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Women Of Color im Pop Wie sich migrantische Frauen ihren Platz im Musikgeschäft erkämpfen

2019 gibt es in der deutschen Popmusik mehr migrantische Frauen denn je. Rapperinnen wie Hava, Namika, Loredana, JuJu oder Shirin David waren alle auf Platz eins der deutschen Charts. Sich in einer von Frauenfeindlichkeit dominierten Musikbusiness als Frau mit Haltung durchzuboxen, ist nicht immer leicht.

Von: Malcolm Ohanwe

Stand: 17.12.2019 | Archiv

Hip Hop und Rap: Women of Colour im deutschen Musikgeschäft

Durch das Internet wird die deutsche Musikindustrie immer barrierefreier. Davon profitieren vor allem Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen. Und selbstverständlich Leute, die beides sind: Frau und migrantisch markiert. Wie zum Beispiel die deutschsprachige kosovarische Rapperin Loredana. Sie wurde durch kurze Instagram-Videos berühmt. Genau wie die Rapperin und Sängerin Hava, bürgerlich Dilara Hava Tunç. Oder die iranisch- und litauischstämmige Shirin David, die sich vor ihrer fulminanten Rap-Karriere erst als Youtuberin Reichweite aufgebaut hatte.

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SHIRIN DAVID - Gib ihm [Official Video] | Bild: Shirin David (via YouTube)

SHIRIN DAVID - Gib ihm [Official Video]

Minderheiten brauchen mittlerweile kaum mehr große Plattenfirmen, um sich eine Fan-Gemeinde aufzubauen und schaffen es regelmäßig bis an die Spitze der offiziellen deutschen Singles-Charts. Ebow, eine kurdische Deutschrapperin, die kürzlich mit dem Amadeu-Antonio-Preis für ihr Album „Kanak4 Life“ nominiert wurde, bestätigt diese These: „Natürlich ist es so, dass man sich Social Media aneignen und für sich arbeiten lassen kann. Man hat so diesen direkten Kontakt. Ich glaube, dass vieles was im Hip-Hop stattfindet und aus einer postmigrantischen Sicht kommt, nur bei den Majors angekommen ist, weil die Leute sich das erstmal selbst aufbauen konnten. Das ist erst durch Eigen-Initiative entstanden.“

Für die die Musikjournalistin und ehemalige Chefredakteurin des Splash! Mags Miriam Davoudvandi hat das auch mit den weiß-dominierten Strukturen der Major-Labels zu tun: „Die Hip-Hop-Labels, die es gibt, die nehmen halt kaum Frauen unter Vertrag. Es ist halt gut, dass man mittlerweile als Frau auch entscheiden kann ‚Ich fick auf Labels und brauch das gar nicht mehr!‘ Es gibt eine große Masse an Künstlerinnen, aber am Ende ist der A&R, der das entscheidet, ein weißer Dude.“

Zu viele weiße reiche Jungs im Rap(-Journalismus)?

Ebow

In ihrem Song „AMK“ singt Ebow, es gebe „zu viele weiße reiche Jungs“ im Rap und auch die Journalisten, mit denen Frauen of Color im Rap zu tun haben, seien mehrheitlich männlich, wohlsituiert, weiß und ohne Migrationshintergrund. Das führt in der Praxis zu so argen Situationen, dass Ebow für ihre nächste Platte sogar gänzlich auf weiße Journos verzichten möchte: „Ich hatte einen Talk und da hat der Moderator dreimal ‚Kanake‘ gesagt und seine Frage war basically ‚Darf ich zu dir Kanake sagen‘ und ich war so du hast es gerade drei Mal zu mir gesagt und danach hat er sich entschuldigt ‚Oh sorry wusste ich nicht‘ und dann hat er halt einfach das N-Wort gesagt, und so, ey was ist mit dir, das sollst du auch nicht sagen. Ich habe auch überlegt aufzustehen, aber man kann das ja auch nicht immer machen. Ich war da so geschockt. Ich glaube für mein nächstes Album will ich auch nicht mehr mit Leuten sprechen, die nicht BIPOC (Anmerkung der Redaktion: BIPOC steht für black, indigenous, and people of color, also nichtweiße Menschen) sind, weil ich will mich dem nicht mehr aussetzen.“

Preach

Die Schwarze Sängerin Preach kommt aus Hamburg, macht sex-positive Musik und singt in dem Song „Good Boy“ unter anderem explizit darüber wie sie oral befriedigt werden möchte oder thematisiert auf dem Song „Shit“ ihre Klitoris. Von weißen Musikjournalisten fühlt sie sich auch nicht unbedingt respektiert und verstanden: „(Viele von denen) würden gar nicht meine Musik bewerten, sondern nur als schwarzen Menschen, der Platz bekommen hat. Gerade aus dem Grund habe ich gar keinen Bock auf so ätzende Journalisten, die lässt man dann einfach aus.“ Der hohe Preis: Frau findet als Woman of Color dann auch tendenziell weniger statt in den Medien, wenn Frau nicht das Spiel mitspielt und sich solche Fragen nicht mehr stellen lassen will, oder nicht Musik machen möchte die weißen Männern bekommt.

 “Of Color” ist nicht gleich “of color”

Ein weiterer Punkt: „of color“ ist nicht gleich „of color“. Muslimisch gelesene, nicht-schwarze Menschen genießen Vorteile und Privilegien, die Schwarze nicht haben, so fasst es auch die schwarze Sängerin Mashanda gemeinsam mit dem schwarzen Rapper Jalil in dem Song „Blame It On The Pigment“ zusammen - zu Deutsch „Schieb es auf die Hautfarbe!“, da heißt es: “Ich wäre safe einer, der auch diese Millionen hätte, wenn ich türkische, arabische oder auch kurdische Wurzeln hätte, aber… Blame it on the pigment.”

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Blame it on the Pigment (feat. Jalil & Mortel) | Bild: MaShanda Faust - Topic (via YouTube)

Blame it on the Pigment (feat. Jalil & Mortel)

Davon kann auch Preach ein Lied singen: „Ich hab noch nie ein Konzert gespielt, bei dem ich nicht auf Englisch angesprochen wurde. Also wirklich noch nie und ich mache das seit drei Jahren und Natascha P, die vor mir auftritt – sie ist Kurdin, Jesidin, könnte auch international sein, aber sie wird auf Deutsch angesprochen. Für die kann ich einfach nicht Deutsch sein. Bei Natascha P sind die direkt am Start, aber ich muss mich erstmal beweisen. Ich hab das Gefühl, dass ich als Schwarze immer an der letzten Stelle bin.“ Wenn man sich die Solo-Karrieren der Mitglieder von SXTN anguckt, einer der erfolgreichsten Deutschrap-Gruppen der letzten Jahre, ist es auch die hellere JuJu, die zwei Nummer-Eins-Hits hat, während ihre Schwarze ebenso talentierte Kollegin Nura es noch zu keinem Top-Ten-Hit geschafft hat. Auch Ebow, die mit einem Schwarzen DJ-Kollektiv arbeitet, spürt, dass sie bevorzugt behandelt wird. Sie wägt regelmäßig mit ihren Kolleginnen ab, auf welchen Festivals sie sich als Frauen of Color wohlfühlen können.

Repräsentanz wirkt

Luna Simao

Die ebenfalls Schwarze Sängerin Luna Simao macht normalerweise christlich angehauchten R&B und hat sich dieses Jahr musikalisch zum ersten Mal mit ihrer Identität beschäftigt: „Bisher war meine Identität als Woman of Color in Deutschland kein Thema. Und ich fand es sehr krass, wie viele Leute (nach meinem Freestyle) auf mich zugekommen sind und sagten ‚Danke, dass du mir so aus der Seele sprichst!‘ und da habe ich gemerkt, dass da eine Notwendigkeit ist. Es gibt immer noch zu wenige, vor allem dark skin People of Color im deutschen Musikbiz.“

Die Deutsch-Kenianerin Leila Akinyi thematisiert genau deswegen ihr Schwarzsein oft in ihrer Musik um die „black community“ zu stärken und der „white community“ zu lehren. Eunique hat versucht mit einer afrozentrischen EP für genau solche Repräsentanz zu sorgen. Mit über 16 unterschiedlichen, wenn nur männlichen, Schwarzen Rappern: „Ich glaube, dass das wichtig ist für all die Jüngeren da draußen. Wir sind nicht alleine in Deutschland und ich freue mich, dass es so viele Rapperinnen in der Industrie gibt, dass man variieren kann. Je mehr Frauen mit verschiedenen Vibes auftreten, desto besser.“

Bainshe

Unabhängig von Herkunft haben Frauen (of Color) eine große Inspirationswirkung, wie die vietdeutsche Rapperin und Sängerin Bainshe erklärt. Ihr habe zwar ein anderer Vietdeutscher erst den Mut gegeben, zu rappen, aber auch die Schwarze Sängerin Lary hat sie dazu motiviert überhaupt auf Deutsch Musik zu machen. „TwoTee hat mir das Rappen beigebracht und er hat mich extrem gepusht. Weil er so an mich geglaubt hat, habe ich angefangen zu singen. Ich habe sehr viel Lary gehört, sie war eines meiner Idole in Deutschland. Es gibt auch Kehlani oder Abra, aber Lary hat mich inspiriert, Musik auf Deutsch zu machen.

Autor Malcolm Ohanwe und Aisha Vibes

Ähnlich optimistisch und versöhnlich betrachtet es auch die Rapperin Aisha Vibes: „Ich glaube schon, dass ich es schwerer haben werde als weiße Rapperinnen, aber es geht darum, was ich damit mache. Ich muss mich einfach nur beweisen mit dem, was ich kann.“

Women of Color: Die positive Attitüde und der Kampfgeist sind da. Ob sie im Jahr 2020 auch so viel verkaufen werden in Deutschland wie weiße, männliche Kollegahs – das kann nur die Zeit zeigen.

In dem Podcast Kanackische Welle von unserem Autor Malcolm Ohanwe und seinem Kollegen Marcel Aburakia wird sich knapp eine Stunde lang mit Women of Color in all ihren Facetten beschäftigt.


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