Bayern 2 - Zündfunk

„Finistère“ Zum „Anfang der Welt“ mit Boozoo Bajou

In der Ruhe liegt die Kraft: Die beiden fränkischen Routiniers haben ihre Nische gefunden. Peter Heider aus Erlangen und Florian Seyberth aus Nürnberg machen „Chill-Beats“ schon länger als es das Genre gibt – unser Album der Woche

Von: Ralf Summer

Stand: 03.11.2023

Boozoo Bajou | Bild: Pilot-Ton

Album der Woche

Boozoo Bajou klingen so langsam, wie sie arbeiten: Es ist die fünfte Platte in 25 Jahren. Aber ihr erstes selbstveröffentlichtes Album auf dem eigenen Label, auf „Pilot-Ton“. Peter Heider und Florian Seyberth sind wieder ganz bei sich: Dem allgemeinen Trend zuwider spielt sich alles unter angenehm schlappen 95 BpM ab. Also extrem gemütlich und beinahe komplett yoga- bzw. meditationstauglich. 

Dazu passend hat sich das Erlanger-Nürnberger Duo nicht etwa durchs Live-Spielen einen Namen gemacht (sie haben es nur zweimal probiert), sondern via Playlists. Welches deutsche Indie-Projekt hat fast 700.000 monatliche Hörer*innen? Zum Vergleich: Notwist haben 100.000, Tocotronic haben knapp 150.000.

Stars auf Spotify – ohne Kalkül

„Wir haben unseren Spotify-Account nie großartig gepflegt“, erzählt Florian im Zündfunk-Interview. „Aber wir wurden immer gehört“. Das sei Glück. „Man kann despektierlich sagen, wir befinden uns nun in diesen Spotify-Playlisten aus billig gemachten Chillout-Trash", ergänzt Peter. „Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden, was er als anspruchsvoll und was als langweilige Berieselung empfindet.“ Man müsse sich auch vor Augen führen: Während sich von ihrem ersten Album 100.000 Tonträger verkauften, sei es danach erstmal steil nach unten gegangen. „Keiner von uns konnte mehr davon leben“, sagt Peter. Und so bedeute der Spotify-Erfolg für Boozoo Bajou: „Wir können weitermachen.“

Die Downbeat-Schleicher auf dem neuen Album „Finistère“ funktionieren jedenfalls sowohl in einer Playlist (als Funktionsmusik zum Runterkommen bzw. Nebenbei-Laufen-Lassen) als auch als Hörgenuss, als Platte für sich.

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Boozoo Bajou - Viajantes | Bild: Boozoo Bajou (via YouTube)

Boozoo Bajou - Viajantes

Wie kam es zum fünften Album?

Die Pandemie hat das Duo wieder zusammengebracht. „Denn ich habe davor eine Naturweinbar betrieben“, erzählt Florian. „Eigentlich hatte ich schon die ganze Zeit Lust, wieder Musik zu machen – aber so einen Laden macht man nicht nebenbei.“ Dann kam der Lockdown. „Wenn ich Musik mache, brauche ich Luft außen rum und in der Birne, damit es blubbern kann.“ Die Pandemie habe das ermöglicht.

„Jedes unserer Alben ist an einem anderen Ort, in einem anderen Studio und einer anderen Umgebung entstanden“, erzählt Peter. „Das hat sich einfach so ergeben – und war genauso wenig geplant wie dass wir ziemlich genau alle fünf Jahre eine neue Platte machen.“ Nun denke er bereits über den nächsten Umzug nach.

„Wir fahren da seit vielen Jahren hin“

Der Titel vom aktuellen Album „Finistère“ spielt auf einen für das Duo besonderen Ort an. Gemeint ist das westlichste französische Département, wo die Bretagne weit in den Atlantik hineinreicht. Im Lateinischen heißt er „Ende der Welt“, der erste Track ist sogar Bretonisch: „Penn Ar Bed“ – „Anfang Der Welt“.

Auch das Albumcover ziert ein Küstenort in der Bretagne. „Wir fahren da seit vielen Jahren hin“, erzählt das Duo im Zündfunk-Interview. „Nicht genau nach Finistère, sondern etwas südlicher.“ Im Urlaub dort sei das Coverfoto entstanden. „Finistère, das Ende der Welt – das klingt zwar abgründig, aber so ist das nicht gemeint.“ Es ginge eher um die Stimmung des Ortes. Und der Ortsname habe ihnen einfach gefallen.

„Das ist in der düstersten Corona-Zeit entstanden“

Für die Bestückung der beliebten Chill-Lo-Fi-Beats-Playlisten der Streaming-Dienste hat Peter Heider ein eigenes Projekt entwickelt: Boozoo Bajou x Modalist. Zwei der Solo-Stücke des Erlangers als Boozoo Bajou x Modalist finden sich auch auf dem gemeinsam Album – bei den drei Tracks mit Gesang hören wir den souligen Steve Spacek aus London und die Nürnbergerin Jules.

So auf dem Track „Tough Times”. Dieser startet positiv mit „It’s the right time“, um dann hinterherzuschieben „It’s never the right time“. Gute Zeiten – schlechte Zeiten also. „Das ist in der düstersten Corona-Zeit entstanden“, erzählt Peter im Zündfunk-Interview. „Uns ist wichtig, dass der Interpret oder die Interpretin den Text selbst schreibt. Und das war damals Julias Stimmung.“  

Das neue Album von Boozoo Bajou hebt jedenfalls die Stimmung: Die Konzentration auf das Hier und Jetzt ist wohltuend – und bestimmt gesund. Das Hören von „Finistère“ wird eines Tages aufgrund seiner Heilkraft von Krankenkassen verschrieben werden.  

Tracklist:

1. Boozoo Bajou - Penn Ar Bed
2. Boozoo Bajou, JULES - Tough Times
3. Boozoo Bajou - Orfeu
4. Boozoo Bajou - Calcutta Glow
5. Boozoo Bajou - Viajantes
6. Boozoo Bajou - No Catch
7. Boozoo Bajou, Steve Spacek - Sparks
8. Boozoo Bajou & MODALiST - Morbidezza
9. Boozoo Bajou, JULES - Tiefer
10. Boozoo Bajou & MODALiST - Belle Flamme
11. Boozoo Bajou & Fürsattl - Höhensonne
12. Boozoo Bajou - Finistère