Kultur- und Naturgeschichte Candid Hubers Holzbibliothek in Ebersberg
Ausgesprochene Raritäten, die alles Wissenswerte rund um die einzelnen Holzsorten versammeln, sind die einzigartigen Bände der Holzbibliothek von Candid Huber. Im Museum Wald und Umwelt in Ebersberg, lassen sie sich studieren.
Auf den ersten Blick sind es Bücher, die in Reih und Glied die Regale füllen.
Der Größe nach geordnet steht auf den Buchrücken geschrieben: Ahorn, Eiche und Pappelbaum bis hin zur schwarzen Johannisbeere und dem kleinen Stachelbeerstrauch. Auf den zweiten Blick ist die Verwunderung jedoch groß: Es sind gar keine Bücher, sondern Holzschachteln, die nur so aussehen, als ob! Man kann sie aufklappen und auch ohne Text darin lesen und deuten, wie Anneliese Schlegl-Bechtold vom Förderverein des Museums Wald und Umwelt erklärt:
"Sie sehen, das Kästchen ist aus Eichenholz und im Inneren dieses Kästchens sind die Blätter, Früchte und Zweige, also es ist alles da, was zu dem Baum gehört."
Anneliese Schlegl-Bechtold
Gut sortierte Xylothek von eizigartigem Wert
Das Eichenbuch ist nur eines von über 100 Exemplaren der Holzbibliothek, auch Xyolothek genannt. Mühevoll und akribisch erstellt vom Benediktinermönch Candid Huber, der bei jeder Baumart und Strauchsorte nach den dazugehörigen Zweigen, Blüten, Blättern und Früchten suchte. Candid Huber gilt als Aushängeschild des Museums Wald und Umwelt Ebersberg. Außerdem lockt es einige Male im Jahr mit Schmankerlführungen, die den Besuchern zeigen sollen, wie man das vielfältige Angebot des Waldes nutzen kann. Ursula Kunz hat aufgetischt:
"Jetzt dürfen Sie sich ein Brot nehmen und jeder darf sich selber ein Haselnussbrot aufstreichen. Guten Appetit!"
Ursula Kunz
Das hätte Candid Huber freilich auch geschmeckt, immerhin stammt so mancherlei Rezept aus seiner Feder.
Musikstudium und Eintritt in den Benediktinerorden
In Ebersberg wurde Mathias Huber im Jahr 1747 als erstes von neun Kindern geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Mehlhändler und konnte die musikalische Begabung seines Sohnes, der am liebsten Flöte spielte, fördern: Bevor aus Mathias Candid Huber wurde, besuchte der Ebersberger das Gregorianum in München, studierte Musik in Passau und entschied sich, dem Benediktinerorden beizutreten, wo er seiner nächsten Leidenschaft nachgehen konnte: der Wissenschaft.
Der Naturforscher, Sammler und Pflanzer
Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit als Priester begann Candid Huber mit seinen Studien über Wald- und Obstgehölze, legte Alleen und einen Hopfengarten an, züchtete Bienen und Seidenraupen, pflanzte Obstbäume und plante im Kloster Niederaltteich eine Wasserleitung. Candid Huber: Ökonom, Seelsorger, Musiker! Alles in allem ein landwirtschaftlicher Aufklärer seiner Zeit oder anders ausgedrückt: ein forstwirtschaftlicher Entwicklungshelfer! Kein geringerer als König Max I. Joseph überreichte Candid Huber für seinen Einsatz die höchste Auszeichnung für Gelehrte und Künstler in damaliger Zeit: die goldene Verdienstmedaille – auch in der Ausstellung zu bewundern. Ein wichtiges Exponat fehlt allerdings, wie Anneliese Schlegl-Bechtold bedauert: Von dem Mönch gibt es kein Bild. Es stand ihm wohl nicht zu, als einfachem Mönch, dem Gelübde der Armut verpflichtet.
Der Mönch kämpfte gegen Aberglauben und für Bildung der Frauen
So einfach war Candid Huber doch gar nicht! Immerhin versuchte er beharrlich, notwendige Kenntnisse über einheimische Holzarten zu verbreiten, setzte sich dafür ein, Naturkunde öffentlich zu lehren, um endlich Aberglauben und Irrtümer aus der Welt zu schaffen und beharrte zudem darauf, dass auch Frauen seine Lesungen besuchen durften. Eine seiner wichtigsten Schriften lautet:
"Prosperitati plantandum est": Für die Nachkommenschaft muss gepflanzt werden!
Ein Grundsatz, den man bis heute in der Forstwirtschaft verfolgt, betont Monika Mündel:
"Ein vielfältig begabter Mensch in einer schwierigen Zeit: Am Ende seines Lebens war er heimatlos. Ein trauriges Ende seines Lebens war das für ihn."
Monika Mündel
Candid Huber starb mit 66 Jahren an Altersschwäche und einer vorausgegangenen Lungenentzündung. Als "Holz- und Käferherrle" ging er unter seinen Zeitgenossen in die Geschichte ein.
Kein Sarg für den Schöpfer der Holzbibliothek?
Während die Trauergäste zur Beerdigung kamen, trug sich ein eigenartiger Vorfall zu: Man hatte vergessen den Sarg zu bestellen! Seine Schwester war derart in Trauer versunken, dass sie dieses wichtige Detail übersehen hatte. Hilfsbereite Nachbarn schufen in Windeseile aus ein paar Brettern Ersatz.
Sein Freund, Franz von Paula Schrank, Direktor des Alten Botanischen Gartens in München, begründete in seiner anrührenden Grabrede das Fehlen des Sarges:
"Es war, als hätten sich die Bäume des Waldes geweigert, für den, der für sie lebte und schrieb, die nötigen Bretter zu liefern."
Franz von Paula Schrank
Unsere Autorin Sarah Khosh-Amoz hat Rezepte gesammelt, die bei Schmankerlführungen im Museum präsentiert werden und die zum Teil auf Candid Huber zurückgehen.
Süßer Aufstrich („Nutella ohne Schokolade“)
200 g gemahlene, geröstete Haselnüsse, 50 g gemahlene Mandeln und Walnüsse, einige EL Honig (nach Geschmack), einige EL rahm oder Öl
Je nachdem, wie süß man den Aufstrich mag, ergibt sich eine mehr oder minder streichfähige Masse aus Nüssen und Honig. Um die gewünschte Konistenz zu erreichen, mischt man unter die Nussmasse noch rahm oder Öl – gekühlt ca. ein bis zwei Wochen haltbar.
„Die Haselnuss ist ein typischer Waldrand- und Heckenstrauch. Die Nüsse sind nur Futter für Haselmaus und Eichhörnchen, sondern seit Urzeiten auch Bestandteil der menschlichen Ernährung. Erst seit jüngerer Zeit sind Allergien gegen dieses Lebensmittel bekannt, das neben Öl und Eiweiß auch Vitamine und Mineralien enthält.“