Euthanasiebeginn vor 70 Jahren Blauer Strich - Leben , roter Strich - Tod
Das Euthanasieprogramm der Nazis an geistig und körperlich Behinderten kostete allein in Bayern 7.000 Menschen das Leben. Einige Tausend weitere wurden mit medizinischen Experimenten gequält oder zwangssterilisiert
"Immer gegen halb 3 Uhr am Nachmittag sind die grauen Busse in den Hof gefahren," erinnert sich Sepp Staudinger an die Deportationen behinderter Frauen aus dem Paulusstift. Der 85-jährige Neuöttinger lebt auf dem Nachbarhof des Stifts, seine Cousine arbeitet dort als Küchenschwester und so war seine Familie von Anfang an über das, was sich im Stift abspielte, informiert. Staudinger gehört zu einem kleinen Kreis von Zeitzeugen, die über die Geschehnisse der Euthanasie in Bayern berichten können und auch wollen.
Organisierter Massenmord auf Hitlers Befehl
In einem, auf privatem Briefpapier verfassten und auf den 1. September 1939 datierten, Schreiben hatte Hitler den "Gnadentod" unheilbar Kranker angeordnet. Organisiert wurde der Massenmord von der, sich zynisch als "Reichsarbeits- gemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten" bezeichnenden, Euthanasiezentrale. Ihr Sitz war in der Tiergartenstrasse 4 in Berlin, daher auch die Tarnbezeichnung "T4".
Systematische Erfassung
Bereits im Oktober 1939 begann die systematische Erfassung Behinderter, psychisch und neurologisch Kranker mittels Meldebögen in allen Heil- und Pflegeanstalten des Deutschen Reichs. Als Grund für die melderechtliche Erfassung wurden planwirtschaftliche Überlegungen angegeben. Gleichzeitig lief die Logistik an zur Vorbereitung der Tötung von circa 70.000 Menschen - davon rund ein Zehntel aus Bayern.