Roider Jackl Roider privat (1906 - 1975)
Das Leichteste in meinem Leben war die Geburt. Zu diesem Schluss kommt Jakob Roider 1971, als er vier Jahre vor seinem Tod Anlauf nimmt zu einer Biografie.
Seine Niederkunft in Weihmichl bei Landshut hat Roider als unstrapaziösen Vorgang in Erinnerung. Es ist der 17. Juni 1906, die Mutter steht laut Familiensaga am häuslichen Herd beim Knödl machen, der Vater marschiert mit bei der Fronleichnamsprozession.
Während die Knödl ins heiße Wasser rutschen, zünden die Fronleichnams-Böller. In dieser Schrecksekunde passiert es angeblich: Der spätere Gstanzl-König ist auf der Welt - als 16. Kind von Franziska und Johann Baptist Roider. Und als das letzte. Denn die vom kleinen Jackl empfundene Leichtigkeit der Geburt ist offenbar ein einseitiges Erlebnis. Seine Mutter wäre dabei "bald draufganga", schreibt Roider. Sprich hochdeutsch: fast umgekommen.
Gescheiterter Jodler, erfolgreicher Liftboy
Ein niederbayerischer Kehlkopf ist nicht zum Jodeln geeignet. Diese niederschmetternde Erkenntnis kommt dem jungen Jakob, als er nach Garmisch auswandert. Umgeben von Bergen will der 17-Jährige diese Urform der alpenländischen Artikulation lernen, muss aber bald feststellen: Das wird nichts. Umsonst ist die Umsiedelung von Nieder- nach Oberbayern dennoch nicht, denn der geografische Aufstieg korrespondiert mit dem sozialen.
Jakob Roider in Werdenfelser Tracht
Auf das kleinbäuerliche Elternhaus folgt ein Grandhotel. Im "Sonnenbichl" bekommt Roider - gerade fertig mit der Schreinerlehre - eine Arbeit als Hausschreiner. Damit nicht genug: Als der Liftboy krank wird, darf Jackl vertretungsweise in die fesche Uniform schlüpfen und nach Einweisung in die Kunst höflicher Umgangsformen die Koffer der Gäste schleppen. Mit den Trinkgeldern lässt sich ein großer Wunsch erfüllen: eine Werdenfelser Gebirgstracht.
Als "Zwölfender" zu Kind und Kegel
1927 muss Jakob Roider seine geliebte Tracht ausziehen. Stattdessen gibt's wieder eine Uniform. Roider verpflichtet sich für zwölf Jahre beim Militär, wird damit ein "Zwölfender". Nicht ohne berufliche Hintergedanken: Mit dem freiwilligen Dienst im Heer ist das Recht auf eine anschließende Beamtenlaufbahn verbunden. Bis es soweit ist, hat der Zeitsoldat noch Zeit, eine Familie zu gründen.
1934 heiratet er Therese Schwaiger, im selben Jahr kommt Tochter Irma auf die Welt, 1939 folgt Sohn Werner. Zu dem Zeitpunkt will Jakob Roider eigentlich seine Försterausbildung beginnen, aber der Zweite Weltkrieg kommt dazwischen. Als Ausbilder bleibt ihm immerhin ein Fronteinsatz erspart. Mass'l g'habt, wie Roider sagen würde. Seit Anfang der 40er-Jahre lebt seine Familie in Freising, Roiders Frau ist aber nur ein kurzes Leben beschieden. Therese stirbt 1956 mit nur 45 Jahren.
Der Intellektuelle und der Gstanzlsänger
Josef Oberberger und Jakob Roider
Länger als seine Ehe dauert Jakob Roiders Freundschaft mit Josef Oberberger. Der Glasmaler, Karikaturist und Professor an der Münchner Akademie der Bildenden Künste wohnt ebenfalls viele Jahre in Freising. Der Intellektuelle und der Gstanzlsänger diskutieren mit Leib und Seele über Gott und die Welt. Und die Natur: Denn nach dem Krieg kann Roider endlich in den Wald: Er wird Förster in Freising. Neben seiner bereits in den 30er Jahren begonnenen Karriere als Gstanzlsänger bleibt der Forstbeamte den Bäumen treu. Bis zu seiner Pensionierung 1967. Da hat er nur noch acht Jahre zu leben.
Am 8. Mai 1975, mit 69 Jahren, stirbt Jakob Roider in Freising an Krebs. Der Tod ist schneller als Roiders biografischer Elan. Sein Buch bleibt ein Fragment. Sohn Werner veröffentlicht schließlich 1980 eine Sammlung mit Reden und Gstanzln des Roider Jackl. Die Karikaturen darin stammen von Josef Oberberger.