Italo Pop Warum Al Bano oder La Bionda politisch sind!
Italienischer Pop ist Hip. Roy Bianco und die Abbrunzanti Boys und Principess sind zwei Beispiele für den Hype. Der Musikjournalist Eric Pfeil hat ein Buch geschrieben in dem er 100 Songs anhand von Musik mit Politik, Religion und Aberglaube verknüpft.
Zündfunk: Vielleicht erklären wir kurz einmal, wie ihr Buch: „Ciao, Amore Ciao“ aufgebaut ist. Sie haben 100 italienische Popsongs ausgesucht und erklären zu jedem einzelnen den Hintergrund, und auch in welchem politischen Kontext, das Lied erschienen ist. Da sind, Popsongs dabei, aber auch Stücke von Cantautori, also italienischen Liedermachern. Würden Sie sagen, dass die italienischen Cantautori politischer sind als deutsche Liedermacher?
Eric Pfeil: Nein, das würde ich nicht unbedingt sagen. Was ich allerdings sagen würde, ist, dass ihre Lieder eine höhere „Trittfestigkeit“ mit dem Alltag haben. Die sind relativ nah dran an dem, was sich in Italien wirklich abspielt. Nehmen wir so jemanden wie Lucio Dalla, also einer der ganz großen, italienischen Cantautori, das war einfach jemand, der konnte sekündlich aus einem großen Statement mäandern, in einen alltäglichen Gedanken und sich dann ins Surreale verabschieden. Das ist deutlich organischer, als wenn hierzulande wahlweise ein politischer Song gesungen wird oder irgendwas mit einer Alltagsverhaftung gemacht wird. Das ist bei italienischen Cantautori einfach organischer, möchte ich sagen.
Wie kamen sie gerade zur italienischen Pop Musik?
Oh, das ist, möchte ich fast sagen, ein Kindheitstrauma. Ich bin über italienische Popmusik zu frühpubertären Zeiten gestolpert, als meine Eltern mit mir immer nach Italien fuhren. Ich fand das damals sehr schön und überzeugend und stilvoll und gut. Vor allem diese Popmusik hat mich nachhaltig begeistert, muss ich wirklich sagen. Die Reize waren einfach ein bisschen hochgeschraubter, als bei angloamerikanischer Musik, die sahen auch alle besser aus, fand ich. Und das hat mich nie wieder so ganz losgelassen.
Bei italienischem Pop denken viele Menschen an Albano und Romina Power, Neffa oder sagen wir mal an so italienische Disco Klopper wie La Bionda in den Achtzigern. Warum ist italienischer Pop durchaus politisch?
Das Land bringt das mit sich. Italien, birgt etliche Konflikte in sich, einfach von Haus aus. Der inneritalienische Nord - Süd Konflikt. Es gibt ein starkes Gefälle zwischen dem industrialisierten Norden und dem immer noch in Teilen abgehängten Süden, was für eine Binnenmigration innerhalb des Landes sorgt und dadurch natürlich schon ein enormes Konfliktpotenzial birgt. Dann gibt es sehr konservative Kräfte. Man hat gleichzeitig eine extrem moderne Gesellschaft, die Frauenrechte waren in Italien sehr früh auf dem Vormarsch, auch durch die Musik befeuert. Gleichzeitig hat man wiederum sehr patriarchalische Strukturen. In Italien gibt es sehr viele innere Widersprüche und das sorgt natürlich dafür, dass auch in der kulturellen Abbildung so eines Landes eine viel höhere Aufgeladenheit vorherrscht.
In ihrem Buch sprechen Sie vom Faschismus, der in Italien im Moment sehr groß ist. Aber es gibt ja auch den Antifaschismus und das kann man anhand des Gassenhauers "Bella Ciao" ganz gut sehen. Und da haben Sie in ihrem Buch ein schönes Beispiel gewählt, nämlich eine Pressekonferenz. Dort hat dann jemand im Saal gerufen, "Viva l’Italia antifascista" und dann?
Diese Pressekonferenz fand im Kontext des Festivals die San Remo statt. Das in diesem Jahr zu einem dezidiert unpolitischen Festival erklärt wurde, sicherlich auch auf Druck von außen, weil wie wir alle wissen, was die Regierung unter Meloni in erster Linie macht, ist Einfluss auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu nehmen. Und da trat ein Journalist auf, im Pressesaal und sprach direkt den Moderator und Festivalleiter Amadeus an. Neben ihm saß Marco Mengoni der Co Moderator und er sagte zu den beiden, gut, das sei ja jetzt hier offensichtlich ein unpolitisches Festival. Aber ob sie beiden sich, denn als Antifaschisten bezeichnen würden. Und die Taten die beiden dann auch wirklich, ohne mit der Wimper zu zucken. Und da sagt er, ach, wie schön, dann können wir doch jetzt alle zusammen Bella ciao singen. Und genau das passierte dann. Das ist etwas, da weise ich immer gerne darauf hin, denn mich fragen, die Leute, kann man denn noch nach Italien reisen? Jetzt wo Giorgia Meloni an der Macht ist, und dann sage ich immer. Das ging alles schon viel früher los. Das ging mit der Ermordung Aldo Moros los, das ging mit dem Untergang der Linken los, die Berlusconi Jahre, das Herabwirtschaften der italienischen Kultur, das Verächtlichmachen von Andersdenkenden. Das also, der ist der Bodensatz. Und natürlich kann man noch nach Italien fahren, denn es gibt dort einfach eine Zivilgesellschaft, die sich permanent damit auseinandersetzt und die eben nicht Georgia Meloni und ihresgleichen ist.
"Ciao Amore Ciao" von Eric Pfeil ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen und kostet 14 Euro.