Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Public Orgeling

Orgelkonzerte und Fußballspiel gehören nicht unbedingt zusammen. Doch wenn drumherum überall „Public Viewing“ die Menschen anlockt, versucht es die Christuskirche in München-Neuhausen mal mit „Public Orgeling“ zum Viertelfinale. Mit der Öffnung der Kirchen für Fußballübertragungen könnten die letzten EM-freien Zonen verschwinden .... . Eine Glosse von Roland Söker.

Von: Roland Söker

Stand: 25.06.2024

Während einer Europameisterschaft dem Fußball zu entkommen ist nahezu unmöglich, seit Public Viewing nicht mehr auf die extra dafür gebauten Stadien begrenzt ist. Früher waren Fußballfans mit Vereinstrikots oder Nationaltracht meistens im, allenfalls auf dem Weg zum oder vom Stadion anzutreffen – heute laufen tagelang vor und selbst nach dem Ausscheiden ihrer Mannschaft noch gröhlende Männer in Schottenröcken in Straßen und Parks fernab der Spielorte.

Kein Gastronom kann es sich leisten, Bürgersteige des Außenbereichs nicht mit Bildschirmen von der Größe eines Billardtisches zu bebauen. Und selbst bei Bayern 2 kommen Sie an der aktuellen Berichterstattung über den Zustand von Mbappe’s Nase oder Musialas Dribbelprobleme auf seifigem Rasen nicht vorbei.

Kirchen waren ja bis jetzt mehr oder weniger Fußballfreie Räume. Die Hand Gottes wurde zwar schon Mal im Stadion gesichtet, aber das ist lange her, es war in Mexiko und in der Nähe eines argentinischen Spielers, der selbst ein Halbgott war.

Im Rahmen des Orgelsommers lädt die Christuskirche im Münchner Stadtteil Neuhausen zum Public Viewing in der Kirche

Innerhalb von Kirchenmauern blieb man vom Fußball und den damit verbundenen Events bislang verschont. Das wird sich nun ändern. Im Rahmen des Orgelsommers lädt die Christuskirche im Münchner Stadtteil Neuhausen zum Public Viewing in der Kirche, allerdings verbunden mit einem Public Listening dramaturgisch ans Spiel angepasster Orgelklänge. Ob es ein gutes Spiel wird, entscheiden also weniger die Pfiffe des Schiedsrichters als der Einsatz der 3.124 Orgel-Pfeifen.

Mit deren Klängen kann zum Beispiel die lähmende Zeitspanne der Spielunterbrechung aufgrund des Videobeweises virtuos überbrückt werden. Eine Verletzungspause könnte durch ein dramatisches Stakkato aufgehübscht werden. Und selbst aus minutenlangem eintönigem Kurzpassspiel kann die Orgel ein Ereignis sinfonischer Qualität machen.

Vielleicht kommt bei der nächsten Fußballweltmeisterschaft endlich jemand auf die Idee, Public Viewing mit Orchesterbegleitung aufzuführen. Oder warum dirigiert nicht eigentlich mal Simon Rattle direkt die deutsche Nationalelf?Aber: Vorsicht schon mal vor stark steigenden GEMA-Gebühren, wenn Giani Infantino es erst eingefädelt hat, dass die FIFA die Hälfte davon einstreicht ...! Und wenn das IOC von dieser zusätzlichen Einnahmequelle erfährt, werden auch die nächsten Olympischen Spiele mit Live-Musik kombiniert. Selbst Synchronschwimmen wird dann zum Groß-Event, wenn Billie Eilish synchron dazu ins Mikro haucht.

Gänzlich scheitern werden aber wohl zum Glück alle Versuche, auf diese Weise auch Politik zu großartigen Kulturevents hochzuorgeln. Eine Bundestagsrede von Olaf Scholz kann kein Tastenvirtuose Spannung einhauchen. Ein Interview mit Alice Weidel wird auch durch symphonische Begleitung kein ästhetischer Genuss. Und die Balkendiagramme an Wahlabenden erzeugen heute ja auch ohne die Klänge eines Streichquartetts bei vielen eine Gänsehaut …


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