BR Data Datenjournalismus beim BR
Computertechnologie und Internet machen es Medienanbietern heute möglich, aus riesigen Datenmengen spannende Geschichten zu erzählen. Der so genannte Datenjournalismus ist eine aufwändige Angelegenheit, doch die Mühe wird oft mit erstaunlichen Resultaten belohnt. Beim Bayerischen Rundfunk sorgt dafür das junge Team von BR Data.
Die Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf in Deutschland: eine Selbstverständlichkeit für jede aktuelle Redaktion eines Medienhauses. Die Wahlprogramme der politischen Parteien werden erklärt, Wahlkampfaussagen ihrer Kandidaten zitiert und eingeordnet, auch im Bayerischen Rundfunk. Klar, der Beitrag zur politischen Meinungs- und Willensbildung der Bürger gehört zu den vornehmsten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein Großereignis wie die Bundestagswahl, bei dem viel auf dem Spiel steht, ist für kritische Beobachter aber auch eine Einladung, tiefer zu graben.
Was Daten über die deutsche Politik preisgeben
BR Data hat dies während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2017 getan und Überraschendes zutage gefördert:
Wahlprogramm-Analyse: Der Computer sagt: Jamaika
Was passiert, wenn man Machine Learning auf die Wahlprogramme loslässt? Die Datenjournalisten des BR haben es ausprobiert - und auch überraschende Ergebnisse erhalten. Zum Webspecial: Wahlprogramm-Analyse: Der Computer sagt: Jamaika
Mehr zur Recherche: Selbstlernende Software analysiert Wahlprogramme
Wahlbeteiligung: Sag mir, wo du wohnst, und ich sag dir, ob du wählst
Der Demokratie droht eine Schieflage. Denn die Wahlbeteiligung sinkt nicht nur, sie ist auch immer ungleicher über die Gesellschaft verteilt. BR Data zeigt am Beispiel Nürnberg, wie Wohnort und Wahlverhalten zusammenhängen. Zum Artikel: Wahlbeteiligung: Sag mir, wo du wohnst, und ich sag dir, ob du wählst
Wikipedia-Artikel über Abgeordnete vom Bundestag aus geschönt
Wikipedia gilt vielen als Standard-Nachschlagewerk, auch vor der Bundestagswahl. Eine BR-Analyse zeigt: Jede dritte Abgeordnetenseite wird aus dem Bundestag bearbeitet. Immer wieder werden auch kritische Passagen gelöscht. Zum Artikel: Viele kritische Passagen gelöscht: Wikipedia-Artikel über Abgeordnete vom Bundestag aus geschönt
Parteien und ihre fragwürdigen Follower
Auf Twitter haben alle großen Parteien und Spitzenkandidaten zweifelhafte Follower. Viele der Accounts scheinen keine echten Personen zu sein und die Follower der AfD sind auffällig aktiv. Eine Analyse von BR Data und BR Verifikation. Zum Artikel: Wahlkampf auf Twitter: Parteien und ihre fragwürdigen Follower
Kandidaten zur Bundestagswahl: Frauenanteil steigt nur langsam
Wie BR Data arbeitet
Wie funktioniert dieser Datenjournalismus? Das Team von BR Data setzt sich zusammen aus einer Handvoll Journalisten, Programmierern und Designern. Die Kollegen beschaffen sich Daten, etwa bei Behörden, die entweder frei zugänglich sind oder aufwändig recherchiert werden. Große Datensätze müssen zunächst vergleichbar gemacht und nach statistischen Methoden ausgewertet werden. Die Nachricht ergibt sich dann oft erst in der grafischen Aufbereitung: Wenn Kurven oder Diagramme Zusammenhänge visualisieren, "dann sieht man die spannenden Sachen", erklärt BR-Journalist Robert Schöffel von BR Data. Thesen zum untersuchten Gegenstand werden womöglich bestätigt oder unerwartete Korrelationen entdeckt. Die Ergebnisse werden dann von Fachleuten auf Plausibilität geprüft und Kollegen an den BR-Standorten zur weiteren Recherche angeboten - etwa, damit die BR-Korrespondenten das Thema vor Ort untersuchen und verifizieren können. "Wir können so das Potenzial des BR in der Region voll nutzen", so Schöffel.
Transparenz für alle
Die - in der Regel interaktiven - Grafiken kann BR Data zur Nachricht gleich mitveröffentlichen, im Internet etwa in BR.de, tagesschau.de, einem extra eingerichten Webangebot, als grafische Animation fürs Fernsehen oder für ein Social-Video in Facebook und Twitter. Die einmal recherchierten Daten stellt das Team gleichzeitig so zur Verfügung, dass jeder Nutzer sie individuell weiterverarbeiten kann, etwa um selbst nachzuschlagen, welche Wikipedia-Seiten von Abgeordneten aus dem Bundestag bearbeitet wurden. Neben den Rohdaten veröffentlicht der BR eigene Berechnungen daraus im sogenannten "GitHub-Repository", einer Plattform für Entwickler im Netz. "Transparenz ist im Datenjournalismus ganz besonders wichtig", sagt Datenjournalist Schöffel.
Auszeichnungen für BR Data
Für die Arbeit wurde das Team von BR Data gemeinsam mit weiteren BR-Kollegen bereits mehrfach gewürdigt:
- 2017 ausgezeichnet mit dem Deutschen Wirtschaftsfilmpreis (und nominiert für den Deutschen Radiopreis) für die Recherche zum Thema "Madeira: Steuerparadies mit Segen der EU-Kommission".
- 2017 nominiert für den Grimme-Online-Award für das Webspecial "Doping als Lifestyle: Die Männerdroge Testosteron"
- 2016 mit dem CIVIS-Medienpreis ausgezeichnet für die Mitarbeit am interaktiven Webspecial "NSU Interviews" über den Gerichtsprozess und seine Beteilgten sowie für die Kooperation beim Onlineprojekt "Heimvorteil" über Spieler der Fußball-Bundesliga und ihre Herkunft
Mehr über BR Data und alle bereits veröffentlichten Projekte des Teams: