Neu im Kino „Rickerl“ mit Voodoo Jürgens ist eine urwitzige Verneigung vor der Wiener Gosse
Regisseur Adrian Goiginger hat die Musik von Voodoo Jürgens zum Anlass genommen, einen Film mit ihm in der Hauptrolle zu drehen. Ein Biopic ist daraus zwar nicht geworden, aber ins Wienerische musste das Drehbuch dann doch übersetzt werden.
Dieser Film riecht nach Beisel, Spritzer und Zigaretten. Denn Voodoo Jürgens raucht gerne und viel, wie der aus Salzburg stammende Regisseur Adrian Goiginger von „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ erzählt. Sie hätten die Drehpausen ausgesetzt, damit der Voodoo Jürgens einfach durchrauchen kann in den Szenen, die größtenteils in Wien gedreht wurde.
Das Drehbuch von „Rickerl“ musste ins Wienerische übersetzt werden. Eh klar
Klar, „Rickerl“ ist ein Wiener Film, entwickelt in den Kaffeehäusern der Stadt, in denen sich Goiginger und Voodoo Jürgens über zwei Jahre immer wieder zum Drehbuchschreiben getroffen haben. Zwischenzeitlich musste das auf Salzburgerisch geschriebene Drehbuch dann auch mal zum innerösterreichischen Übersetzer. Wenn es nicht Wienerisch sei, könne es der Voodoo nicht spielen, ließ er den Regisseur lautstark am Telefon wissen. Das wisse man doch, dass die Grammatik in Wien eine ganz andere wäre. Eh klar.
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Rickerl - Musik is höchstens a Hobby I HD-Trailer I Ab 01.02.2024 im Kino
Rausgekommen ist kein Biopic, darauf besteht Goiginger, sondern die fiktionale Geschichte eines chronisch erfolglosen Musikers namens Erich „Rickerl“ Bohacek, die auch die Geschichte von Voodoo Jürgens sein könnte.
Die Ex-Freundin lebt jetzt – Höchststrafe – mit einem Piefke zusammen
Aber von vorne: Rickerl stümpert sich durch Gelegenheitsjobs, ist Totengräber, Sexshop-Angestellter oder Würstlverkäufer. Das Geld ist immer knapp, der Unterhalt für seinen 6-jährigen Sohn Dominik stets im Verzug. Die Ex-Freundin lebt jetzt – Höchststrafe – mit einem Piefke zusammen.
Sein Vater ist ein Glücksspielsüchtiger Hallodri. Am wohlsten fühlt sich Rickerl in der Kneipe, im Beisel, wo er entweder seine morbiden Arbeitersongs spielen oder mit den Beisel-Freunden Karten spielen kann. Ein Müßiggänger, dessen Songs so warm sind wie die Gefühle für seinen Sohn – aber für warme Herzen hatte der Kapitalismus noch nie etwas über.
Die Songs schreibt Voodoo Jürgens, äh, Rickerl auf der Schreibmaschine
"Ist es nicht riskant, was du hier machst? Wein trinken mit so einem Hallodri wie mir" - Rickerl zu seiner Ex-Frau Viki.
Adrian Goiginger wirft in Rickerl ein besonderes Augenmerk auf das Wiener Prekariat, auf Menschen, die nichts haben – außer sich selbst. Ein Film über Nostalgie, Melancholie und „das alte Wien“ wollte er machen. Rickerl selbst hat statt Smartphone ein altes Nokia-Handy, seine Lyrics schreibt er nicht auf einem PC, sondern auf einer Schreibmaschine. Aber nicht nur die Ausstattung lässt die Nostalgie hochleben, es sind die Werte, die Rickerl vertritt: Wer Hits wolle, der ist bei ihm an der falschen Stelle. Ausverkauf? Nicht mit Rickerl. Ausgerechnet das Medium Radio muss dafür herhalten, wie absurd die Promo-Maschinerie im Musikbusiness läuft. Gastauftritt: der Nino aus Wien, der sich hier selbst spielt – wie Voodoo Jürgens im Endeffekt auch.
Ist das altes Wien oder glorifiziertes Präkariat?
Große schauspielerische Leistungen darf man bei diesem Film nicht erwarten. Hervorzuheben ist vor allem Rickerls Sohn Dominik, gespielt von Ben Winkler. Sonst arbeitete Goiginger unter anderem mit Laien-Darstellern, die aber für die hervorragende Situationskomik verantwortlich sind. „Rickerl“ zeigt auch, manche urlustige Dialoge kann man nicht schreiben, sie müssen einfach passieren.
Und dann wäre da noch die Musik, sie war der Ausgangspunkt für die Idee zum Film - und so trägt sie auch diese tragisch-komische Geschichte. Wir hören alte und neue Songs von Voodoo Jürgens, eine Verneigung vor der Gosse, in dem das Wiener Lied so laut und stark erhallt, wie sonst nirgends. Exemplarisch dafür steht die Szene, in der Rickerl als Hochzeitssänger engagiert ist. Während er einen eigens komponierten „L’Amour Hatscher“ zum Besten gibt, zettelt die Hochzeitsgesellschaft eine Schlägerei an. Abbruch. Vom Buffet will Rickerl aber trotzdem noch was. Das Leben hat ihm noch nie was geschenkt.
„Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" (2023). Regie: Adrian Goiginger (BR-Co-Produktion). Zu sehen in ausgewählten Kinos ab dem 1.02.2024.