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US-Besatzungsoffizier Nr. 7 bei Radio München Georg Stefan Troller

"Ich bin in das Fernsehen eingestiegen wie ein Ente in den Teich. Das war genau mein Medium und genau was ich brauchte."

Stand: 20.12.2021

Georg Stefan Troller ist einer der wenigen Zeitzeugen, die noch etwas über die amerikanische Besatzungszeit von Radio München erzählen können. Im April 1945 kam er als "Kriegsgefangenenvernehmer“ der US-Armee in das kriegszerstörte München.

Kurz nach der deutschen Kapitulation im Mai wurde Troller als einer der ersten Journalisten bei Radio München angeheuert, mit Dienstausweis Nr. 7. Eigentlich sei die Aufgabe von ihm und seinen Kollegen "Umerziehung, Abschaffung der Naziüberzeugungen in der Bevölkerung“ gewesen. Sie merkten aber sehr schnell, dass "die Bevölkerung am Ende war, auch durch Hunger und die Bombennächte“. Die Menschen haben vor allem Informationen gebraucht, erzählt Troller im Interview mit Sissi Pitzer. Bei seinen Reportagen und Interviews kam er häufig mit der Bevölkerung – und damit mit deren Unzufriedenheit und Enttäuschung – in Berührung. "Weit her kann es ja nicht sein mit der Demokratie, wenn Ihr uns nicht in unserer Notsituation helfen könnt."

Nach seiner – sehr kurzen - Tätigkeit bei Radio München arbeitete Troller in Paris für verschiedene deutsche, amerikanische und österreichische Rundfunkanstalten – auch für den Bayerischen Rundfunk, der damals das höchste Honorar für eine Sendung gezahlt habe. Mitte der 1950er Jahre entdeckte er das neue Medium Fernsehen für sich. Es sei für ihn ideal gewesen, um sich persönlich auszudrücken. Berühmt wurde Troller durch die Sendungen "Pariser Journal“, die von 1962 bis 1971 im WDR lief, sowie durch seine Reihe "Personenbeschreibung" im ZDF von 1971 bis 1986. Sein Erfolgsrezept: Das Publikum muss sich mit der porträtierten Person identifizieren können.

In seiner langen Karriere ist es Troller gelungen, hochkarätige Stars vor die Kamera zu bekommen. "Der Einzige, der mir wirklich entschlüpft ist, war Picasso." Georg Stefan Troller zählt zu den bedeutendsten Fernseh-Dokumentaristen des 20. Jahrhunderts. Der amerikanische Staatsbürger, der seit über einem halben Jahrhundert in Paris lebt, wurde für sein Werk mehrfach ausgezeichnet.

Kurzbiografie

10.12.1921
Geboren in Wien
1938 bis 1941
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich Emigration in die Tschechoslowakei, Frankreich, USA
1941 bis 1943
D
iverse Berufe in New York, u.a. Buchbinder
1943 bis 1945         
Amerikanischer Soldat im Zweiten Weltkrieg in Italien, Frankreich, Deutschland
1945 bis 1946
Amerikanischer Besatzungssoldat in München bei Radio München
1946 bis 1951         
Studium der Anglistik und Theaterwissenschaften in den USA, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft in Paris
1951 bis 1962         
Pariser Korrespondent für verschiedene Rundfunkanstalten in Kanada, Österreich, Deutschland; seit 1957 zusätzlich Fernseharbeit        
1962 bis 1971
Produzent der Sendung "Pariser Journal“ (WDR)  für die ARD, daneben diverse Fernsehfeatures
1971 bis 1986
Sonderkorrespondent des ZDF in Paris: Produzent und Autor der Reihe "Personenbeschreibung",  daneben diverse Fernsehfeatures
1988
Veröffentlichung seiner Autobiographie "Selbstbeschreibung“
1990er Jahre
Drehbuchautor von Dokumentarfilmen u.a. "Unter Deutschen – Eindrücke aus einem fremden Land"
2003 bis 2008
Veröffentlichung mehrerer Arbeiten zur Kulturgeschichte und ihren bedeutenden Persönlichkeiten