Ukraine-Hilfskonvoi der Sportfreunde Stiller „Ein neues Momentum schaffen: Wir können etwas beitragen“
Die Sportfreunde Stiller engagieren sich schon lange für die Ukraine. Nun sind sie mit einem Hilfskonvoi in Lwiw. Sie haben sechs Krankenwagen und ein rollendes Krankenhaus organisiert. Dafür haben sie Monate Spenden gesammelt. Es haben viele mitgemacht, von den Toten Hosen bis zu Jan Delay. Der Zündfunk hat mit Rüdiger Linhof telefoniert.
Zusammen mit dem ukrainischen Hilfsverein "Bamberg:UA" haben die Sportfreunde Stiller einen sogenannten Kultur-Konvoi organisiert. Gespendet haben viele Künstler und Bands, zum Teil fahren sie auch selbst mit in die Ukraine. Sportfreunde Bassist ist auch die Signalwirkung wichtig: Es ist ihm wichtig zu betonen: Wir können und wir müssen etwas tun.
Zündfunk: Ihr seid gerade mit Eurem Hilfskonvoi in der Ukraine angekommen.
Rüdiger Linhof: Wir sind jetzt in Lwiw. Wir haben diese ganzen Busse dahingefahren, haben einen schönen Konvoi gebildet und übergeben das Ganze jetzt an verschiedene Einheiten, die diese Busse brauchen, um in den Gebieten, in denen in denen die Zivilverwaltung nicht arbeiten kann, in denen natürlich auch Soldaten gerettet werden müssen, um dort halt Menschenleben retten zu können. Die Busse werden denen ja ständig weggeschossen, das sind für die russischen Soldaten einfach Ziele. Die verlieren halt ständig Busse, natürlich auch mit dem Menschen, die da drin fahren, und sie brauchen halt neue und warten händeringend darauf.
Wo bist du jetzt genau, wie sieht es da aus?
Ich stehe jetzt leider an einem sehr, sehr traurigen Ort, das ist so mitten in Lwiw und das sind einfach lauter Liebste von irgendjemanden, die hier beerdigt werden. Und das sieht einfach unglaublich bewegend aus und man merkt einfach: Wahnsinn, was für Opfer das schon gefordert hat, der ganze… Scheiß.
Hier sieht man es auch, hier ist zum Beispiel so ein Studentenwohnheim, das ist im September bombardiert worden, da schauen wir später noch mal hin. Du siehst es schon, aber die Stadt ist intakt und es ist ein ganz normales Leben hier. Du siehst Kinder, wie sie mit den Musikinstrumenten zum Musikunterricht gehen, da gibt es den Apple Store. Alles, was man so braucht, um das Gefühl von einer Normalität zu haben. Und gleichzeitig ist es natürlich sehr verstörend, was hier dann teilweise abends passiert.
Was passiert abends?
Im Dezember kam zum Beispiel eine Freundin her, die Tanja, die Bamberg:UA ja leitet – also, die uns ja helfen, diesen Konvoi überhaupt logistisch umzusetzen – und die kam dann und flüsterte mir ins Ohr: Du, wir müssen uns jetzt so langsam auf den Weg machen, weil 45 Drohnen im Anflug sind. Und wir waren ganz ruhig und haben den Luftschutzraum gezeigt bekommen. Aber die sind dann abgedreht, weil die fliegen ja irgendwie so quer durchs Land, um an möglichst vielen Stellen Angst und Lufterlarme auszulösen. Die sind dann abgedreht, am Jahrestag vom Holodomor, da sind die halt dann nach Kiew geflogen. Das ist so die Kommunikation, die Russland hier betreibt.
Sechs Rettungswagen, ein Sanitätsunimog, diese Busse, von denen du gerade gesprochen hast, wo habt ihr das alles her und wer finanziert das alles mit?
Das finanzieren verschiedene Bands, von Tote Hosen bis Jan Delay bis Michi und Gudrun Mittermeier, Joko und Klaas, wir Sportfreunde. Verschiedenste Beträge von verschiedensten Bands, auch ein paar Privatspender sind dabei. Es ist großartig zu sehen, dass die Leute sich auch einfach freuen, ganz was Konkretes machen zu können – in diesem Wahnsinn, der mit der Ukraine passiert. Die Leute sehen ja auch, wie sehr das bei uns irgendwo scheinbar in Vergessenheit geraten ist. Oftmals aus Mangel an Möglichkeiten zu wirken. Da zieht man sich halt zurück, weil man der Frustration entgegentreten will. Und die Leute denken sich: Ja, wie geil, da können wir jetzt was tun. Das finde ich total gut.
Ich würde gerne dazu beitragen, und auch die Leute, die da mithelfen, einfach auch ein neues Momentum zu schaffen, dass man merkt: Hey, wir können was beitragen. Wir können dafür sorgen, dass sich dieser Krieg nicht weiter ausbreitet. Dass es auch bei uns friedlich bleibt. Weil: Russland hat es ja angekündigt: „Nach Berlin“, das sagen halt viele russische Soldaten. Das müssen wir anerkennen und etwas tun, dass wir da nicht selber auch reinrutschen.
Es geht einfach um den europäischen Frieden, um die Stärkung der Demokratie, es geht tatsächlich in diesem Krieg um alles. Vermeintlich ist es weit weg, aber das ist wirklich nah dran. Man merkt das auch daran, wie Russland hier radikale Parteien supportet, wie hier die Stimmung im Land kaputt gemacht wird. Es ist sehr nah dran, dieser Konflikt, mehr als wir es uns wünschen. Uns ist es bewusst und wir wollen uns da als Musiker und Demokraten einfach einsetzen, dass wir auch in Zukunft in Freiheit leben können. Wir haben es vor dem Zweiten Weltkrieg schon erlebt, was passiert, wenn man einfach nur zuschaut.
Und Russland macht so lange weiter, wie es halt kann. Sie rechnen einfach damit, dass die Hilfsbereitschaft nachlässt und dass sie dann irgendwann hier dieses grausame Spiel weiterspielen können, ungestört.
Auf der einen Seite hört sich das nach einem total optimistischen Trip irgendwie an. Weil ihr ja wirklich Sachen dahin bringt, die die Leute dringend brauchen. Auf der anderen Seite klingt es auch total bedrückend. Wie fühlt es sich für Dich an?
Für mich fühlt es sich total gut an, was zu machen. Und ich finde das ganz wichtig, sich dem zu stellen, was passiert, hinzufahren und sich das dessen bewusst zu sein, dass es nicht einfach ein kurzes mediales Ereignis ist. Das ist etwas, wo man sich stellen muss, und das machen wir Sportfreunde, das mache ich ganz persönlich und das machen auch all die Künstler, die sich committet haben.
Mir ist es so wichtig, dass wir in unserem Land erkennen, dass wir was machen können und dass es wahnsinnig wertvoll ist, was wir machen können. Ich würde so gerne dafür sorgen, dass sich die Menschen wieder aufraffen und sich um ein neues Momentum kümmern. Dass man diesen Menschen hilft, sich gegen einen faschistischen Angriffskrieg zu wehren. Lasst uns echt etwas machen, weitermachen, nicht den Kopf an Sand stecken.