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Regelmäßige Check-ups Wann sollte ich zum Hausarzt?

Check-ups beim Hausarzt dienen vor allem der Früherkennung solcher Krankheiten, die schon im Vor- oder Frühstadium gut zu diagnostizieren sind und eine Aussicht auf wirksame Behandlung erlauben. Im Zentrum steht die Früherkennung von Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenerkrankungen und Diabetes mellitus.

Von: Sabine März-Lerch

Stand: 19.03.2023 15:46 Uhr

Eine Hausärztin schaut ihrem Patienten mithilfe eines Zungenspatels in den Mund. | Bild: picture-alliance/dpa

Check-ups beim Hausarzt dienen vor allem der Früherkennung solcher Krankheiten, die schon im Vor- oder Frühstadium gut zu diagnostizieren sind und eine Aussicht auf wirksame Behandlung erlauben.

Experte

Prof. Dr. Jörg Schelling, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Ärztlicher Leiter einer Gemeinschaftspraxis, ehemaliger Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Klinikum der Universität München

Im Zentrum steht die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Diabetes mellitus. Das Angebot dazu ist die Gesundheitsuntersuchung GU 35, auch als Check-up 35 bekannt. Daneben finden in der hausärztlichen Praxis auch spezifischere Früherkennungs-Checks statt, wie z.B. das Hautkrebsscreening.

Für viele Maßnahmen zur Früherkennung ist es nicht notwendig, extra zum Facharzt zu gehen. Auch in der Hausarztpraxis sind bestimmte Tests möglich: z.B. Kinder- und Jugendlichen-Vorsorge, Hautkrebsscreening, Prostata-Krebs-Vorsorge und andere.

Zu beachten ist, dass sich die Angebote der Krankenkassen für Früherkennungsuntersuchungen nach Altersgrenzen oder Laborwerten unterscheiden können - je nachdem, ob ein Patient an einem Hausarztmodell im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) teilnimmt oder nicht. Auch unterscheiden sich die Angebote von Kasse zu Kasse – ein Vergleich ist für Patienten angesagt. Das Folgende bezieht sich auf den generellen allgemeinen Anspruch von gesetzlich Versicherten.

Auch Hausarztpraxen können Kinder und Jugendliche vorsorglich betreuen, wenn eine Erfahrung in Kinderheilkunde vorliegt. Vor allem, wenn in ländlichen Gegenden im näheren Umkreis keine Kinderarztpraxis besteht, ist dies hilfreich. Häufig aber steigen Hausärzte mit der Jugenduntersuchung J1 ein, weil sie am Übergang vom Kindes- ins Jugendalter steht und Jugendliche dann lieber nicht mehr im Wartezimmer eines Kinderarztes sitzen.

"Gegenüber den Untersuchungen bei Erwachsenen haben Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen vor allem das Ziel, neben Erkrankungen auch Entwicklungsverzögerungen oder -gefährdungen rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zur Frühbehandlung und Frühförderung einzuleiten."

Bundesgesundheitsministerium

Ebenso wie beim Hautarzt kann das Hautkrebsscreening beim Hausarzt erfolgen – gescreent wird vom Scheitel bis zur Sohle nach Veränderungen und Auffälligkeiten der Haut. Alle zwei Jahre und ab dem Alter von 35 haben Patienten und Patientinnen Anspruch auf diese Untersuchung.

Männer ab 45 Jahren können einmal jährlich die Tast-Untersuchung als Leistung des gesetzlichen Früherkennungsprogramms in Anspruch nehmen, Männer mit familiärer Vorbelastung ab dem 40. Lebensjahr. Hausärzte wie Urologen bieten an.

Zur Vorsorge in der Hausarztpraxis zählt auch die Beratung zur Darmkrebsvorsorge und zum Krebsvorsorgeprogramm grundsätzlich. Dazu gehört auch die Ausgabe des Stuhltests auf verborgenes Blut im Stuhl.

Seit 2017 können Hausärzte (neben Urologen, Internisten, Chirurgen und Radiologen) Männern im Alter ab 65 Jahren einmal im Leben eine Ultraschalluntersuchung auf ein Bauchaortenaneurysma (eine gefährliche Ausstülpung der Hauptschlagader) anbieten.

Was in der Hausarztpraxis den gesetzlich Versicherten als Check-up-Leistung angeboten werden kann, ist als grundsätzliche Leistung genau vorgeschrieben, nämlich Gespräch, Untersuchung und Beratung:

In einem ausführlichen Eingangs-Gespräch mit dem Patienten (Anamnese) geht es um seine Vorerkrankungen, um Krankheiten von Familienmitgliedern, um mögliche aktuelle Beschwerden und seine Lebenssituation. Größe, Gewicht und Impfstatus sind genauso Thema wie Stressbelastung, sportliche Aktivität oder Trinkgewohnheiten.

Eingehende Untersuchung

Die anschließende eingehende Untersuchung besteht aus verschiedenen Elementen:

  • vollständige körperliche Untersuchung (Ganzkörperstatus) –          Augenmerk auf Herz, Lunge, Kopf, Hals, Bauch, Wirbelsäule, Bewegungsapparat, Nervensystem und Sinnesorganen
  • Blutuntersuchungen (Gesamtcholesterin und Blutzuckerwerte) – Augenmerk z.B. auf Diabetes und auf Schlaganfall
  • Urinuntersuchungen (Eiweiß, Glukose, rote und weiße Blutkörperchen, Nitrit) – Augenmerk auf Nieren- und Blasenerkrankungen
  • Blutdruckmessungen – Augenmerk auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Neu seit 2021: Screening auf Hepatitis B und C (jedoch nur einmal)

Abschließende Beratung

In der abschließenden Beratung informieren Arzt und Ärztin die Patienten über deren individuelles Risikoprofil, über eventuelle weitergehende Untersuchungen oder Lebensstiländerungen.

"Das Screening auf Hepatitis B und C macht Sinn und hilft verborgene Infektionen aufzudecken und schneller zu behandeln. Allerdings muss vorher der Impfstatus geklärt werden: Wer schon gegen Hepatitis B geimpft ist, muss nicht gescreent werden. Diese Leistungen sind außerdem nur einmal im Leben vorgesehen. Patientinnen und Patienten können und dürfen hier auch direkt nachfragen wann dieser Bluttest in der Praxis geplant ist."

Prof. Jörg Schelling

Seit 2017 kann der Arzt oder die Ärztin auch eine Präventionsempfehlung auf der Grundlage der GU abgeben. Eine ärztliche Bescheinigung dazu soll es den Patienten leichter machen, entsprechende Präventionsmaßnahmen bei den Krankenkassen zu beantragen.

Weitergehende Blutuntersuchungen oder gar technische Untersuchungen sind von den Krankenkassen nicht vorgesehen. Viele Hausärzte aber raten zu Zusatzleistungen – welche sind sinnvoll?

Ultraschall des Bauchs

"Für mich wäre es in jedem Fall sinnvoll, das bisher mögliche Basis-Screening zu erweitern z.B. um eine Ultraschall-Untersuchung des Bauchs. Eine Ultraschall-Untersuchung bringt keine Strahlenbelastung, und liefert in der Hand des geübten Untersuchers extrem viele Informationen, da alle Oberbauch- und Unterbauchorgane einmal durchgeschaut werden. Das ist eine schnelle und gute Zusatzuntersuchung."

Prof. Jörg Schelling

EKG

Nur, wenn sich bei der Gesundheitsuntersuchung ein begründeter Verdacht z.B. auf Herzrhythmusstörungen ergibt, kann ein EKG im Normalfall als Leistung der GU angeordnet werden.

"Sinnvoll aber wäre es als Standard zur allgemeinen Beurteilung der Herz-Kreislauf-Situation."

Prof. Jörg Schelling

Auf Leber und Nieren

"Sehr gut wären auf alle Fälle auch weitere Blutwerte - z.B. der Schilddrüsen-, Nieren- oder Leberwert. In vielen vielen Fällen wären die Leberwerte sinnvoll mitzumachen, die Kosten sind sehr gering, und man hat mit zwei, drei Werten einen guten Eindruck: Läuft die Leber rund oder nicht?"

Prof. Dr. Jörg Schelling

Auch das Kreatinin als Nierenwert hält Prof. Schelling für wichtig, weil damit die Nierenfunktion klar definiert ist.

"Und ein ganz normales Blutbild – also rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen. Das ist auch eine sehr günstige Untersuchung, kostet ein oder zwei Euro und liefert doch Wissen darüber, hat man da Verschiebungen - eventuell zu viel weiße Blutkörperchen oder zu wenig Blutplättchen … Das brächte einen deutlichen Mehrwert in der Vorsorgeuntersuchung."

Prof. Jörg Schelling

Argument für die Einführung einer bestimmten Leistung in den Angebotskatalog des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die wissenschaftliche Evidenz ihrer Wirkung. Grundsätzlich sind die Leistungen im Rahmen des Check-up auf die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Angebote beschränkt. Hat der behandelnde Arzt im Rahmen des Check-ups einen begründeten Verdacht, kann er weitere Laborwerte anfordern, die dann von der Kasse über das grundsätzliche Angebot hinaus übernommen werden.

Sind Patienten im sogenannten Hausarztmodell (hausarztzentrierte Versorgung, HzV) eingeschrieben, können bei der "Gesundheitsuntersuchung GU 35" deutlich mehr Laborwerte angefordert werden. Auch ermöglichen manche Kassen in diesem Rahmen eine GU bereits ab dem Alter von 18 Jahren. Bei der HzV verpflichtet sich der Kassenpatient, bei jedem medizinischen Anliegen als erstes den Hausarzt aufzusuchen. Dieser fungiert dann als Lotse für weitere Untersuchungs- und Behandlungsschritte. So sollen Kosten durch Mehrfachuntersuchungen und -behandlungen, sowie Wechselwirkungen von Medikamenten und Interpretationsfehler vermieden werden.

Das gleiche trifft zu für EKG und Ultraschall des Oberbauchs: Bei begründetem Verdacht kann die Leistung im Rahmen der GU von der Krankenkasse übernommen werden. Patienten im Hausarztmodell haben teilweise Anspruch auf diese Leistungen.

Patienten, die nicht an dieser sogenannten hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen, können zusätzliche Laboruntersuchungen im Rahmen der sogenannten Individuellen Gesundheits-Leistungen (IGeL) selbst zukaufen und selbst bezahlen.

"Wenn der Patient ganz gesund ist und kommt und sagt mir geht’s eigentlich super, ich will mich nur durchchecken lassen. Aber ich will z.B. nicht nur wissen, wie ist mein Cholesterin und Blutzucker, ich will auch wissen wie geht’s meiner Leber, weil ich ab und zu ein Bierchen trinke, das möchte ich einfach wissen… Dann haben Sie ja auch keinen Krankheitshintergrund, können diese Leistung nicht begründen, das sind dann Selbstzahlerleistungen."

Prof. Jörg Schelling

"Evidenz wäre ja, dass wir, wenn wir bei jedem ein Blutbild machen, dann mehr Blutkrebs oder mehr andere Krankheiten finden - das ist natürlich nicht der Fall. Natürlich hilft das nichts, über ganz Deutschland das Blutbild auszuschütten, damit würden wir nicht gesünder werden."

Prof. Jörg Schelling

Aus Hausärzte-Sicht gehe es allerdings um den einzelnen Menschen, der vor einem sitze, so Prof. Schelling.

"Und für den sind zwei Euro ein Klacks, um am Ende doch noch mehr Sicherheit zu haben. Und da sehe ich mich jetzt nicht als Vertreter der Epidemiologie und der Statistik und der Krankenkassenbedürfnisse, sondern des einzelnen Patienten! Und dann später zu sagen, wir haben uns damals zwei Euro gespart wg. des Blutbilds, und jetzt hab' ich eine Leukämie, die hätten wir letztes Jahr schon feststellen können anhand eines Blutbilds, das ist ja natürlich eine Horror-Vorstellung jedes Hausarztes"

. Prof. Jörg Schelling

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) sind Leistungen, die Patienten grundsätzlich selbst bezahlen müssen, weil sie nicht zum festgeschriebenen Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherungen gehören. Sei es, weil sie z.B. nicht in ein Früherkennungs-Modell übernommen wurden, sei es, weil ihre Wirksamkeit nicht belegt ist.

Was ist medizinisch im Einzelfall sinnvoll, was nicht? IGeL-Leistungen sind ein umstrittenes Thema. Dennoch gibt es für Prof. Schelling im Bereich der Früherkennung sehr sinnvolle IGeL-Leistungen, die zur Ergänzung empfohlen werden können und sollten.

"Es gibt gute Bewertungsportale, wo man nachschauen kann, ob eine Zusatzleistung wissenschaftliche Evidenz hat oder nicht, z.B. den 'IGel-Monitor'. Auch muss man sagen, dass Hausärzte sicher nicht Weltmeister sind im Abrechnen von Individuellen Gesundheitsleistungen. Es muss einen Ort geben in der Versorgung, wo der Patient nicht, wenn er zur Tür reinkommt, einen Zettel bekommt, dass er zusätzlich zahlen muss. Das sind so viele Leute, die mir als ihrem Hausarzt erzählen, sie gehen zu diesem und jenen Facharzt, wo es so läuft. Das ist zutiefst frustrierend und demontiert die ganze Ärzteschaft und sorgt für Misstrauen, weil die Menschen das Gefühl haben, sie kriegen nur noch eine gute Leistung, wenn sie draufzahlen."

Prof. Jörg Schelling

"Es gilt ja bei der Gesundheitsuntersuchung das Prinzip 'one fits all': Die GU wird letztendlich über alle darübergestülpt, jeder kriegt das gleiche. Das ist einer meiner Hauptkritikpunkte. Dabei kenne ich als Hausarzt meine Patienten und könnte den Vorsorgebedarf einschätzen. Die individuelle Beurteilung dann ist aber natürlich wieder Aufgabe des Hausarztes. Mit zunehmendem Alter interessiert die Patienten sowieso immer mehr der Austausch mit dem Hausarzt und weniger die diagnostische Maßnahme."

Prof. Jörg Schelling

Mit dem Argument, Krankenhauseinweisungen, Krankschreibungen und Überweisungen an Fachärzte würden durch die Teilnahme an regelmäßigen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, nicht reduziert, kritisiert z.B. eine Studie des dänischen "Nordic Cochrane Centre" aus dem Jahr 2014 den Sinn von Check-ups ganz allgemein – die Krebsvorsorge ausgenommen. Auch deutsche Kritiker des Gesundheitswesens zweifeln am Nutzen von Früherkennung und Vorsorge generell.

"Ich halte dagegen aus meiner Erfahrung als Hausarzt: Was ich an der Kritik kritisiere, ist, dass sie primär auf epidemiologischen Daten und auf Beobachtung der Gesamtbevölkerung basiert. Da muss ich soundso viele Leute screenen, die Leute werden unruhig gemacht, und dann kriege ich nur zwei raus, denen ich helfen kann. Das ist aus epidemiologischer Sicht nachvollziehbar und alles richtig. Ich aber sitze in der Praxis in einem Raum mit dem Patienten und muss überlegen, was ist jetzt das Beste für sie oder ihn. Epidemiologie hat mit Individualmedizin nichts zu tun. Der einzelne Mensch, der eine Vorsorgeleistung nicht in Anspruch nimmt, weil irgendjemand sagt, das ist nicht haltbar, weil es keine tolle Statistik gibt dafür – wenn dieser einzelne Mensch am Ende die Erkrankung hat, und man hat eine bestimmte Untersuchung nicht gemacht, da hilft es mir als HA gar nichts, wenn ich ihm sage, ach sie sind halt der eine, der durchgerutscht ist in der Statistik. Ich fühle mich meinen Patienten verpflichtet und da werde ich tendenziell immer mehr machen sowohl diagnostisch-therapeutisch als auch in der Vorsorge als vielleicht vorgeben ist. Denn ich möchte auch, dass die Patienten, die ich betreue, wenn sie krank werden, es so rechtzeitig erfahren, dass sie entweder behandelt und geheilt werden können oder zumindest noch Zeit haben, ihr Leben zu organisieren und zu ordnen und abzuschließen."

Prof. Jörg Schelling

Im Alter zwischen 18 und 35 Jahren kann die Gesundheitsuntersuchung einmalig in Anspruch genommen werden.

"Ich sehe das mit verhaltener Begeisterung, da jemand, der unter 35 ist, entweder eh schon eine chronische Krankheit hat und damit eh selber in die Praxis kommt. Und der Rest der sogenannten Zielgruppe kommt im Regelfall gar nicht und meistens sind keine relevanten medizinischen Befunde zu erheben. Das ist schon ein bisschen Augenwischerei, das muss man in aller Deutlichkeit sagen."

Prof. Jörg Schelling

Ab einem Alter von 35 Jahren ist die Gesundheitsuntersuchung alle drei Jahre möglich, im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) auch alle zwei Jahre.

"Das mit den drei Jahren ist - ganz offen - katastrophal. Wenn ein 35-Jähriger das nächste Mal mit 38 Jahren kommt, das mag ja ok sein, aber ein 75-Jähriger, wenn der das nächste Mal erst in drei Jahren kommt, da schaut das schon anders aus."

Prof. Jörg Schelling

Weitere Laborwerte können erhoben werden, eine Impfberatung kommt dazu.

"Erweiterte Blutwerte, das ist ja so erst mal nicht schlecht, läuft aber hinter der Realität her, weil die im sogenannten Hausarztmodell schon drin waren, das ist kein großer Wurf zu sagen, machen wir ein bisschen mehr Labor. Außerdem ist es nichts anderes als die Aufspaltung von Cholesterin in seine Untergruppen – meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Zur Impfberatung: Ich denke, die Politik hat keine Lösung, wie sie mit der Impfverdrossenheit umgehen kann und da klingt es politisch schön, bei der GU würde auch über Impfung gesprochen. Da muss man sagen, 'Impfberatung' war immer schon Teil der GU, war immer schon Teil jeder verantwortungsvollen Vorsorge."

Prof. Jörg Schelling

Auch auf Risikofaktoren für onkologische Erkrankungen soll im eingehenden Gespräch Bezug genommen werden und auf das Angebot von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen hingewiesen werden.
Und: Die Beratung erhält ein stärkeres Gewicht.

Früherkennung, Vorsorge und Prävention sind wichtig. Sie sind wichtig, um Krankheiten vorzubeugen oder sie rechtzeitig behandeln zu können. Ein Garant für Gesundheit sind sie jedoch nicht.  
Mit dem Schlagwort "Gesundheits-Check: Sicherheit ab 35" wird mancherorts für Vorsorge geworben. Doch darf es dabei bleiben?

"Keine Vorsorge bringt 100 Prozent Sicherheit, wir decken ja nur einen Bruchteil der Krankheiten ab. Ein Beispiel: Lunge und Bauchspeicheldrüse haben mit der Vorsorge nichts zu tun. Und man muss dem Patienten schon sagen, dass auch die GU 35 kein 'gründlicher' Check ist im Sinne eines Gesundheits-TÜV, nach dem man sich sicher fühlen kann."

Prof. Jörg Schelling

Jeder gesetzlich Versicherte hat (im entsprechenden Alter) einen Anspruch auf die Gesundheitsuntersuchung. Die Teilnahme an diesem kostenlosen Vorsorgeprogramm der gesetzlichen Krankenkassen ist freiwillig. Aber:

"Nur gut ein Drittel der Versicherten nimmt den Anspruch wahr. Gehen wir pfleglicher mit unserem Auto um als mit unserer Gesundheit?"

Prof. Jörg Schelling

"Es sind immer eher die Frauen, die kommen. Weil Frauen eine bessere Selbstwahrnehmung haben, weil sie in der Familie für die Gesundheit zuständig und auch über ihre Kinder mehr im Vorsorgerhythmus drin sind. Das Selbstverständnis einer Frau für ihren Körper ist einfach aufmerksamer, kritischer. Es ist ein Klischee, aber auch statistisch wahr: Männer haben keine Zeit, keine Lust, wollen ihr Image als ‚ganzer Kerl‘ aufrechterhalten. Das sind so weiche Faktoren. Ich höre viel öfter, dass ein Mann kommt und sagt seine Frau habe ihn motiviert, als dass eine Frau sagt, ihr Mann habe sie geschickt." Prof. Jörg Schelling

Wer regelmäßig an Früherkennungsmaßnahmen wie der Gesundheitsuntersuchung 35 teilnimmt, darf nicht übersehen, dass er für Vorsorge und Prävention selbst verantwortlich ist. Die Ganzkörperuntersuchung bei der Früherkennung ersetzt nicht die Ertüchtigung des Körpers z.B. durch Sport als Vorsorge und Prävention. Kein Mensch hat einen "Rechtsanspruch" auf Gesundheit, kein Arzt kann eine hundertprozentige Vorhersage treffen, niemand kann Sicherheit für ein gesundes Altern garantieren – auch nicht mit regelmäßigen Check-ups. Aber es gibt ein menschliches Bedürfnis nach Sicherheit. Mit dem andere wiederum spielen:  

"Das treibt grauenvolle Stilblüten: z.B. Ganzkörper-MRTs wie bei Raumschiff Enterprise - einmal hinlegen und komplett durchscannen lassen. Oder z. B. Herz-Computertomographien ohne Indikation, da gibt es furchtbare Dinge, das sind hunderte von Röntgenbildern, die durch die Leute durchgeballert werden ohne Grund. Und dann kommt noch der ganze große Bereich der Altersmedizin, wo den Patienten dann Hormonpräparate und Vitalisierungsstoffe um die Ohren gehauen werden, damit sie versuchen können, den Alterungsprozess aufzuhalten, und natürlich den Leuten der letzte Mist verkauft wird."

Prof. Jörg Schelling

Große Radiologie-Praxen in großen Städten bieten ihren Kunden unter dem Motto "Nutzen Sie die modernen Möglichkeiten der individuellen Früherkennung!" die Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT) an. Das Argument: die MRT leiste eine sorgfältige Früherkennungsuntersuchung des ganzen Körpers. Ergänzend wird eine Ganzkörper-MR-Angiographie angeboten, die mittels Kontrastmittel die Darstellung der Arterien ermöglicht. Warum also beim Hausarzt nur an der GU 35 teilnehmen und z.B. den Cholesterinwert bestimmen lassen, wenn man dort auch gleich den ganzen Körper checken kann?

"Ich möchte hier eine Lanze für die allgemeinärztliche Hausarztpraxis brechen: Was aus meiner Sicht die Sicherheit ausmacht ist die Bindung an eine Hausarztpraxis: Wenn man über viele Jahre immer wieder, und wenn es auch nur für ein paar Minuten ist, einen Menschen trifft, der einen auch fachkundig berät und einen beurteilt, dann ist das schon ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor, den man nicht unterschätzen darf, die kontinuierliche Arzt-Patienten-Beziehung ist da also ein ganz entscheidender Faktor. Weil unabhängig von der GU gibt es ja davor und danach Termine wegen Schnupfen…, wegen Bauchschmerzen…, wegen Krankmeldung oder was auch immer – an all diesen Terminen gibt es ja die Chance zu fragen. Das heißt für mich: Ein kontinuierliches Arzt-Patienten-Verhältnis, ein vernünftiges Selbstverhalten, Selbstuntersuchungen, Partneruntersuchungen und überhaupt das Wahrnehmen der Vorsorge ist die größtmögliche Sicherheit, die man haben kann. Nichts ist sicher im Leben, mehr Sicherheit können wir nicht bieten."

Prof. Dr. Jörg Schelling

"Selbstvorsorge ist sehr wichtig. Dazu gehört auch das ganze große Thema der Selbstuntersuchung: ob das das Abtasten der Brust oder der Hoden ist, oder beim Partner und der Partnerin die Haut anzuschauen. Der Patient sollte ein gesundes Leben führen, Rauchen ist immer noch eins der größten Probleme. Man kann nicht sagen, ich geh wohin, jemand schaut mich an und dann ist alles erledigt. Es ist ja nur ein Tag im Jahr, nur ein Tag im Leben."

Prof. Dr. Jörg Schelling