Die Krankheit, die Symptome Was eine psychische Erkrankung für die Familie bedeutet
Was bedeutet es für die Familie, wenn ein Mitglied psychisch krank wird? Was gibt Halt, was können die Familienmitglieder tun - auch für sich?
Zunächst lässt sich festhalten, dass das Verständnis für eine psychische Krise in der Familie in der Regel größer ist als im weiteren Freundes- oder Bekanntenkreis. Eltern, Ehepartner, Kinder, Geschwister wollen, dass es dem Betroffenen bessergeht und fragen, wie sie ihn entlasten können oder ihm helfen können. Bei einer kurzfristigen Krankheit oder Krise wie etwa Liebeskummer funktioniert das gut. Zuwendung hilft dann, so wie ein warmer Tee und Kümmern bei einer Erkältung guttut.
Wenn Helfer die Kraft verlieren
Schwieriger wird es bei einer langwierigen psychischen Krankheit, weil dann die Gefahr droht, dass Angehörige ihr 'Pulver verschießen', also ihre ganze Kraft aufwenden, bis sie selbst Hilfe brauchen.
"Aus Helfern können erschöpfte Helfer oder sogar Feinde werden."
Prof. Reinhart Schüppel
Wenn ein Angehöriger beispielsweise eine schwere Depression hat, belastet das die ganze Familie. Die Familienmitglieder haben irgendwann das Gefühl, dass sie ständig zurückstecken, dass sie alles auffangen. Außerdem fehlt oft die Kraft für schöne gemeinsame Erlebnisse – ob es nun um einen Brettspielabend oder ein entspanntes Mittagessen zusammengeht. Das belastet das Familiensystem zusätzlich und setzt eine Abwärtsspirale in Gang. Aus gut gemeinten Ratschlägen und Hilfsangeboten können dann Kritik, Zurückweisung und Vorwürfe werden – weil Angehörige beispielsweise das 'Gejammer' nicht mehr hören können oder weil sie den Alltag weitgehend allein stemmen, während der Partner nicht aus dem Bett kommt. Hier stellt sich dann irgendwann vielleicht sogar die Frage, wie man überhaupt noch in einen guten Kontakt kommen kann, wenn bereits viele Vorwürfe und viel Streit in der Familie ist.
Parentifizierung: Wenn Kinder in Elternrollen schlüpfen
Kinder psychisch kranker Eltern übernehmen oft Verantwortung, die sie nicht tragen sollten: Sie bringen kleinere Geschwister in den Kindergarten, wenn die Mutter es nicht aus dem Bett schafft, sie räumen Flaschen weg, die ein Elternteil oder beide stehen lassen und sie sorgen dafür, dass der Familienalltag läuft. Damit geben sie einen Teil ihrer Kindheit ab. In der Fachsprache nennt man das Parentifizierung. Das sollte unbedingt vermieden werden. Kinder sollten Unsinn machen dürfen und auch mal unvernünftig sein – eben Kind sein dürfen.
Co-Abhängigkeit: Wenn Angehörige das Problem nicht sehen (wollen)
Bekannt ist vor allem bei Suchterkrankungen die sogenannte Co-Abhängigkeit. Damit ist gemeint, dass Angehörige das Problem nicht sehen wollen oder können oder bagatellisieren. Hier kann eine Ich-Botschaft nach dem Motto 'Ich halte das nicht mehr aus' durchaus helfen, weil die Situation dann ehrlich angesprochen wird und damit erst die Möglichkeit entstehen kann, dass externe Hilfe ins Boot geholt wird.