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Krach am Bach Wie sich ein Punkfestival auf dem fränkischen Land gegen Queerfeindlichkeit wehrt

Das Krach am Bach-Festival auf dem fränkischen Land ist ein Fest des Punkrocks: Gute Stimmung und ein Who-is-who-Lineup mit Bands wie Team Scheiße, Ersatzkopf, Knochenfabrik und Alarmsignal. Doch auf dem Festival kam es zu queerfeindlichen Vorfällen. So reagieren Veranstalter und Bands.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 17.07.2023

Festival-Stimmung bei "Krach am Bach": Festivalbesucher reißen die Hände in die Luft | Bild: BR

Das Festival „Krach am Bach“ ist etwas Besonderes, daran besteht kein Zweifel. Allein die Location. Ein Punkrock-Festival in Prölsdorf in Franken, in der Middle of Nowhere zwischen Bamberg und Haßfurt. Vier Duschen, ein paar Dixiklos, über 1.000 Punks und ein Lineup wie ein Fest für Punkfans. Team Scheiße, Knochenfabrik, Kotzreitz, Toxoplasma, Ersatzkopf, Alarmsignal, Pogdendroblem, und, und, und. Aber – das Krach am Bach war nicht für alle ein Fest. Vor allem nicht für Alex, non-binär, aus Berlin angereist. Alex hat eine Pride-Flagge dabei. Auch andere Gäste sind mit Regenbogen- oder LGBTQ-Symbolen unterwegs. In der Nacht von Freitag auf Samstag wird Alex Pride-Flagge vom Zelt abgerissen, nach langer Suche findet Alex die Flagge völlig verbrannt vor dem Festival Gelände. „Wir fühlten uns komplett ausgeliefert und überrollt, da wir nicht mit sowas auf einem Punkfestival gerechnet haben", sagt Alex.  

Selbst Punkfestivals kein Safe Space mehr? 

Eine verbrannte Pride-Flagge auf einem Festival mit Bands, die Festival mit Bands, die Queerness zelebrieren

Besonders paradox: So ein Vorfall, auf einem Festival mit Bands, die Queerness eigentlich zelebrieren. In Zeiten, wo Queerfeindlichkeit generell zunehme sei das noch einer der wenigen Orte, wo man sich eigentlich sicher fühlen sollte, sagt auch Annika, Aktivist*in beim Bündnis „KIBA“ aus Bamberg: „In so einem safe space so unerwartet angegriffen zu werden, ist nochmal extra schlimm“. Bei Team Scheiße zum Beispiel, gibt es auf Konzerten immer einen "Flinta-Pogo", wo Männer einen Song mal nicht mitpogen sollen, damit auch die mal zum Zug kommen, die körperlich nicht ganz so draufhauen können.  

Verbrannte Pride-Flagge: Ist Punk queerfeindlich? 

Als Besucher lässt einen der Vorfall also verwundert zurück. Doch es gibt ein paar Gründe, die erklären, wie es dazu komme konnte. Der erste: Auf dem Camping-Platz des Festivals waren nicht nur Punks, sondern auch Leute aus dem Umfeld, die gar kein Festivalticket hatten. Menschen, die laut Schlager hören und dabei aus Spaß den Motor ihres Dodge-Rams aufheulen lassen. Mit Sympathien für Mickie-Krause-Songs und die AfD. „Da wir in einer strukturschwachen Region leben, hat das zur Folge, dass auch Besucher kommen, die nicht hinter der Message des Festivals stehen“, erklärt Veranstalter Sebastian Schunder vom Krach am Bach. Man habe allerdings nicht damit gerechnet, dass das in dieser Form passieren würde. Das Problem in diesem Jahr: Für fünf Euro konnte jeder auf den Campingplatz, auch Menschen ohne Festival-Tickets. Diese Leute würden sich freuen, dass in der Region mal was los sein und auch Party machen wollen, erklärt der Veranstalter.  

Schlager-Fans auf einem Punkfestival? 

Für Alex keine Ausrede: „Die Person hat sich in diesem Raum sicher gefühlt dies tun zu können. Kein Punkfestival sollte ein safer space für Täter sein.“ Auch Marian, Sänger und Bassist der Band Ersatzkopf sagt: „Natürlich gibt es Leute, die explizit Stress machen wollen, und die Hemschwelle ist natürlich wesentlich geringer, wenn man für fünf Euro Stress machen kann.“ Immerhin: Die Veranstalter reagieren, organisieren Alex ein Hotel-Zimmer und wollen für die Zukunft einiges anders machen: „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir sagen, dass wir im Hinblick auf das Camping ein Awareness-Konzept ausarbeiten werden. Ebenso bekommen nur noch Personen mit gültigem Ticket Einlass zum Campinggelände“, sagt Sebastian Schunder.  

Alte Punks, neue Punks und Nippel 

Auch die Bands thematisieren den Vorfall immer wieder, die Mehrheit der Besucher*innen solidarisiert sich während den Konzerten mit Alex. Und trotzdem deutet sich beim Krach am Bach an, dass es auch in der Punkszene einige offene Konfliktpunkte gibt, die sich in Sachen Feminismus und Awareness gerade zuspitzen. Bands wie Team Scheiße oder Ersatzkopf beispielsweise fordern männliche Fans dazu auf, beim Pogo das T-Shirt anzulassen. Auch, wenn es sehr heiß ist. Der Hintergrund: Solange weibliche Nippel tabuisiert und im öffentlichen Raum sexualisiert werden, wäre es wünschenswert, wenn sich Männer mit Frauen und trans Personen solidarisieren. Doch einige Punks können das nicht nachvollziehen. Bei Ersatzkopf beispielsweise ziehen einige ihr T-Shirt demonstrativ aus, ein anderer Festival-Gast schwärmt, dass er sich extra zwei Löcher ins T-Shirt geschnitten hat, an der Stelle, wo die Nippel sind. „Ich verstehe nicht, wieso man nicht von selbst auf den Trichter kommt, dass man mit dem, was man da tut, nicht so ganz richtig ist“, sagt Marian von Ersatzkopf danach im Interview. Er wünscht sich, dass im Pogo Ignoranz und Macker-Gehabe beiseite gekehrt werden. Seine Erklärung: „Es geht bei Punk nicht darum, allen wahrlos die ganze Zeit ans Bein zu pissen, sondern zu gucken: Wem pisse ich ans Bein und warum? Wer pisst mir ans Bein und warum pisst mir das ans Bein? Und dann pisse ich Leuten ans Bein, den richtigen Leuten und nicht denen, die eh schon trouble haben.“  

Auch Punks können sich gegen Queerfeindlichkeit sensiblisieren 

Auch Aktivist*innen, die bei Krach am Bach vor Ort waren, bestätigen, dass es in der Szene in dieser Hinsicht Nachholbedarf gibt. „Die Punkszene unterliegt den gleichen Strukturen wie der Rest der Gesellschaft. Sexismus, Rassismus und eben Queerfeindlichkeit sind vorhanden, sind nicht einfach wegzuignorieren, das braucht harte Arbeit“, sagt Annika von „KIBA Bamberg“. Annika freut sich deshalb umso mehr darüber, dass die Bands sich geschlossen mit Alex solidarisieren und den Vorfall mit der Flagge auf der Bühne immer wieder thematisieren. Awareness gelte eben nicht nur für ein Awareness-Team sondern auch für Bands und Gäste, meint auch Marian von Ersatzkopf. Er fordert alle auf: „Besser aufpassen!“ Die Festival-Betreiber wollen das Geschehene nun nochmal aufarbeiten und sich Maßnahmen für die nächsten Jahre überlegen. Aber, Betreiber Sebastian Schunder sagt auch: „In unserem Team sind nur zehn bis 15 Personen, in unserem Ort wohnen knapp 300. Da sieht man auch, dass man ein Festival so einer Größe fast nicht mehr stemmen kann.“ Er betont, dass man als kleines Team mit 15 Leuten in Sachen Awareness in Zukunft noch mehr als ohnehin schon auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen sei.