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Der Fisch Eine Stadt zieht um, der König stirbt aus

Früher standen die Menschen im Mündungsdelta der Isar den regelmäßigen Überschwemmungen machtlos gegenüber. Plattling wurde gar per Dekret umgesiedelt. Seit dem 19. Jahrhundert wird der Fluss verbaut. Für den Huchen, den König der Isar, ist das der Todesstoß.

Von: Maximilian Burkhart

Stand: 05.04.2012 | Archiv

Huchen | Bild: BR / Maximilian Burkhart

Einst war St. Jakob die Gemeindekirche von Plattling. Doch weil die Isar den Nibelungenort ständig überschwemmt, zieht die Stadt auf Anweisung von Herzog Albrecht I. 1379 einfach um.

St. Jakob in Plattling

Zurück bleibt nur die heutige Friedhofskirche St. Jakob. München begegnet den Hochwassern ab 1806 mit einer Flussbegradigung, ab 1860 beginnt die "Correction" auch im Mündungsgebiet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich dann das Landschaftsbild an der Isar-Mündung vollkommen verändert.

Hochwasserschutz verursacht Hochwasser

Aus einem vielarmigen, gewundenen Delta ist ein gerader Flusslauf geworden, der sich in einer künstlichen Rechtskurve in die Donau ergießt. Doch gewonnen ist nichts: Die Isar transportiert große Mengen Kies, die nun nicht mehr umgelagert werden können. Das Gelände versumpft und die Hochwassergefahr steigt sogar noch. Also wird der Fluss eingedeicht.

Land gewonnen, Fische verloren

Karte zur Mündung der Isar in die Donau

An der Donau werden ab 1850 Deiche errichtet und Flussschleifen bei Niederalteich durchstochen. Durch den Deichbau liegt ehemaliges Schwemmland brach – sehr fruchtbar, aber zu feucht für die Bewirtschaftung. Am 28. Oktober 1914 beschließt die Entwässerungsgenossenschaft von Moos, Abwassergräben zu errichten. Das Mündungsgebiet verliert zunehmend seinen Auwaldcharakter. Die ehemals reichen Fischbestände des Isar-Deltas brechen ein.

Der Donaulachs

Männlicher Huchen mit Laichfärbung

Der Fluss wird gezähmt, auf der Strecke bleibt der ungekrönte König der Isar: der Huchen. Der größte lachsartige Süßwasserfisch kommt nur in der Donau und ihren Zuflüssen vor. Wie alle "Salmoniden" (Lachsartige) benötigt er kaltes, sauerstoffreiches und schnelles Wasser sowie einen kiesigen Untergrund zum Laichen. Einst war der Huchen in Bayern weit verbreitet, allerdings nie in großen Stückzahlen, steht er doch am Ende der Nahrungskette.

Info

Fehrlehafte Darstellung eines Huchens von 1750: Huchen haben keine Punkte auf den Flossen, daran sind sie von Forellen zu unterscheiden.

Der Huchen wird maximal 1,50 Meter lang, 60 Kilogramm schwer und 30 Jahre alt. Geschlechtsreife erlangen Huchen im Alter von 4 Jahren und einer Körperlänge von zirka 70 Zentimetern.

Vorkommen:

  • Bayern: Naab, Regen, Ilz, Mitternacher Ohe (links der Donau); Iller, Wertach, Lech, Ammer / Amper / Würm, Loisach, Isar, Mangfall, Tiroler Achen / Alz, Inn, Salzach und eine Reihe kleinerer Bäche (rechts der Donau)
  • Europa: Bayern, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen (Dunajec und Poprad, eingebürgert), Rumänien, Schweiz (Oberlauf des Inn, ausgestorben), Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Ukraine
  • Weitere Verwandte: Taimén (vom Ural bis in die Mongolei mit Ausnahme von Dniestr und Don), Sachalin-Huchen (Japanischer Wanderhuchen), Yangtse-Huchen (China), Koreanischer Huchen (ausschließlich im Oberlauf des Yalu).

Die Isar verliert ihr Gesicht

Laichende Huchen in der Isar

Heute fühlt sich der Huchen nur noch im Mittellauf der Isar zwischen Bad Tölz und Freising einigermaßen wohl, vor allem dank Züchtungs- und Hege-Programmen der Isar-Fischereivereine von Bad Tölz, Wolfratshausen, München und Freising. Im Oberlauf und von Landshut abwärts ist er schon 1883 nur noch selten anzutreffen. Zahlreiche Wehre unterbrechen heute den Lauf der Isar, die großen Laichzüge der Nasen und Barben sind durch die Querverbauungen unterbrochen.

Rückzug

Heute kommt der Huchen im Salzburger Land noch vereinzelt in der Salzach vor. Für das Jahr 1898 verzeichnet Kollmann: Salzach (von Högmoos bis Landesgrenze), Hollersbach, Fuscher Ache, Kleinarler Ache, Blühnbach, Lammer, Kertererbach, Brunnbach, Torrenerbach, Mannsbach, Schwarzbach, Königseeache.

Auch der Huchen kommt nicht mehr in seine Laichhabitate, außerdem fehlt der Futterfisch für den Nachwuchs. Gab es noch in den 1950er-Jahren 400 bis 500 Kilogramm Fisch pro Hektar Wasserfläche, sind es 1970 nur noch 50 Kilogramm. Das hat eine paradoxe Folge: Die wenigen verbleibenden Huchen der oberen und mittleren Isar werden immer größer. Sie mästen sich an eingesetzten, fangfähigen Forellen.

Der Huchen ist tot, es lebe der Wels

Durch Stauungen und Einleitungen des Atomkraftwerks Ohu nimmt die Wassertemperatur der Isar zu. Mittlerweile erreicht sie bis zu 28 Grad. Dem Huchen wird's zu warm im Isar-Delta, seit gut 20 Jahren kommt er im Unterlauf nicht mehr vor. Ähnlich geht es anderen typischen Donaufischen wie Streber, Zingel oder Schrätzer. Sie können nicht einfach umziehen wie die Stadt Plattling.

Werden die geplanten Donaustaustufen bei Straubing realisiert, wird sich das Isar-Mündungsgebiet nochmals komplett verändern. Der Huchen wird dann nicht mehr zurückkehren. Gewinner ist jetzt schon ein anderer Riese: Der Waller (Wels) liebt warmes, langsam fließendes Wasser.


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