Surround Der Konzertsaal im Wohnzimmer
Wolfram Graul, Cheftonmeister des BR, erklärt Ihnen, wie im Wohnzimmer ein Hörerlebnis wie im Konzertsaal entsteht.
Die altbekannte stereofonische Wiedergabe gibt Klangereignisse auf zwei Kanälen wieder. Das Klangereignis wird auf der "Basis" zwischen den beiden Lautsprechern dargestellt. Es handelt sich also um eine zweidimensionale horizontale Ebene, die neben der Aufteilung zwischen links und rechts auch eine Tiefenstaffelung zum Beispiel für die Holz- und Blechbläser im Orchester ermöglicht. Die räumliche Ausdehnung des Schallereignisses bleibt von links nach rechts und von der Linie zwischen den beiden Lautsprechern auf eine virtuelle Ebene nach hinten beschränkt.
Mehrkanal-Wiedergabe
Im Unterschied dazu erklingt bei mehrkanaliger Wiedergabe (5.1) die Musik aus fünf Lautsprechern plus einem Subwoofer für spezielle Klangeffekte. Diesen Effektkanal nennt man LFE (low frequenzy effect channel). Zwischen den "normalen" Stereolautsprechern ist ein Centerlautsprecher in der Mitte angeordnet, hinter dem Hörerplatz stehen noch zwei weitere Lautsprecher für Klanginformationen von hinten zur Verfügung. Dies eröffnet gleichermaßen Wege für ein neues Klangerlebnis zu Hause als auch für eine neue Ästhetik für die Aufnahme selbst. Neu ist hierbei zunächst, dass Raumanteile, also Reflektionen aus dem Saal, von den hinteren Lautsprechern wiedergegeben werden können. Dadurch erlebt der Hörer die Musik gleichsam wie auf einem guten Platz im Konzertsaal, der Hörer wird vom Klang komplett eingehüllt. Die stereofone Wiedergabe erlaubt im Gegensatz dazu nur ein Schallerereignis auf der Ebene zwischen den Lautsprechern abzubilden, der Hörer bleibt akustisch also in seinem Wohnzimmer.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei ästhetische Verfahren. Die zusätzlichen Kanäle können für die Abbildung eines Raumes genutzt werden, die Hauptinformation kommt nach wie vor von vorne, Effekte und Raumanteilige werden auf die rückwärtigen Lautsprecher gelegt. Der Hörer wird in den Raum der Aufnahme versetzt. Im Gegensatz dazu lassen sich die fünf Lautsprecher aber auch gleichberechtigt für die Wiedergabe nutzen. Hier entstehen neue kreative Möglichkeiten, der Hörer kann dadurch in die Mitte des Schallereignisses "gesetzt" werden.
Wie im Konzertsaal
Zu diesem enormen Gewinn für eine "konzertgetreue" Wiedergabe von Musik in guten Konzertsälen eröffnen sich Möglichkeiten, besondere Anforderungen der Komponisten zu verwirklichen. Wenn Bach im Weihnachtsoratorium eine Echoarie schreibt, gibt es nun die Möglichkeit Echos tatsächlich von hinten oder von der Seite kommen zu lassen. Oft wird von Komponisten eine Fernwirkung einzelner Instrumente oder von Instrumentengruppen (z.B. die Banda in der italienischen Opernliteratur, Ferntrompeten beispielsweise bei Beethoven oder Mahler) gefordert. Hier gibt es nun endlich die Möglichkeit, solche vom Komponisten gewünschte Klangeffekte ortsrichtig und plastisch umzusetzen.
In den letzten Jahren schreiben Komponisten immer häufiger Werke, die in besonderer Form den Raum einbeziehen. Musiker oder Sänger werden im Konzertssaal oder in der Oper neben, hinter oder im Publikum positioniert. Das erfordert nachgerade eine Aufnahmetechnik, welche die Möglichkeiten der mehrkanaligen Wiedergabe nutzt. Es ist kein Einzelfall in der Praxis, dass solche Anforderungen in der Aufführung aus praktischen Gründen nicht umgesetzt werden können. Hier bietet dann exklusiv die Aufnahme solcher Werke die Möglichkeit, die Intentionen des Komponisten oder der Komponistin zu realisieren.
Insbesondere auf dem Gebiet der Radiofeatures, Hörspiele und Unterhaltung bieten sich mannigfaltige neue Gestaltungsmöglichkeiten durch die Verwendung von 5 Lautsprechern plus Subwoofer. Für den Hörer ist der Gewinn auch hier enorm. Aus den Kinos ist dieser Effekt schon länger bekannt, z.B. wenn die Zuschauer den Kopf einziehen, weil in einem James Bond Film der Hubschrauber von hinten kommend über die Köpfe des Publikums fliegt.
Ein Wort noch zur Rolle des Subwoofers der Anordnung 5.1. Es handelt sich hierbei um einen Zusatzkanal, der speziell für die Wiedergabe tieffrequenter Klanganteile gedacht ist. Daher findet er besonders in der Vertonung von Filmen und in der Popmusik Verwendung. In der klassischen Musik bemüht man sich üblicherweise um eine möglichst lineare naturgetreue Wiedergabe der Musik. Daher wird hier der Effektkanal hier nur gelegentlich für ganz besondere Effekte genutzt.
Da es keine Norm über die technische Spezifizierung des Effektkanals in der Wiedergabeanordnung gibt, bleibt die "richtige" Einbindung des Kanals dem Ohr und dem technischen Know-how des Hörers zu Hause überlassen. Das birgt natürlich die Gefahr, dass sich hier versehentlich Fehlerquellen in die Wiedergabe einschleichen.