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Wege aus der Krankheit Therapieoptionen bei Essstörungen

Häufig wirken Essstörung und Persönlichkeit so sehr miteinander verwoben, dass es lediglich eine Frage des Willens zu sein scheint, wieder gesund zu werden. Die Realität sieht jedoch anders aus.

Von: Susanne Dietrich

Stand: 19.07.2021

Im Gemeinschaftsraum der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Zentrum für Essstörungen, an der Uniklinik in Dresden (Sachsen) hängen Zettel mit Zielen der Patienten wie "besser schmieren und portionieren und Zeit beim Essen einhalten". | Bild: picture-alliance/dpa

Menschen mit einer Essstörung versuchen oftmals eine Zeit lang, alleine einen Weg aus der Krankheit zu finden. Nicht selten dauert es daher eine ganze Weile, bis Betroffene sich Hilfe von außen suchen oder von ihrem Umfeld dazu angeregt werden, etwas zu unternehmen. Anlass dafür können unter anderem körperliche Beschwerden sein. Bei Magersucht und Bulimie befindet sich der Körper in einem Mangelzustand, der alle Organsysteme des Körpers nachhaltig schädigen kann.

"Der Körper hält diesen Mangelzustand leider relativ lange durch. Er kann aber auch sehr plötzlich den Dienst versagen – ohne große Vorankündigung – zum Beispiel in Form von Organversagen. Deswegen ist eine möglichst frühe Behandlung so wichtig."

Dr. Karin Lachenmeir

Klassische Psychotherapie

Da es für die Behandlung von Essstörungen keine geeigneten Medikamente gibt, ist eine Psychotherapie das erste Mittel der Wahl, als Einzel-, vor allem aber auch als Gruppentherapie. Therapiegruppen haben den Vorteil, dass die Betroffenen sich austauschen, spiegeln und gegenseitig auf ihrem Weg unterstützen können. In der Psychotherapie erarbeiten sie ein Erklärungsmodell für ihre Erkrankung und suchen individuell nach Lösungen.

"Die Essstörung ist für viele Patientinnen und Patienten ein Versuch, mit bestimmten Belastungen im Leben fertig zu werden. In der Therapie fragen sie sich: Wie schaffe ich das auch ohne Essstörung? Das ist manchmal herausfordernd, aber letztlich macht es sie viel freier und gibt ihrem Leben eine ganz andere Qualität."

Dr. Karin Lachenmeir

Vor allem bei minderjährigen Patientinnen und Patienten werden die Familien in die Therapie einbezogen. So können die Eltern den Genesungsprozess aktiv begleiten.Geschwister von Betroffenen sollten ermutig werden, ihr eigenes Leben so frei und unbeschwert wie möglich weiterzuleben.

Ernährungstherapie

Junge Menschen mit einer Essstörung müssen wieder lernen, sich gesund zu ernähren – das heißt: regelmäßig, ausreichend und ausgewogen. In der Ernährungstherapie geht es unter anderem darum, dass die gesamte Nahrungspalette zum Speiseplan gehören sollte, also hin und wieder auch Süßigkeiten oder Fastfood. Strikte Verbote vermeintlich ungesunder Nahrungsmittel sind für Betroffene nicht hilfreich.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, wenn sich Patientinnen und Patienten bei den Mahlzeiten an bestimmte Regeln halten – etwa während des Essens nicht aufzustehen, alles auf dem Teller aufzuessen und zum Essen nicht mehr als zwei Gläser Wasser zu trinken.

"Bei uns lernen Patientinnen und Patienten, die Portionsgröße anhand von Demo-Tellern mit dem Blick einzuschätzen. So bekommen sie ein Gefühl für die Menge, die sie brauchen, anstatt Kalorien zu zählen."

Dr. Karin Lachenmeir

Körpertherapie

In der Körpertherapie kommen beispielsweise Übungen vor dem Spiegel zum Einsatz, bei denen sich Betroffene selbst bewertungsfrei beschreiben sollen. Körperumriss-Zeichnungen helfen dabei, die eigenen Körper-Proportionen realistischer wahrzunehmen. Hier lernen junge Menschen mit einer Essstörung, ihren Körper wieder als Freund und Verbündeten zu erleben – nicht als Feind, den man bekämpfen oder kontrollieren muss.

"Wie kann ich den Körper wieder als Quelle positiver Gefühle entdecken, als einen Ort des Wohlbefindens? Ich kann in der Körpertherapie einen wertschätzenden Blick auf ihn entwickeln und mich fragen: Wofür bin ich meinem Körper dankbar?"

Dr. Karin Lachenmeir

Körpertherapie findet zumeist in der Gruppe statt. Hier üben Betroffene ein, ihren körperlichen Empfindungen wieder mehr zu vertrauen – und auch zu erspüren, wie viel Nähe und Distanz zu anderem Menschen ihnen gut tut.

Kunsttherapie & Ressourcenaufbau

Viele junge Patientinnen und Patienten mit einer Essstörung sind reflektiert und eloquent, haben aber Schwierigkeiten, ihre Gefühle wahrzunehmen und zu artikulieren. In der Kunsttherapie können sie ausdrücken, wofür ihnen die Worte fehlen – Aggression, Wut, Trauer, aber auch Freude oder Begeisterung.

Bei vielen Betroffenen prägt die Essstörung den gesamten Alltag. In der Therapie ist es deshalb wichtig, neue Aktivitäten zu finden, die das Leben angenehm und lebenswert machen, aber nichts mit Ernährung, Gesundheit oder Bewegung zu tun haben – beispielsweise Ausflüge in die Natur, Improvisationstheater, Ausstellungsbesuche oder Musik. Hier geht es vor allem darum, wieder mehr Freude und Leichtigkeit zu erleben.


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