Beste Alben der Zehner Jahre "To Pimp A Butterfly" von Kendrick Lamar ist mit Abstand das beste Album des Jahrzehnts
In "To Pimp A Butterfly" blickt Kendrick Lamar zurück auf seine Wurzeln. Er hat alles erreicht, aber 400 Jahre Rassismus lassen einen auch auf den Gipfel des Erfolgs nicht los. Doch Kendrick Lamar setzt auf seinem Album zum Gegenangriff an - mit dem großen Kanon schwarzer Kultur.
Ich habe gestern “To Pimp A Butterfly” dreimal hintereinander gehört und es war das gleiche Gefühl wie im März 2015, als ich die Platte im Zündfunk vorstellen durfte: Euphorie, großes Staunen - und gleichzeitig das Gefühl kompletter Überforderung. Ich weißer Mensch kann dieses dichte, komplexe und überwältigende Konglomerat aus Rap, Jazz, Funk und Soul nicht fassen. Mir war damals schon klar, mit diesem Werk von Kendrick Lamar werden sich Studenten und Professoren an den US-Unis beschäftigen müssen. Sie werden versuchen es zu dechiffrieren, einzuordnen in die Black History und Culture. Und tatsächlich ist “To Pimp A Butterfly” 2017 als Standardwerk der afro-amerikanischen Kultur in die altehrwürdige Harvard-Bibliothek aufgenommen worden - und steht nun Seite an Seite mit Alben von Nas, Lauryn Hill und A Tribe Called Quest.
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Kendrick Lamar - Alright
„To Pimp A Butterfly“ ist Kendricks „Apocalypse Now“ - eine Reise tief hinein ins Herz seiner Finsternis. Und in die Finsternis der amerikanischen Gegenwart. Musikalisch verneigt sich Kendrick vor der Westcoast, vor P- und G-Funk. Klar: Er kommt ja aus Compton, der 100.000-Seelen-Vorhölle von L. A.. Aber wir spüren schon: die Stimmen in seinem Kopf überlappen sich, fahren Achterbahn. Das Leben eines Afroamerikaners im Jahr 2019: es ist schizophren.
Als Narrativ benutzt Kendrick auf “To Pimp A Butterfly” das leicht abgedroschene Bild der Raupe, die sich zum Schmetterling entpuppt. Aber Lamar zerrt das Bild aus dem Rahmen, gibt ihm mehrere Twists. Als junger Shark ist Kendrick Lamar von Compton fortgegangen, mit dem Debüt „Good Kid, M.A.A.D City“ kam der Durchbruch früh. Eigentlich ist er auf dem Weg, der amerikanische Traum in Sichtweite, die Schmetterlingsflügel schlagen schon, aber dann wird dieser junge Hustler von massiven Selbstzweifeln geplagt. „I know everything”, rappt er, “I know cars, clothes, hoes and money”. Autos, Geld und Frauen fliegen ihm nun zu, aber seine afroamerikanischen Freunde werden nach wie vor diskriminiert und auf den Straßen ermordet. Das macht die Sache mit dem Ruhm und der Liebe kompliziert.
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Kendrick Lamar - For Free?
Die Echokammer von 400 Jahren Diskriminierung, die Echokammer des afroamerikanischen Selbsthasses - sie arbeitet in Kendrick. 10 mal am Stück wiederholt er: “Dich zu lieben, Kendrick, ist so schwer!”
Wenn die inneren Dämonen dich quälen und dich die Rassismuserfahrung verzweifeln lässt, wie sollst du dich da achten? Auftritt: Gott - in “How much a dollar cost” kommt er in Gestalt eines bettelnden, Crack rauchenden Obdachlosen, der Kendrick um ein paar Dollar bittet. Und Kendrick mit seinem Mitgefühl ringen lässt. Oder “King Kunta” - der Song erzählt die Geschichte von Kunta Kinte, der sich im 18. Jahrhundert den rechten Fuß abgeschnitten hat, um sich aus seinen Fesseln zu befreien und der Sklaverei zu entkommen. Die Botschaft ist klar: Schwarze müssen sich bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln, verdrehen, verleugnen, um ein bisschen frei zu sein.
Der Geschichte des Rassismus stellt Kendrick Lamar den großen Kanon schwarzer Kultur entgegen. “To Pimp A Butterfly” ist ein riesiger, afroamerikanischer Geschichtsbogen. George Clinton kreuzt auf, der Jazz rollt, Snoop Dogg schaut vorbei, Pete Rock und die Isley Brothers singen im Background und im letzten Track, im 12 Minuten langen “Mortal Man”, spricht Kendrick dann über Bande mit Tupac. Dem großen, kämpferischen Tupac, der selbst mit 25 Jahren erschossen wurde.
“To Pimp A Butterfly” ist eine Reflexion in Sachen Rassismus, die auch den Kapitalismus nicht gut wegkommen lässt, aber Kendrick Lamar verfällt dabei nie in Hass und Wut, höchstens in Zynismus. Das Ausbrechen aus der zugedachten Opferrolle, Kultur, Musik und Glaube, sich die Herausforderungen bewusst machen - diese Themen haben Kendrick, Frank Ocean und Solange gemeinsam. Aber kein Album dieser Dekade will so viel. Und kann so viel. Eigentlich macht Kendrick den Fehler und überfrachtet “To Pimp Butterfly”, nur fühlt es sich nicht überfrachtet an, sondern genau richtig.
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Kendrick Lamar - King Kunta
Dieses Album ist so unglaublich komplex wie die Welt, in der schwarze Menschen leben - und das zeichnet es aus. Kanye West, der selbsternannte “Yeezus”, hat seinen Meister gefunden, es ist ein 32-jähriges Straßenkind aus Compton, L.A., der es mit “To Pimp A Butterfly” in die Bibliothek von Harvard geschafft hat – und in unsere Herzen und Hirne. Über diese Platte werden wir in 20 Jahren noch sprechen, so wie wir es heute ehrfürchtig über “What’s Going On” oder “Curtis” tun.