Buch "Musterbruch" Diese Autorin will Punk-Prinzipien auf den Feminismus übertragen
Wie können wir gleichgestellt in heterosexuellen Beziehungen leben? Dieser Frage geht Autorin Patricia Cammarata in ihrem neuen Buch "Musterbruch" nach und fordert mit traditionellen Strukturen zu brechen. Die Revolte gegen Rollenbilder, quasi Punk im Feminismus.
Es ist schon ziemlich geil, das Leben als Mann. Langer Arbeitstag, dann nach Hause, ab auf die Couch. Beine hoch, Lieblingsserie an. Achso, Schatz, langsam wird’s bei mir knapp mit den Unterhosen! Und was gibt’s nachher eigentlich zu essen? Weil das Leben als Mann so verdammt geil ist, ist es ja eigentlich nur logisch, dass die Gleichstellungspolitik der letzten Jahre darauf ausgerichtet war, dass auch Frauen so leben können wie ein erwerbstätiger Mann, oder?
Carearbeit im Wert von 11 Billionen US-Dollar
Das ist Unsinn, schreibt die Autorin und Bloggerin Patricia Cammarata in ihrem neuen Buch „Musterbruch“. Im Interview erläutert sie: „Es ist eine ganz komische Schieflage, aber das Ideal ist ja, dass wir alle leben können wie Männer - Frauen auch. Und das heißt heute vor allem: erwerbsarbeitszentriert. Und dabei wird völlig vergessen, dass Sorgearbeit nötig ist, auch für die Erwerbsarbeit.“ Das ist klassische feministische Theorie: Sorgearbeit, also das Kümmern um andere, Kinder, pflegebedürftige Angehörige, aber auch den Haushalt müssen als Voraussetzung für Erwerbsarbeit mitgedacht werden.
In politischen Debatten wird nie betrachtet, dass das alles hauptsächlich von Frauen erledigt wird. Das ist ein Muster, das Gleichstellung unterbindet. Weltweit leisten Frauen täglich über zwölf Milliarden Stunden Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit. Jeden Tag im Durchschnitt rund 90 Minuten mehr als Männer. Diese Sorgearbeit wird aber kaum anerkannt. Würde man den Mindestlohn für das Kümmern um Kinder, Großeltern, Putzen, Wäschewaschen, Hausaufgabenbetreuen etc. bezahlen, würde ein Wirtschaftswert von 11 Billionen US-Dollar im Jahr entstehen. Das ist 24-mal der Umsatz von Apple, Google und Meta zusammen, rechnet Patricia Cammarata auf. Sie kritisiert ein Wissensdefizit: „Wir richten uns nach Bauchgefühl oder nach dem, was unsere Eltern gemacht haben oder was wir in unserer Nachbarschaft und im Freundeskreis sehen. Und das sind bekannte Wege, die den alten Spruch wahrmachen: Man geht als gleichberechtigtes Paar in den Kreißsaal, kommt aber als Paar der 1950er Jahre heraus.“
Noch immer werden Rollenklischees reproduziert
Wer sich in den letzten Jahren mit Feminismus beschäftigt hat, kennt die Knackpunkte: Frauen werden für gleiche Arbeit schlechter bezahlt, Männer nehmen weniger Elternzeit und das in einer erwerbsarbeitszentrierten Gesellschaft, die alles ausbeutet, was mit Fürsorge zu tun hat. Veraltete Rollenbilder und gewaltige Anforderungen erzeugen Minderwertigkeitskomplexe bei Frauen, die durch mediale Vorbilder noch verstärkt werden: am 15. Februar startet die 19. Staffel Germanys Next Topmodel!
Das Buch „Musterbruch“ soll vor allem ein Ratgeber sein für heterosexuelle Paare. Ein feministischer Rundumschlag in einfacher Sprache. Ein bisschen wie der Hit „Zukunft Pink“ von Peter Fox, nur in Buchform. Patricia Cammarata stellt dabei politische Forderungen: Frauen, solidarisiert euch! Aber auch konkrete Handlungsanweisungen. Zum Beispiel der Bruch mit der eigenen – Achtung Fremdwort – Affordanz. Affordanz meint den konkreten Handlungsdruck, den wir in bestimmten Situationen empfinden. Cammarate erklärt: "Da schlägt unsere Sozialisation zu: Rumliegende Wäscheteile beispielsweise, lösen bei der Frau, die sich zuständig für den Haushalt fühlt, den Impuls aus aufzuräumen und zu waschen. Bei vielen Männern, die sich nicht zuständig sehen für den Haushalt, gibt es diesen Handlungsimpuls nicht.“
Männer, bringt euch ein!
Um so etwas zu überwinden, plädiert Patricia Cammarata, mit den Mustern zu brechen, die dazu führen, dass die Strukturen so bleiben wie sie sind. Quasi Punk-Prinzipien auf den Feminismus übertragen. Nieder mit den alten Konventionen, raus aus der Gewohnheit! Ein Beispiel führt sie beim Thema Nachwuchs an: "Dass Väter in Elternzeit gehen, hat nachhaltig große Effekte, das bestätigen ganz viele Studien. Die Wahrscheinlichkeit zur Trennung sinkt um 25 Prozent und jeden Monat, die ein Vater Elternzeit nimmt, kann eine Frau ihr Einkommen um 7 Prozent steigern.“
Muster zu brechen kann aber auch bedeuten, politisch für eine Vier-Tage-Woche einzutreten, weniger zu arbeiten oder als Frau zu sagen: „Wasch deine Unterhosen doch selbst!“ Und als Mann nicht mehr über sexistische Witze zu lachen und im Zweifelsfall auch mal einen unerwarteten Konter parat zu haben. Im Buch „Musterbruch“ gibt es ein paar Witze, als Inspiration. Wie viele Männer zum Beispiel, braucht es um eine leere Rolle Klopapier auszutauschen? Das weiß niemand, weil es noch nie vorgekommen ist.
„Musterbruch“ von Patricia Cammarata ist bei Beltz erschienen und kostet 21 Euro.