Industrielle Ermordung Tötungsmaschinerie der Aktion T4
Tiergartenstraße 4 oder kurz T4 - der Tarnname steht für die Organisatoren hinter dem industriellen Morden. Im Oktober 1939 bekommen Behinderte und psychisch Kranke Post von der T4 - es sollte ihr Todesurteil werden.
Binnen sechs Wochen nach Erhalt der Meldebögen mussten alle ausgefüllt nach Berlin zurückgesandt werden. Kam man dieser Anordnung nicht nach, erschienen Mitarbeiter der T4-Organisation, etwa im Stift Attl bei Wasserburg, "so Famuli und Schreiberinnen, alle hübsch jung". In Taufkirchen an der Vils, in der Nähe von Erding, gibt eine Schwester über den Selektionsarzt zu Protokoll: "…eine Grippekranke, die hat nicht gleich Antwort geben können, weil sie in dem Moment nicht reden konnte, hat er gesagt, die kommt mit."
Die ersten Opfer: 25 Patienten aus Eglfing-Haar
Am 18. Januar 1940 wurde eine Gruppe von 25 Psychiatriepatienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München nach Grafeneck in Württemberg gebracht und dort vergast - "nach kurzer Zeit kein Laut mehr". Sie sind die ersten Opfer der systematisch-industriellen Ermordung von Menschen durch die Nationalsozialisten überhaupt. Bildunterschrift: Abtransport Behinderter Im Verlauf der "Aktion T4" wurden an die 7.000 Menschen aus Bayern ermordet, sie endeten überwiegend in den Gaskammern der Tötungsanstalten, im württembergischen Grafeneck, im sächsischen Pirna-Sonnenstein und in Hartheim bei Linz.
Für die verbliebenen Pfleglinge begann jetzt die Zeit der "wilden Euthanasie". Der Mord an Kindern und Jugendlichen in Eglfing-Haar durch Überdosierungen mit Morphinen wird durch Anstaltsleiter Hermann Pfannmüller so organisiert, dass die Tötungskurve den Anschein eines natürlichen Verlaufs erweckt. Menschenversuche Aus den Heil- und Pflegeanstalten Kaufbeuren-Irsee und Werneck sind Berichte über Menschenversuche überliefert, für Günzburg werden sie vermutet.
Grausame Experimente
In Eglfing-Haar experimentiert Anton von Braunmühl mit neuen Therapieformen, mit Insulin- und Elektroschocks. Die Mehrzahl aller Patienten wird planmäßig ausgehungert - durch die sogenannte "E-Kost" in den Hungerhäusern Haars, auf den Hungerstationen im fränkischen Erlangen oder im niederbayerischen Mainkofen. Bildunterschrift: Die "Gedenkwand Hartheim" mit Gedenktafeln der einzelnen Krankenhäuser Parallel dazu reduzieren die Kliniken die Lebensgrundlagen ihrer Patienten auf ein Minimum: Sie müssen auf engstem Raum ausharren, liegen in den Gängen auf Stroh, verkotet und verwahrlost. Zerschlissene Kleidung wird nicht mehr ersetzt, kaputtes Mobiliar nicht mehr repariert, die Heizung abgestellt.
Kriegsbedingt sind viele Ärzte, Pfleger und Mitarbeiter der Verwaltung eingezogen. Ecksberg bei Mühldorf, das dem Bezirk von Oberbayern untersteht, gilt sogar als arztlose Anstalt. Die Situation verschärft sich weiter als im Zuge der "Aktion Brandt", zahlreiche Transporte mit Patienten aus Nord- und Westdeutschland sowie dem Großraum Berlin in bayerischen Heil- und Pflegeanstalten eintreffen und sich die Zahl der Patienten auf fast 20.000 erhöht - etwa 10.000 Betten sind in den Kliniken tatsächlich vorhanden.