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BR-Recherchen zu AfD Gutachter und Richter berufen sich auf BR-Berichte

Immer wieder veröffentlicht der BR investigative Berichte über die AfD. Drei Recherchen wurden nun aufgegriffen: in einem Gutachten zur Sicherheit des Bundestages, dem Gutachten zur “Extremismusklausel” in Bayerischen Landtag und im AfD-Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.

Von: Verena Nierle & Sammy Khamis, BR Recherche

Stand: 06.08.2024

Nach dem Urteil des OVG Münster äußern sich Roman Reusch (M.l.), Beisitzer im Bundesvorstand der AfD, und Peter Boehringer (r. daneben), stellvertretender Bundessprecher der AfD, in der Gerichtslobby vor Journalisten.  | Bild: picture-alliance/dpa | Guido Kirchner

Es ist der 13. Mai 2024 in Münster. Urteilsverkündung. Die AfD klagt gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie verliert. Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall führen.

Einige Wochen später kommt die schriftliche Urteilsbegründung. Sie ist 113 Seiten lang. Eine Sache fällt auf: Die Richter zitieren direkt und wiederholt aus einer Recherche des Bayerischen Rundfunks. In dem Urteil wird der BR als einziges Nachrichtenmedium überhaupt erwähnt.

Urteilsbegründung: OVG Münster stuft AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein Format: PDF Größe: 479,28 KB

Recherche des BR deckt Umsturzfantasien auf

Zum Hintergrund: Im Dezember 2021 veröffentlichte BR Recherche gemeinsam mit der Redaktion Landespolitik und dem Politikmagazin Kontrovers eine Recherche zu einem internen Telegram-Chat der Bayern AfD. In diesem äußerten mehrere Mandatsträger Umsturzfantasien. Die Berichterstattung erhielt viel Aufmerksamkeit im Bayerischen Landtag, überregionale Medien griffen die Recherche auf.

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AfD Bayern: Interner Chat zeigt Radikalität im Geheimen | Kontrovers | BR24 | Bild: BR24 (via YouTube)

AfD Bayern: Interner Chat zeigt Radikalität im Geheimen | Kontrovers | BR24

Und auch die Justiz hat sich damit beschäftigt. So schreiben die Richter des Oberverwaltungsgerichts in Münster in ihrer Urteilsbegründung: "In diesen Äußerungen zeigen sich tatsächlich vorhandene Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, da sich aus ihnen ergibt, dass nicht nur die Demokratie und das parlamentarische System abgelehnt werden, sondern ein gewaltsamer Umsturz befürwortet wird, um den gewünschten Kurswechsel zu erreichen."

Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass die Berichterstattung für sich genommen nicht gerichtsfest ist. Doch die Tatsache, dass eine Landtagsabgeordnete ihre Aussagen in der Chatgruppe öffentlich nicht abstritt, sondern vielmehr bestätigte und rechtfertigte, spreche dafür, dass die Äußerungen tatsächlich so getätigt wurden, wie in der BR-Berichterstattung dargestellt. Auch wurden die Medienberichte des BR juristisch von der AfD nicht angegriffen.

Der Justiz und dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz liegen die Chatprotokolle nicht vor. Der BR hat sie aus Quellenschutzgründen nicht herausgegeben.

Gutachten zu Mitarbeitern im Bundestag

Eine weitere Recherche, veröffentlicht im März 2024, befasste sich mit der Frage, wer für die AfD im Bundestag arbeitet. Ein Team aus Reporterinnen und Reportern von BR Recherche und BR Data fand in einer aufwändigen Recherche mehr als 100 Personen mit klaren Bezügen zum Rechtsextremismus, die entweder für einzelne AfD-Abgeordnete oder die AfD-Fraktion tätig sind.

Auch diese Berichterstattung, veröffentlicht unter anderem mit report München und dem Funkstreifzug, zog weite Kreise. Die Reaktion zahlreicher Bundestagsabgeordneter von SPD, Grünen, FDP bis zur Union und Linken lautete: Man habe geahnt, dass Extremisten für die AfD arbeiten, nun kenne man das Ausmaß.

Nach der Berichterstattung wandten sich mehrere Parlamentarierinnen und Parlamentarier an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit konkreten Fragen, die der Gutachter Klaus Gärditz, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, beantwortete. Vor der Sommerpause legte Gärditz ein rund 130-seitiges Gutachten vor.

Demnach sollen Mitarbeiter künftig strenger überprüft werden. So könnte die Bundestagsverwaltung zudem Informationen von Nachrichtendiensten abfragen, diese bewerten und dann in die sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung einfließen lassen.

Auch Abgeordnete und deren Mitarbeiter, die in sensiblen Sicherheitsbereichen arbeiten, soll der Verfassungsschutz einfacher überprüfen können, so ein weiterer Vorschlag im Gutachten.

Die Bundestagsverwaltung berät aktuell mit den Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen darüber, welche Vorschläge des Gutachters umgesetzt werden und bis wann dies geschieht.

"Die journalistische Investigation ist kein Selbstzweck. Sie erfüllt eine der vornehmsten unserer Aufgaben: Mängel aufzudecken, Gegnern und Feinden der Demokratie das Handwerk zu legen. Der BR hat eine große Tradition in dieser Königsdisziplin des Journalismus. Ich bin sehr dankbar für die harte, oftmals mühselige Arbeit und dafür, dass unsere Kolleginnen und Kollegen diese Tradition so überaus beeindruckend fortsetzen."

Thomas Hinrichs, Programmdirektor Information

Ähnliches Gutachten in Bayern – Schwerpunkt: Gehalt für Mitarbeiter

Kurz vor der Sommerpause stellte Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner ein Gutachten vor zur möglichen "Einführung einer Extremismusklausel". Auch hier spielten Recherchen des BR eine Rolle.

Sie hatten aufgedeckt, dass mehr Personen mit Bezügen zum Rechtsextremismus für die AfD im Landtag arbeiten als bislang bekannt. Darunter Publizisten der sogenannten "Neuen Rechten", Anhänger extremistischer Burschenschaften sowie Aktivisten der "Identitären Bewegung".

Der Gutachter, Tristan Barczak, Professor an der Universität Passau, hatte den Auftrag zu überprüfen, ob Verfassungsfeinden das Gehalt versagt werden kann und welche Gesetze dazu angepasst werden müssen. An mehreren Stellen verweist  Barczak auf entsprechende Berichte des BR.

Gutachten zur eventuellen Einführung einer Extremismusklausel Format: PDF Größe: 4,82 MB


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