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Boom der Parallelwelten Was "Rick and Morty" für das Multiversum getan haben

Die Popkultur liebt Parallelwelten: Das "Multiversum" ist als Setting in Filmen, Serien und Games extrem beliebt. "Rick and Morty" haben das Multiversum bereits vor zehn Jahren etabliert - bis heute eine der besten Zeichentrickserien aller Zeiten.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 14.08.2023

Rick and Morty | Bild: TNT Serie

Die Pilotfolge von "Rick and Morty" ist absurd: Eines Nachts kommt Rick Sanchez, ein älterer aber genialer Wissenschaftler, schwer alkoholisiert ins Kinderzimmer seines Enkelsohns Morty gestolpert. Er zerrt ihn aus dem Bett, nimmt ihn mit in sein Raumschiff und verrät: Die Welt ist verdorben, und darum hat er eine Neutronenbombe gebaut. Die soll alle Menschen bis auf Morty und seine Klassenkameradin Jessica auslöschen, denn in der neuen Welt sollen die beiden die neuen Adam und Eva sein.

Mit Anarchie zurück in die Zukunft

Im Zentrum der Zeichentrickserie, die vom amerikanischen TV-Sender Adult Swim produziert wird, stehen die verrückten Science-Fiction-Abenteuer des genialen Wissenschaftlers Rick und seines etwas dümmlichen Enkels Morty. Angefangen hatte alles mit einer Parodie auf "Zurück in die Zukunft", die Serien-Schöpfer Justin Roiland als schlecht animierten Mini-Cartoon ins Netz gestellt hatte, in der Hoffnung eine Unterlassungsklage der Universal-Studios zu provozieren.

Dr. Brown, "Doc" und Marty in der Kult-Trilogie "Zurück in die Zukunft", 1985-1990

Roiland gilt als Anarchist. Doch dann entdeckte Drehbuchautor Dan Harmon die Parodie und entwickelte zusammen mit Roiland ein Meisterwerk. Heute, zehn Jahre später, hat Rick and Morty auf der Plattform IMDb das beste Durchschnittsrating aller Animations- und SciFi-Serien, schneidet besser ab als Star Trek oder Firefly. Ein Grund dafür dürften die zahlreichen Parodien sein, in so gut wie jeder "Rick and Morty"-Folge wird ein großer Film- oder Serienerfolg der letzten Jahre aufs Korn genommen.

Zum Beispiel der Film "Inception", in dem Geheimagenten in die Träume anderer eindringen, um deren Handlungen vorab zu beeinflussen. In der Parodie erklärt Rick gegenüber Morty: "Das ist ein Gerät, das man sich ins Ohr steckt und dann kann man in fremde Träume eindringen. Heute Nacht brechen wir bei deinem Mathelehrer Mr. Goldenfold ein. Wir werden ihm die Idee einpflanzen, dir lauter Einsen in Mathe zu geben, und dann hast du mehr Zeit mir bei meinen Erfindungen zu helfen."

Was das Multiversum erzählt

Das größte Vermächtnis von "Rick and Morty" heute ist aber wohl die im Zentrum der Serie stehende Idee des Multiversums. Das funktioniert so: Bei "Rick And Morty" gibt es Parallelwelten, die nebeneinander existieren und zwischen denen die Figuren hin- und herspringen. Denn Rick hat eine "Portal Gun" erfunden, mit deren Hilfe er in andere Dimensionen reisen kann. Und in jeder dieser Dimensionen gibt es andere Ricks und Mortys.

Das eröffnet unzählige Möglichkeiten für neue Geschichten. Einmal zerstören Rick und Morty aus Dimension C 137 zum Beispiel die Erde. Also teleportieren sie sich in eine Dimension, in der ihre Alter-Egos während eines missglückten Experiment gestorben sind – und nehmen deren Plätze ein.

Rick Sanchez ist ein alter, exzentrischer, alkoholkranker Wissenschaftler. Eine Serie für die ganze Familie.

Zehn Jahre nach dem Start der Serie ist klar: "Rick and Morty" haben das Multiversum in den Mainstream gebracht, also die Idee aus der theoretischen Physik, dass es neben der echten Welt unendlich viele Paralleluniversen gibt. Klar, in ein paar Comics gab es das schon vorher – aber vielen war das Multiversum vor "Rick and Morty" eher kein Begriff.

Heute haben wir Dr. Strange im Multiverse of Madness, und Spiderman im Spiderverse. Und 2023 gewinnt mit "Everything Everywhere All At Once" ein Film den Oscar, der fast wie eine Realadaption von "Rick and Morty" und dem Multiversum wirkt. Und nicht nur Film, auch Wirtschaft und Politik sind im Multiverse-Fieber. Mark Zuckerbergs Metaverse zum Beispiel soll eine digitale Parallelwelt sein. Digitale Alter Egos in einer neuen Parallelwirklichkeit. Was die Serienschöpfer wohl dazu sagen würden?

Das Multiversum als Flucht?

Wenn es unendlich viele Realitäten gibt, welche Bedeutung hat das Handeln dann noch im Hier und Jetzt? Welche Rolle spielt der milliardenschwere Geldbeutel eines Mark Zuckerbergs für uns, wenn es irgendwo da draußen eine Realität geben könnte, in der Reichtum gerechter verteilt ist? Warum gegen Ausbeutung kämpfen, wenn die schöne, heile Parallelwelt nur einen Steinwurf entfernt ist. Das ist die Schattenseite des Multiversums, denn so unterhaltsam die anarchistische Idee von "Rick and Morty" im Fernsehen auch sein mag, wenn sie Realität ist, macht es am Ende wirklich keinen Unterschied mehr, ob ein betrunkener Wissenschaftler eine Neutronenbombe auf die Erde schmeißt - oder nicht.