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Von Olympia in die Welt Neuigkeiten im Schreibmaschinentakt

Im Internet-Zeitalter klingt es unvorstellbar: Tippen auf der Kofferschreibmaschine, fürs Senden eines Telegramms zur Telegrafistin, Auslandstelefonate mit einer Stunde Wartezeit. Kommunikation bei den Olympischen Spielen 72 war ein aufwendiges, langwieriges Unterfangen. Funktioniert hat sie dennoch.

Von: Nina Prell

Stand: 01.07.2011 | Archiv

Sommer 2008: Im Olympiastadion von Peking bricht frenetischer Jubel aus. Gerade hat der jamaikanische Sprinter Usain Bolt in Weltrekordzeit Gold im 100-Meter-Lauf gewonnen, reckt seine Arme zur Siegerpose in den Pekinger Himmel – und nur Sekunden später weiß es die ganze Welt. Vor allem dank des Internets mit Live-Tickern, Facebook, YouTube und Twitter. Heute bekommen wir alle Informationen – und zwar sofort. Bei den Olympischen Spielen 1972 war das noch längst keine Selbstverständlichkeit. Hatten Olympia-Interessierte keine Gelegenheit, Wettkämpfe vor dem Fernseher oder Radio zu verfolgen, blieb ihnen nur die Zeitung vom nächsten oder gar übernächsten Tag.

Die Post als Kommunikationszentrale

Damit eine Siegesnachricht von Olympia '72 überhaupt per Zeitung um die Welt gehen konnte, war damals ein enormer Aufwand nötig. Eine tragende Rolle spielte dabei die Deutsche Bundespost. An den verschiedenen Wettbewerbsstätten stellte sie Sonderpostämter für Journalisten und Touristen auf. "Insgesamt waren es ungefähr 30 Stück, in denen um die 3.000 Postbeamte aus dem gesamten Bundesgebiet gearbeitet haben", sagt Werner Schober, der im Olympia-Organisationsteam der Post war und während der Spiele selbst eines der Sonderpostämter leitete. Die Post scheute keine Mühen: Für ein Straßenradrennen wurde extra für nur einen Tag ein Sonderpostamt am Rand der Garmischer Autobahn A95 aufgebaut. "Geld spielte keine Rolle", sagt Schober.

Tasten einer arabischen Schreibmaschine | Bild: Deutsches Schreibmaschinenmuseum Bayreuth

Tasten einer arabischen Schreibmaschine

Standen die Sieger eines Wettkampfes fest, kamen die Journalisten in die Sonderpostämter und schnappten sich eine der vielen Kofferschreibmaschinen, die die Post ihnen bereitstellte. "Passenderweise war unser Schreibmaschinen-Ausstatter die Firma Olympia. Wir hatten Modelle in allen erdenklichen Sprachen, zum Beispiel mit arabischen oder kyrillischen Tastaturen", erzählt der heute 67-Jährige. Auf ihnen tippten die Journalisten die Nachrichten, die später in alle Teile der Erde gingen.

Ohne die Telegrafistinnen ging gar nichts

Während heute ein Journalist seinen Artikel ganz selbstverständlich auf dem Laptop schreibt und in Sekunden per E-Mail in seine Redaktion schickt, wagte davon 1972 noch keiner zu träumen. "Wenn die Texte fertig waren, mussten die Journalisten damit erst noch zu einer der Telegrafistinnen, die auch in den Postämtern saßen. Die Mädchen konnten zwar schneller telegrafieren, als ich sprechen. Trotzdem hat es natürlich seine Zeit gedauert, bis so ein Telegramm fertig war", sagt Schober. "Abends hat man deutlich gemerkt, wenn der Redaktionsschluss näher gerückt ist. Dann wurde es eng im Fernschreibe-Netz."

Anekdoten aus dem Sonderpostamt

Postkarten

Nicht nur normale Postkarten gingen aus den Sonderpostämtern hinaus in die Welt. Touristen verschickten zum Beispiel auch Speisekarten aus Biergärten, Bierdeckel und Eintrittskarten. "Eigentlich gab es da von der Post strenge Vorgaben, aber bei Olympia wurde schon mal ein Auge zugedrückt", erzählt Werner Schober.

Sonderstempel

Die Sonderstempel der Olympischen Spiele waren heiß begehrt. In der Sonderstempelstelle arbeiteten 130 Postbeamte in Schichten, stempelten Tag und Nacht. "Es kam sogar ein Lastwagenladung Briefe aus Japan, die gestempelt werden sollten", sagt Schober. Die Nachfrage war so groß, dass in der Sonderstempelstelle noch bis Weihnachten weitergearbeitet wurde. Insgesamt wurden Briefmarken im Wert von 1,5 Millionen Mark verkauft.

Souvenirs

Jeder wollte ein Erinnerungsstück von Olympia mit nach Hause nehmen. Auch die Postmitarbeiter, die nach den Spielen die Sonderpostämter auflösen mussten. Egal ob Stempel, Kaffeemaschine oder Fernseher "alles bekam Füße", erzählt der ehemalige Postbeamte. Auch die Schreibmaschinen waren begehrte Objekte. "Allerdings werden manche ganz schön Augen gemacht haben, als sie zu Hause statt einer deutschen eine kyrillische Schreibmaschine ausgepackt haben."

Auch ein Auslandstelefonat konnte damals eine ziemlich komplizierte Angelegenheit werden. "Wollte jemand aus unserem Postamt ins Ausland telefonieren, mussten wir erst das dortige Auslandsfernamt anrufen. Die haben dann den Gesprächspartner organisiert und zurückgerufen. Das konnte schon mal eine Stunde dauern", erinnert sich der ehemalige Postbeamte. "Im Vergleich zu heute ist das wirklich wie Steinzeit zu Gegenwart."

Dass vor knapp 40 Jahren alles noch etwas langsamer ging, hatte aber auch sein Gutes: Während heute das Bild von Usain Bolt in Siegerpose nach zwei Tagen schon kaum mehr jemanden interessiert, wurde damals die Zeitung von morgen noch mit Spannung erwartet.

Zur Person: Werner Schober

Für Werner Schober waren die Olympischen Sommerspiele nicht nur ein beeindruckendes Erlebnis. Die Mitarbeit bei den Spielen brachte ihm auch einen richtigen Karriereschub. Zwei Jahre später durfte er aufgrund seiner Olympia-Erfahrung auch bei der Fußball-WM in Deutschland dabei sein. Außerdem bekam er daraufhin die Chance, die moderne Feldpost der Bundeswehr mitzuentwickeln. Insgesamt arbeitete Werner Schober 46 Jahre bei der Post.


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