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Die Therapie, die Intervention Was Familien bei einer psychischen Erkrankung hilft

Wenn ein Familienmitglied eine psychische Krankheit hat, braucht es externe Helfer, Profis und eine neue Strategie.

Von: Veronika Wawatschek

Stand: 17.12.2019

Symbolbild | Bild: BR

Dazu gehört zum einen, das Problem, die Krankheit und die Begleitumstände ehrlich anzusprechen – kein leichtes Unterfangen. Schließlich sind psychische Krankheiten noch immer sehr schambesetzt. Bei den Betroffenen bleibt das Gefühl: Wir haben versagt, wir kriegen das nicht hin und deshalb trinkt die Mutter, deshalb ist das Kind so ein Zappelphilipp oder isst so schlecht. Es bleibt der Eindruck, würde die Familie es nur richtigmachen, nur richtig funktionieren, so gäbe es auch die Auffälligkeiten nicht.

Die Krankheit akzeptieren: die Schuldfrage sein lassen

Dabei ist der erste Schritt zu akzeptieren: der Elternteil oder das Kind verhält sich nicht so, weil jemand schuld ist, sondern weil es eine Krankheit hat. Das Verhalten ist Teil der Krankheit. Helfen kann hier das Gespräch auf neutralem Boden, bei einem professionellen Therapeuten, der Wissen über die Krankheit vermittelt und dadurch alle Familienmitglieder entlasten kann. Sie verstehen dann, dass sie nichts für die momentane Situation können und sie können vielleicht sogar gelassener mit der Tatsache umgehen, dass Veränderungen Zeit brauchen und nicht alles sofort klappt.

Ressourcen aktivieren: sich selbst und die ganze Familie nicht vergessen

Wichtig ist für Angehörige, dass sie ihr eigenes Leben nicht vergessen. Dazu gehört auch, dass sie dem Betroffenen dosiert wieder etwas zutrauen, ihn also nicht in der Rolle des hilflosen Wesens belassen, sondern ihm auch wieder etwas abverlangen: Das betroffene Kind soll wieder lernen, am Schulalltag teilzunehmen und der betroffene Erwachsene kann wieder Tätigkeiten im Alltag übernehmen.

Außerdem hilft es, die Negativschleife zu durchbrechen, indem positive Erfahrungen geschaffen werden: ein schöner Ausflug als Familie, ein netter Spieleabend, ein gutes Gespräch – Begegnungen also, bei denen wieder klar wird, was man an der Familie hat und warum es gut ist, sie weiterhin zu haben und zu pflegen. Es kann auch helfen, sich zu überlegen, was die Familie ausmacht, wer dazu gehört und wofür diese Familie steht. Das kann auch bedeuten, alle Familienmitglieder ihrem Alter entsprechend miteinzubeziehen.

"Ein dreijähriges Kind kann noch nicht entscheiden, ob man nach Italien oder Griechenland in den Urlaub fährt. Es kann aber mitbestimmen, welches Kuscheltier eingepackt wird und wann eine Pause gemacht wird."

Prof. Reinhart Schüppel

Wenn alle leiden: Therapie für die ganze Familie

Manchmal ist es notwendig, dass sich die ganze Familie nicht nur zu einem klärenden Gespräch beim Therapeuten einfindet, sondern vielleicht sogar ein paar Mal gemeinsam zusammenkommt. Als klassisches Beispiel für eine systemische Familientherapie wird in der Regel der Fall einer Tochter mit Essstörung beschrieben. In der Therapie stellt sich aber dann heraus, dass die Tochter nur das Symptom für eine Familienkrankheit ist, dass die Eltern vielleicht schon seit langem nur schlecht als recht kommunizieren, dass finanzielle Sorgen die Familie zusätzlich belasten und sich der Bruder immer mehr zurückzieht. Ähnlich verhält es sich auch beim sogenannten transgenerationalen Trauma, das erst dadurch gelöst werden kann, wenn klar ist, welche unbewussten Aufträge von Generation zu Generation weitergegeben werden: Vielleicht hat der Enkel Albträume, weil der Vater die Ängste, die er aus seiner Kindheit nicht verarbeitet hat und die er wiederum von seinem Vater übernommen hat, der im Krieg war, an sein Kind weitergibt. Solche Familienverquickungen lassen sich in der Regel in einer Therapie auflösen. 

Familie kann also risikobehaftet sein. Man kann sich über nervige Mitglieder ärgern. Vielleicht löst bereits der Gedanke an die Weihnachtsstage eine Panikrektion hervor. Aber an Weihnachten lassen sich vielleicht ein paar dieser Schwierigkeiten in dieser besonderen Atmosphäre besprechen. Denn insgesamt lässt sich nämlich festhalten: Je mehr soziale Beziehungen ein Mensch hat, desto gesünder ist er in der Regel auch. 

Hilfe zur Selbsthilfe

Selbsthilfegruppen können eine gute erste Anlaufstelle für Betroffene sein. Der bundesweit agierende Verein Seelenerbe e.V. beispielsweise bietet mittlerweile erwachsenen Kindern, die mit einem oder sogar zwei psychisch kranken Elternteilen aufgewachsen sind, die Möglichkeit in Kontakt zu treten. Der Verein befasst sich mit vielen Problematiken zur Thematik psychische Erkrankungen, wie auch zum Beispiel rechtlichen Fragen oder auch Prävention für Kinder, deren Eltern(teil) psychisch krank ist.


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