf und es geht um die Wurst.