Gleichberechtigung „Wir müssen aufhören, die Schuld auf den Schultern der Frauen abzulegen“
Alle reden von Gleichberechtigung und doch sind wir immer noch meilenweit davon entfernt. Die Autorin Verena Bogner hat die Arbeitswelt unter die Lupe genommen und fordert in ihrem gerade erschienenen Buch „Not Your Business, Babe!“ endlich mit der Narration aufzuhören, Frauen müssten nur selbstbewusster sein.
Zündfunk: Du bist Jahrgang 1992, bist also in den 2010ern in den Arbeitsmarkt eingestiegen. War Gleichberechtigung für Dich damals ein Thema?
Verena Bogner: Als ich in den Arbeitsmarkt gestartet bin, war ich voller Motivation für alles, was da auf mich zukommt. Prekäre Arbeit, damit hatte ich mich abgefunden. Das haben alle hingenommen. Die 2010er waren die Jahre des Girl Boss-Feminismus. Das war auch Thema in vielen Songs, zum Beispiel von Beyoncé oder anderen großen Popstars. Da ging es einfach darum, einzelne Frauen zu empowern und ihnen zu vermitteln: Du kannst zwar das System nicht reparieren, aber wenn du bei dir als Person, als Individuum ansetzt und wenn du hart genug arbeitest, um erfolgreich zu sein, dann hast du was für den Feminismus gemacht. Und das ist natürlich eine viel zu einfache, oberflächliche Rechnung. Das kann niemals aufgehen.
Und wann ist Dir das aufgefallen? Offenbar warst Du irgendwann so genervt, dass Du beschlossen hast, ein ganzes Buch darüber zu schreiben.
„Not Your Business, Babe!“ von Verena Bogner ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen
Genervt ist sehr diplomatisch ausgedrückt. Ich habe das jahrelang mitgemacht und habe auch selbst geglaubt: Wenn ich hart genug arbeite, dann wird sich das auszahlen. Ich habe dann einfach immer öfter im Arbeitsalltag gespürt und auch bei Freundinnen gesehen: Es klappt nicht, es geht nicht auf. Ich bekomme die Gehaltserhöhung nicht, und mein Kollege, der die halbe Arbeit von mir macht, schon. Ich habe kapiert, es hapert am System, an dem Framework – und nicht an meinem Ehrgeiz oder an meinem Einsatz.
Frauen wird ja oft gesagt, sie würden schlechter bezahlt, weil es ihnen an Selbstbewusstsein mangele. Das ist durchaus etwas das ich von mir kenne. Du sprichst im Buch von der sogenannten Confidence Culture.
Ja, ich habe mich da auch selbst sehr ertappt gefühlt. Das ist so ein Klassiker. Wenn die Gehaltsvorstellung einer Frau nicht erfüllt wird, dann kommt einer dieser Bullshit-Sätze: Du hast einfach zu wenig verlangt. Du musst mit mehr Selbstbewusstsein an die Sache rangehen. Aber: Selbstbewusstsein ändert nichts an dem Fakt, dass Frauen weniger Gehaltserhöhungen als Männer bekommen. Das ist eine dieser Scheinlösungen, die wieder die ganze Schuld aufs Individuum verlagern und sogar die Verhaltensweisen von Frauen pathologisieren und uns einreden, dass wir einfach zu schwach für die Arbeitswelt seien.
Du sprichst auch von der Hustle-Culture: Man müsse nur hart genug arbeiten und dann wird man erfolgreich sein. Das ist ja gerade in der Popkultur eine total starke Erzählung. Warum wird die so glorifiziert?
Die Hustle-Culture ist omnipräsent, die wird von unserer kompletten Gesellschaft glorifiziert. Es ist doch eine sehr einfache Erzählung: Harte Arbeit ist gleich Erfolg. Wenn diese Erzählung anfängt zu bröckeln, dann müssen wir wirklich am System ansetzen. Und ich glaube, um das zu vermeiden, erzählt man sich einfach gern dieses Märchen.
Was muss sich Deiner Meinung nach als erstes ändern in der Arbeitswelt?
Wir müssen zum einen aufhören, immer nur auf das Individuum zu blicken und die Schuld auf den Schultern der Frauen abzulegen. Und vor allem: Wir müssen diese ganzen Narrative durchschauen und entlarven und verstehen, welche Mechanismen uns in der Arbeitswelt behindern. Aber es ist natürlich auch wichtig, den Blick auf Entscheidungsträger*innen zu lenken und zu sagen: Es geht so einfach nicht mehr. Die Arbeitswelt ist so ungerecht, wir können mit diesen Scheinlösungen nichts mehr retten. Wir müssen was im System ändern.