Hollersirup aus Oberbayern Vom "Arme-Leute-Kracherl" zum Trendgetränk
Einst war es das „Arme-Leute-Kracherl“ – jetzt ist es wieder voll im Trend. Sogar in schicken Münchner Bars gibt’s Holundermixgetränke. In der Biogastronomie ist es schon seit Jahren auf den Getränkekarten und wird oft auch selbst hergestellt. So wie im Gasthaus Pfeifenthaler im oberbayerischen Bad Feilnbach unterm Wendelstein
In den ersten Maiwochen ertrinkt die Ortschaft Bad Feilnbach in einem regelrechten Blütenmeer. Zwischen den alten Bauernhäusern blühen tausende Apfelbäume. Der Wind bläst die weißen und rosafarbenen Blüten durch die Luft. Mitten im Ort steht die alte Tafernwirtschaft „Zum Pfeiffentaler“.
Die Wirtin Agnes Pfeifenthaler. Sie hat das 200 Jahre alte Gasthaus schon vor 20 Jahren umgestellt auf regionale Küche, mit möglichst vielen, selbstgemachten Bioprodukten. Jetzt im Mai beginnt bei ihr wieder die Hochsaison für Blütenschorlen. In der Kühlung stehen die Flaschen. Sauber etikettiert in Reih und Glied.
Der beliebteste Sirup ist der Hollersirup – aus Holunderblüten.
Draußen, im Garten der Gastwirtschaft, sitzen Gäste unter den schweren Ästen der blühenden Obstbäume und trinken Hollerschorle. Rund um die alte Tafernwirtschaft stehen Holunderbäume – die fangen jetzt langsam an zu blühen. Immer wieder trägt der Wind den intensiven Duft herüber.
"Genau den Gruch host dann im Hoiersirup. Der Hollersirup ist des identischste von olle Sirup. I mach 400 Liter, ich machen zum Verkauf, aber hauptsächlich für den Ausschank."
Agnes Pfeiffenthaler
Für die Ernte braucht Agnes Pfeifenthaler große Körbe – die werden gefüllt mit den schneeweißen Blütendolden. Das Rezept ist denkbar einfach – und doch muss man sich beim Einkochen genau daran halten. Denn Hollersirup ist empfindlich und kippt schnell um. Zunächst werden die Blüten ins Wasser gelegt.
2 Tage lang geben die Blüten ihren Geschmack an das Wasser ab. Dann gießt die Wirtin den duftenden Sud durch ein Tuch – unten läuft eine gelbliche Flüssigkeit in die Schüssel. Dann kommt der Zucker dazu – wichtig, sagt Agnes Pfeiffenthaler für die Konservierung:
"Dann dua i für oan Liter Wasser ein Kilo Zucker nei – dann aufkochen und in Flaschen füllen – die Flaschen umdrehen – dass der Deckel sterilisiert is – und dann kalt stellen."
Agnes Pfeiffenthaler
Hollersirup ist anfällig für Schimmelpilze. Saubere Flaschen sind deshalb wichtig – viel Zucker. Auf Zitronensäure verzichtet Agnes Pfeiffenthaler – sie empfiehlt stattdessen Obstessig.
"Wenn ma ganz sicher geh wui, duad ma an Schuss Obstessig nei – o hoiberts Stamperl auf an Liter zuagebn – dann kippt er sicher nimmer."
Wirtin Agnes Pfeiffenthaler
Der Erfolg gibt Agnes Pfeiffentaler recht – auch Gäste aus England sind begeistert von der Hollerschorle.
Holundersirup ist seit ein paar Jahren auch wieder in den Regalen von Supermärkten zu finden und auf den Speisekarten vieler Gasthäuser. Großbrauereien bringen Holunderbier auf den Markt – und in den Schicki-Micki Bars der Landeshauptstadt darf er auch nicht fehlen – schließlich gehört er auch in das vermeintliche Kultgetränk „Hugo“.
Holundersekt und -limonade
Holundersekt
7 große Dolden Holunderblüten mit 7 Liter Wasser, 1 kg Zucker, 30 g Zitronensäure und zwei in Scheiben geschnittenen Zitronen ansetzen und 24 Stunden ziehen lassen. Anschließend das Ganze kräftig durchrühren und die Flüssigkeit in Flaschen füllen, die möglichst einen Patentverschluss haben sollten.
Die Flaschen stehend im Keller aufbewahren. Nach 6 Wochen Gärzeit ist der "Sekt" trinkfertig.
Moussierende Holunderlimonade
500 g Zucker, 4 Liter Wasser, 4 Zitronen und 8 aufgeblühte Holunderdolden in einen Glas-, Aluminium- oder gut verzinnten Topf geben und mit einem Tuch leicht bedecken. Etwa 4-5 Tage an die Sonne oder einen anderen warmen Ort stellen und öfters umrühren. Sobald Bläschen aufsteigen, ist es Zeit, die Limonade durch ein Tuch zu seihen und in Flaschen zu füllen.
Die Flaschen verkorken oder mit Patentverschluss verschließen. Im kühlen Keller aufbewahren. Nach etwa 14 Tagen, manchmal auch früher, ist das moussierende Getränk fertig.
"Also meiner Meinung nach ist des a Modeerscheinung, .dass des so einfach is, hob i ned gwusst – aber ganz oide Leid ham des friara scho gmacht – des is jetz a ganz a oids Rezept, des wieder ausgrom wordn is."
Agnes Pfeiffenthaler
Holunder war immer schon ein wichtiges Hausmittel, sagt Agnes Pfeiffenthlaer – ob als Blütensirup, Beerensaft, Kompott oder Tee.
Jedes Haus braucht einen Hollerbaum – so sagt eine alte Volksweisheit - denn eigentlich lässt sich fast alles nutzen:
"Ma kon vom Holler die Rinde essen, des is aber leicht giftig, soll ma ned selber macha Der Holler is a Hausbaam….und der wachst nur wo der Mensch is – und der duad dem Menschen guad."
Agnes Pfeifenhtaler
Die Wirtin und Autorin Agnes Pfeiffenthaler
Agnes Pfeiffenthaler, seit über 35 Jahren Wirtin in Bad Feilnbach in Oberbayern, bezeichnet sich selbst gerne augenzwinkernd als „Alchemistin“. Mit einem Buch kommt ihr ganz persönliches Anliegen zum Tragen, nämlich jahreszeitlich Gemüsesorten, Pflanzen und Kräuter im heimischen Gebrauch zu integrieren und ihnen die entsprechende Beachtung zu schenken. Es heißt "Feine Geheimnisse, Rezepte, Selber-G‘machtes & G‘schichten im Wandel der Jahreszeiten." 2. limitierte Auflage, 128 Seiten, mit 78 z.T. neuen Farbfotos und Illustrationen