Josef Hader „Jede neue Generation muss die Chance haben, die Alten alt ausschauen zu lassen“
Kaum einer bringt die Weltlage so schonungslos bissig und melancholisch auf den Punkt wie Josef Hader. Im Zündfunk-Interview spricht Österreichs erfolgreichster Kabarettist über Landwirte, Rechtspopulisten und wehleidige Boomer.
Eigentlich wollte der Schauspieler ja über seinen neuen Film „Andrea lässt sich scheiden“ reden. Der kommt am 29. Februar ins Kino und läuft außerdem auf der diesjährigen Berlinale. Aber die Weltlage gebietet es über anderes zu sprechen. Schließlich ist Josef Hader nicht nur Schauspieler und Regisseur, sondern vor allem Kabarettist, und macht sich als solcher von Berufs wegen kluge und erheiternde Gedanken über diese Welt.
Zündfunk: Ihr neuer Film spielt auf dem Land. Sie sind selbst Landwirtsohn. Haben Sie eine besonders enge Beziehung zum Land oder mögen Sie es gar nicht, weil sie da herkommen?
Josef Hader: Ich glaube, es ist so eine Art Hassliebe, aber keine heiße, sondern eine entspannte. Ich bin so früh weg, dass sich keine bösen Gefühle entwickeln konnte. Aber ich hatte schon das Gefühl, ich passe dort nicht hin. Das war mir alles ein bisschen zu brutal, zu grob. Ich war ein Kind, das bis zum sechsten Lebensjahr keine gleichaltrigen Kinder in der Umgebung hatte. Dadurch war ich später von Gleichaltrigen vollkommen überfordert. Ich bin, sobald ich lesen konnte - und ich konnte sehr früh lesen - sofort in die Bücher geflüchtet.
In der letzten Woche gab es die Proteste der Landwirte. Haben Sie da Sympathie, können Sie das verstehen?
Naja, ich komme von einem Bauernhof. Es ist so, dass die Politik eine schwere Aufgabe hat. Nämlich zu erklären, warum plötzlich die Chancen, dass alles immer besser wird, zumindest mittelfristig eher gering sind. Das Problem ist eigentlich ein Verteilungskampf, einerseits der Verteilungskampf zwischen arm und reich, wo die Schere auseinander geht. Oder wo es zumindest so ist, dass der gleiche Anteil von Reichen um ein vieles mehr reicher ist als vor 20 Jahren. Und bei den Armen ist es so, dass inzwischen immer weniger Leute von einem Job leben können.
Der zweite Verteilungskampf ist der zwischen den Ländern. Wir können alle noch so fair trade leben, wir leben auf Kosten der eines Teils der Welt, dem es viel, viel schlechter geht. Die lassen sich das auch nicht mehr so gefallen und dadurch hat der Westen ein Problem: Die westliche Demokratie, dieses Fortschrittsprojekt, war immer darauf ausgelegt, den Menschen zu erklären: Ein paar alte Sachen fallen weg, aber es wird trotzdem immer, immer besser. Die Politiker können das jetzt nicht mehr glaubwürdig erklären, dass es immer besser wird.
Es gibt einen schon seit Jahren einen Rechtsruck in Europa. Können wir Deutschen eigentlich etwas lernen vom Umgang mit der FPÖ in Österreich?
Das haben wir super hinkriegt, oder? Die FPÖ, die sind jetzt in den Umfragen bei 30 Prozent. Nein, es ist dasselbe Problem, das ich vorhin besprochen habe: Wenn jetzt eine Partei kommt und sagt: „Es gibt einen großen Verteilungskampf und wir müssen in Zukunft mit weniger auskommen“, dann ist das eine sehr schlechte Botschaft. Wenn eine Partei kommt und sagt: „Alles wird wieder wie früher. Das das ist nur vorgegaukelt, der Klimawandel, die Ungerechtigkeit innerhalb der Kontinente, ist alles nur eine Schmäh von den Eliten. Wir garantieren euch, dass alles so bleibt oder vielleicht noch viel besser wird, so wie Ihr es in Erinnerung habt, wie es vor 30 Jahren war.“ Es war überhaupt nicht besser, aber man hat ja die Vergangenheit besser in Erinnerung. Wenn eine Partei mit so einem Schmäh kommt, dann gibt es halt viele, die darauf reinfallen.
Es gibt Dinge, die man sagen darf, und manche Dinge darf man zurecht nicht mehr sagen, weil sie Menschen verletzen. Es gibt ja diesen Satz von Gottschalk, den er bei seiner letzten Sendung gesagt hat: „Inzwischen rede ich zu Hause anders als im Fernsehen - und das ist auch keine dolle Entwicklung, und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt, 'du hast wieder einen Shitstorm hergelabert', dann sag ich lieber gar nichts mehr.“
Ja, aber früher ist auch ein verzweifelter Aufnahmeleiter bei ihm herumgelaufen. Vielleicht, weil er die Zeit überzogen hat oder nicht gebrieft war, nicht genau gewusst hat, wo es lang geht. Er war ständig von verzweifelten Aufnahmeleitern umgeben, nur jetzt rühren sie ihn mehr an, weil er alt geworden ist. Harald Schmidt sagt, er könnte die Sendungen nicht mehr machen, die er damals gemacht hat, natürlich nicht. Aber einen Shitstorm hat er damals sowas von gehabt. Er ist in allen Zeitungen durch den Kakao gezogen worden aufgrund seiner Polenwitze. Er hat es nur damals besser ausgehalten. Es ist eine Frage von Testosteron. Entweder, finde ich, sollten diese Männer einfach künstliche Hormone nehmen oder akzeptieren, dass sie halt manche Sachen nicht mehr gescheit aushalten.
Sie haben mal die Wehleidigkeit der Boomer-Generation kritisiert. Sie sind ja selbst relativ nah dran an der Boomer-Generation. Welche Wehleidigkeit meinen Sie denn da?
Wir alle waren mal jung und die Alten alt und aus der Zeit gefallen. Ich versteh nicht warum viele jetzt die andere Rolle nicht spielen wollen. Weil, jetzt ist wieder eine neue Generation, die ist anders und die kommt jetzt dran. Und dann stehen da so wehleidige 75-Jährige in einer Fernsehshow und sagen, sie machen jetzt Schluss, weil sie sonst einen Shitstorm bekommen. Sie sollen immer die Coolen sein, ein Leben lang, die allen anderen erklären, wie die Welt geht. Nur die Generation der Boomer glaubt, sie wäre so etwas Besonderes, dass sie diesem historischen Prozess nicht unterworfen sei. Jede neue Generation muss die Chance haben, die Alten alt ausschauen zu lassen.
Es ist nicht alles besser, was früher war. Aber gibt es irgendwas, was jetzt besser ist?
Es gibt viel, was jetzt besser ist. Angeblich leben überall auf der Welt mehr Menschen, sozusagen in relativer Sicherheit als noch vor 30-40 Jahren. Im Prinzip wären die Probleme lösbar.
Das lassen wir jetzt einfach so stehen. Und sagen: Danke, Josef Hader!
Ein schwacher Trost. Danke schön.