"Jason und die Haustiere" Gebärdensprache bereichert bekanntes Kinderformat
Wer kennt sie nicht: Anna (Annika Preil), die den Kindern sehr unterhaltsam alles Wissenswerte zu Tieren erklärt. Jetzt übernimmt der gehörlose Moderator Jason Giuranna drei Folgen des beliebten Kinderformats und stellt Haustiere in Gebärdensprache vor. Dafür haben zwei Redaktionen ihre Expertisen und ihr Budget zusammengelegt. Wie aus einer Idee eine kleine zukunftsträchtige Reihe geworden ist, lesen Sie hier.
2020 lief bei Sehen statt Hören eine Wissenssendung über den Nikolaus – die Resonanz war so positiv, dass wir motiviert waren, weitere Wissensangebote für die Kleinsten zu entwickeln. Am besten natürlich mit der Fachredaktion "Kinder", die von der Idee sofort begeistert war. Zusammen haben Isabel Wiemer, Redakteurin Sehen statt Hören, Stefanie Baumann, Formatverantwortung Tiere/Anna und Steffi Wolf, Autorin und Impulsgeberin, drei Pilotfolgen entwickelt. Eine echte Win-win-Situation: Das erfolgreiche Format "Anna und die Haustiere" wird inklusiv und um barrierefreie, gebärdensprachliche Sendungen mit dem gehörlosen Host Jason erweitert - und selbstverständlich auf den regulären Sendeplätzen des Haustierformates ausgestrahlt. Damit ist gebärdensprachlicher Content sichtbarer denn je in die Mehrheitsgesellschaft getragen.
Überwältigendes Feedback in Social Media Kanälen des BR
Die Sendungen sind am 23. September, pünktlich zum Internationalen Tag der Gebädensprachen, veröffentlicht worden. Das Feedback ist überwältigend - sowohl auf Instagram wie auch auf Facebook. Hörende wie Gehörlose loben die Sendung, Eltern beschreiben mitunter rührend, wie ihre tauben Kinder glücklich über dieses Programm vor den Fernsehern saßen, unter anderem: "Das war so ein toller Moment. Einfach den Fernseher anmachen können und da kommt eine Sendung, die wir alle verstehen. Die Kinder können noch keine Untertitel lesen, sie sind sonst von dem Programm ausgeschlossen."
"Die Idee, unsere beliebte Wissensendung mit Jason zu erweitern, fanden wir sofort großartig. Das Ergebnis spricht für sich: Dank Jason und den tollen Protagonistinnen und Protagonisten sind sehr lebendige, lustige, aber auch anrührende Filme entstanden. Die Zusammenarbeit mit 'Sehen statt Hören' war wirklich bereichernd, weil wir viel über inklusive Formate gelernt haben."
Stefanie Baumann, Redaktion Kinder
"Ich freue mich außerordentlich, dass wir nun auch im eigenen Haus ein erstes Projekt interdisziplinär realisieren konnten. Wir sind schon sehr gespannt auf die Resonanz und freuen uns auf Kommentare und Feedback.
Ich danke den Kolleginnen der Redaktion Kinder für das Vertrauen, die erfolgreiche Formatfamilie 'Anna' für dieses Experiment zu öffnen und ein genuin gebärdensprachliches Angebot markenkonform gemeinsam zu entwickeln.
Unsere Redaktion ist in der komfortablen Situation - zusätzlich zur fachlichen und journalistischen Expertise - für relevante Projekte eine Sockelfinanzierung einbringen zu können; sicher auch ein Faktor für diese gelungene Zusammenarbeit."
Isabel Wiemer, Redaktion Sehen statt Hören
Gesagt, getan? Nein, so einfach war es nicht!
Beide Redaktionen mussten sich in das jeweils andere Format und den Markenkern einarbeiten, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden: Opener, Aufbau der "Anna"-Sendungen, kindgerechte Wissensvermittlung und Sprache.
Andererseits die Besonderheiten bei einer Sendung für Gehörlose: Zum Beispiel braucht es beim Dreh Dolmetschende vor Ort, die mit Funkmonitor außerhalb der Atmo-Reichweite sitzen und dem Kameramann via Mikro aufs Ohr flüstern, was gerade gesagt wird. Nur so wird reportagiges Drehen möglich.
Auch ein Novum für die Macher von "hörendem Fernsehen": O-Töne können nicht ins Off gelegt und Off-Texte müssen visualisiert werden: Indem der Moderator im Greenscreen gebärdet und auf den Bilderteppich gekeyed wird. Bilderteppiche nur mit Untertitel – nicht denkbar! Denn es soll ja für Kinder sein, die keine (ausreichende) Lesekompetenz haben.
Und auch Kameraeinstellungen erfordern Sensibilität für Gebärdensprache und Gebärdenraum, weil in der Supernahen oder Supertotalen Gebärdensprache nicht mehr verstehbar ist. Um eine lebendige Bildsprache zu garantieren, wurde mit einer zweiten Kameraperspektive gearbeitet. So geht’s.
Rund um "Sehen statt Hören"
Sehen statt Hören ist das einzige journalistische Programmangebot in Gebärdensprache im deutschsprachigen Raum. Ein inklusives Angebot, bei dem Menschen und Inhalte im Fokus stehen - und nicht deren Behinderung.
Dolmetschereinblendungen gibt es hier nur für hörende Protagonist:innen oder Expert*innen.
Es bietet - übers Jahr verteilt - Beiträge für alle Altersgruppen, Politik-, Sport- oder Kulturinteressierte, Aktuelles und Trends, mal spitz auf gehörlose Interessen zugeschnitten, häufig mit Themen für alle – unabhängig vom Hörstatus.
Zum Redaktionsteam gehören taube Presenter*innen, Autor*innen und Realisator*innen, für hörende Kolleg*innen ist Gebärdensprachkompetenz verpflichtend.
Sehen statt Hören ist ein wöchentliches Angebot, das von allen ARD-Anstalten, ARD alpha und 3sat übernommen wird.
Zu finden sind all diese Sendungen in einer Art Netflix für Gehörlose: aufgeteilt in Rubriken, auf der BR.de-Sendungsseite von Sehen statt Hören.
Keine Berührungsängste – das ist der Trick
Kameramann Sebastian Felsch und sein gebärdensprachlich begabter Assistent Leander Goretzky waren nicht nur fachlich unser Wunschteam. Ihre Offenheit und Spontanität sind besondere Skills, um mit Gehörlosen in Kommunikation zu kommen. Sie versuchen es einfach: mit deutlichem Mundbild oder Gesten. Leander hat auch Handbewegungen verwendet, die er sich abgeschaut hat, oder bei Bedarf das Handy für schriftliche Kommunikation genutzt.
Dass Anna keine Berührungsängste hat, kennen wir aus ihren zahlreichen Filmen. So ist sie auch bei der Opener-Produktion direkt auf Jason zugegangen. Der Dolmetscher war nur für detaillierte Absprachen erforderlich. An diesem Tag hat Anna auch ihren Gebärdensprachnamen erhalten – selbstverständlich von Jason. Hier im Video erklärt er, wie er auf Annas Namen kam. Und am Schneidetisch konnten wir auf Christoph Heimerl als Cutter zählen, der sowohl bei unzähligen Tierreportagen als auch bei Sehen statt Hören schon viel Erfahrung gesammelt hat.
Jason – die perfekte Wahl
Und wie sind wir auf Jason als Presenter gekommen? Jason Giuranna moderiert seit fünf Jahren für Sehen statt Hören – in angenehm selbstverständlicher Haltung vor der Kamera. Kein Wunder: Er entstammt einer Künstlerfamilie und steht seit seinem 6. Lebensjahr auf der Bühne: als Schauspieler, Performer, Künstler und eben auch als Moderator.
1996 geboren, kann er bereits auf eine beachtliche Vita zurückblicken: Nicht nur, dass er bereits renommierte Künstlerpreise abgeräumt hat (u.a. "Bester Nachwuchskünstler 2019"), Rollen in Filmen und Theaterstücken übernommen hat, er war auch überaus erfolgreicher Leichtathlet in der Nationalmannschaft und hat Bestplatzierungen von der Weltmeisterschaft mit nach Hause genommen. Sein Hauptjob ist trotzdem sehr bodenständig: Jason ist staatlich geprüfter Erzieher. Weil er Kinder liebt und weil Kinder ihn lieben.
Für ein Presseinterview erklärt Jason, weshalb er diese Sendereihe so besonders findet, welche Bedeutung sie seiner Einschätzung nach für gehörlose Zuschauer*innen haben wird und weshalb er dieses Projekt auch als Botschaft an die hörende Welt sieht: Gehörlose können alles - außer hören.
"Jason kapert unser Haustierformat! Wir freuen uns über die programmbereichsübergreifend gute Zusammenarbeit mit der Redaktion Sehen statt Hören: Mit 'Jason und die Haustiere' können wir unser Tierformat für drei Folgen tatsächlich komplett inklusiv anbieten. Ich bin überzeugt, die Sendungen kommen bei nichthörenden und hörenden Kindern gleichermaßen gut an!"
Birgitta Kaßeckert. Leitung Redaktion Kinder
Ganz normales Fernsehen – egal in welcher Sprache
Das Ergebnis spricht für sich: Drei Filme, die alles bieten, was Gehörlose und Hörende wollen. Zu sehen gibt es die Sendungen pünktlich am Tag der Gebärdensprache und webfirst ab 23. September in der ARD Mediathek. Erstausstrahlung aller drei Folgen ist am 24. September ab 15.50 Uhr im KiKA. Sehen statt Hören bringt zunächst am 30. September um 9.00 Uhr ein halbstündiges Portrait über Jason Giuranna und sendet dann ebenfalls die drei Haustier-Sendungen ab dem 7. Oktober, jeweils um 9.00 Uhr.
Den Inhalt der Folgen gibt’s hier nachzulesen - und einen Vorgeschmack schon hier in der Bildergalerie: