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Musik Radiolegenden beim BAYERN 3-Kultabend

Der Bayern 3-Kultabend bringt jeden Sonntag ab 20 Uhr zwei Stunden Musik und Unterhaltung. Die Moderatoren Fritz Egner, Fred Kogel, Jürgen Hermann und Jim Sampson präsentieren abwechselnd ihre ganz besondere Musikauswahl. Das BR-Magazin sprach mit Fritz Egner über das Konzept der Sendung, über Stars und gute Musik.

Stand: 21.12.2012 |Bildnachweis

Fritz Egner und Rod Stewart | Bild: BR/privat

BAYERN 3 - Kultabend

ab 13. Januar 2013, sonntags, 20.00 Uhr
Der Bayern 3-Kultabend, 120 Min.
abwechselnd mit Fritz Egner, Fred Kogel und Jürgen Herrmann

BR-Magazin: Was wird in der neuen Sendung anders als bei „Fritz & Hits“?

Fritz Egner: Die Sendung ist neu – und auf eine gewisse Weise doch alt. Letztendlich ist sie eine Reminiszenz an die unbeschwerte Zeit in den 80er- und 90er-Jahren, die wir als Radiomacher auf einer recht freien, paradiesischen musikalischen Insel verbringen durften. Diesen Zustand und dieses Gefühl wollen wir für zwei Stunden pro Woche wiederherstellen.

Sie spielen also Musik aus den 80er- und 90er-Jahren?

Wir spielen schon auch heutige Musik. Nicht unbedingt „Nossa“ oder diese ganzen Tralala-Lieder, sondern wir wählen Titel aus, die an die Qualität der Musik früherer Jahrzehnte anknüpfen. Es gibt auch jetzt gute Musiker und gute Platten, nur bleiben die meisten von Ihnen auf der Strecke, da das Musikniveau derzeit relativ tief gelegt ist.

Was ist für Sie gute Musik?

Gute Musik ist Musik, die mich emotional in irgendeiner Form erfasst. Oder die im positiven Sinne meine Stimmung verändern kann. Es gibt ja viel Musik, die sehr störend klingt, und wegen der man als Hörer auch den Sender wechselt. Wir werden in der neuen Sendung andere Musik spielen, als man für gewöhnlich im Radio zu hören bekommt, und bei der Auswahl werden wir Moderatoren unsere persönliche Note mit einbringen.

Erzählen Sie darin auch etwas über die Bands, vermitteln also Musikwissen?

Das gehört dazu. Jeder von uns hat dieses Wissen, das sollte man nicht brach liegen lassen. Manchmal sind sehr spannende, kleine Anekdoten mit einzelnen Songs verbunden. Wenn wir diese erzählen, macht das die Musik noch interessanter.  

Berichten Sie von Ihren persönlichen Begegnungen mit den Musikern?

Na klar, ich habe ja schon wirklich viele Musiker getroffen und das eine oder andere an persönlicher Erfahrung gesammelt. Bei diesen Treffen haben wie gelegentlich Dinge besprochen, die sich nicht googeln lassen. Dies soll schon mit aufscheinen, ohne aber angeberisch zu wirken.

Wenn man Sie googelt, findet man: "Der Experte für die 60er- und 70er-Jahre" und "Radiolegende". Ist das ein Kompliment für Sie oder verursacht das auch ein wenig Wehmut, weil es einem zeigt, dass man nicht mehr bei den ganz Jungen dabei ist?

Ich habe das ja nicht selbst geschrieben, denn ich hätte es sicher anders formuliert. Als Legende würde ich mich nicht bezeichnen. Sondern als einen, der Leidenschaft hat für Musik und fürs Radio. Weil Radio nach wie vor das lebendigste, unmittelbarste Medium ist und ein Begleiter zu jeder Tages- und Nachtzeit sein kann. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Musik, die wir jetzt als aktuell empfinden, ohnehin auf der der 60er- und 70er-Jahre aufbaut. Auch wenn manch eine Platte schon Jahrzehnte alt ist, wie etwa "Thriller" von Michael Jackson von 1982, hört man der Musik ihr Alter nicht an. Weil sie eine Intensität hat, eine Power und eine Erdverbundenheit, die bei Musik wichtig ist.

Diese Intensität finden Sie heute nicht mehr in der Musik?

Ich vermisse Sie oft, weil einfach alles sehr technisch ist. Jeder kann heute am Computer zu Hause irgendetwas zusammenbasteln. Damals mussten Musiker zusammenkommen, ins Studio gehen und sich vor ein Mikrofon setzen. Zwei Duettpartner können in Dubai und Chicago sitzen und zusammen etwas aufnehmen, ohne sich je begegnet zu sein.  Ich finde, um zusammen gute Musik machen zu können, braucht es die menschliche Begegnung.  Man muss dem mal in die Augen gesehen, ihn vielleicht sogar einmal umarmt haben, um zu erspüren, wie man künstlerisch zusammenpasst. Dieser menschliche Effekt geht mehr und mehr verloren, während Technik und Marketing in den Vordergrund rücken.

Was halten Sie von Castingbands?

Castingbands gab es natürlich schon immer. Früher gab es Vorspieltermine bei den Plattenfirmen, da kamen verschiedene Musiker und Bands in die Firmenräume und haben etwas zum Besten gegeben. Oder die Produzenten gingen zu kleinen Konzerten, wo sich die Bands im Grunde genauso präsentierten wie in den heutigen Fernseh-Castingshows. Diese sind aber im Grunde eine Fleisch-Beschau. Es geht hauptsächlich darum, Versager zu genießen. Und auch etwas vorzugaukeln, was nicht da ist. Zu sagen, man sucht einen Superstar, ist schon von der Wortwahl her eine Verfehlung und Anmaßung. Denn Superstars wird es heutzutage keine mehr geben.

Warum nicht?

Weil die Plattenfirmen oder auch die anderen Vertriebswege gar nicht mehr daran interessiert sind, längerfristige Karrieren aufzubauen. Ein Künstler kann das allein nicht schaffen. Vor allem dann, wenn man eine weltumspannende Karriere anstrebt, muss dieses Vorhaben von mehreren Seiten her getragen werden. Daran hat keiner mehr Interesse, und es wird auch niemand mehr Geld dafür ausgeben

Jemanden wie Lady Gaga würden Sie nicht als Superstar bezeichnen, weil sie schnell wieder verschwinden wird?

Ich will jetzt kein Prophet sein. Lady Gaga ist talentiert und ist auch keine Eintagsfliege. Vor allem schafft sie es, wie Madonna, sich jeden Tag neu zu erfinden. Das mag für eine ganze Weile schon reichen. Aber ich glaube ich nicht, dass sie das Charisma hat, um damit eine jahrzehntelange Karriere zu bestreiten. Das fehlende Charisma muss sie durch Verkleidungen, auffälliges Verhalten und exzentrische Auftritte ausgleichen. Ihr fehlt das gewisse Etwas, das Strahlende, das eine Ella Fitzgerald oder eine Aretha Franklin hatten. Deshalb wird ihre Karriere meines Erachtens begrenzt sein.

Können Sie auf einer neuen Platte erkennen, welcher der Titel ein Hit wird?

Derzeit nicht mehr. In den 80er-Jahren konnte ich es ziemlich genau sagen. Die Alben waren damals natürlich auch schon so angelegt. Jedes hatte zwei, drei Titel, die besonders radiotauglich und massentauglich waren. Heute veröffentlichen Künstler online vor allem Einzeltitel, selten Alben. Dadurch fehlen die Vergleichsmöglichkeiten innerhalb eines Werks.

Wie ist Ihre Musiksammlung zu Hause: LPs, CDs oder doch Einzeltitel im Computer?

Ich habe tatsächlich noch LPs, so etwa 10.000 Stück. Außerdem etwa 20.000 CDs. Das ganze Souterrain meines Hauses ist Plattenarchiv, dazu kommen noch die vielen Musikbücher. Aber wirklich in der täglichen Nutzung habe ich nur MP3. Ich habe dadurch meine Plattensammlung in der Hosentasche immer dabei. Die ganze Sammlung habe ich nicht digitalisiert, sondern nur manche Alben und ansonsten ausgewählte Titel, die ich persönlich für besonders interessant halte.

Die LPs behalten Sie aber trotzdem?

Noch fällt die Trennung schwer, denn immerhin sammle ich Platten, seit ich denken kann. Aber irgendwann werde ich mich wohl doch von ihnen verabschieden müssen. Man kann ja den Ballast der eigenen Vergangenheit nicht unbegrenzt mitschleppen, und einiges werde ich sicher nie wieder anhören. Manche ist wirklich eine zeitgebundene Musik, die - aus der Zeit herausgenommen - keinen Wert mehr hat.

Wäre das nicht etwas, das für eine Kult-Sendung interessant ist?

Nur dann, wenn es wirklich einen chronistischen oder zeithistorischen Bezug hat. Man kann so etwas schon spielen, muss aber sehr aufpassen, dass man damit seine Hörer nicht verliert.

Haben Sie eine Lieblingsband, oder sind sie einfach Musikfan?

Ich bin eher Generalist. Es gibt Bands, von denen finde ich nur einen Titel okay, von anderen finde ich zehn Stücke einfach genial, während mich der Rest kalt lässt. Ich mag Led Zeppelin als Band, ich mag einzelne Titel der Rolling Stones, und natürlich auch die Beatles. Aber ich könnte mich nie auf eine einzelne Band beschränken.

Sind Sie nie Fan eines bestimmten Künstlers  gewesen?

Nein, tatsächlich nicht. Ein Fan ist auch jemand, der wissen möchte, mit wem die Musiker ins Bett gehen. Das Private hat mich nie interessiert. Wenn überhaupt, dann die politische Meinung, denn die hat Musik gerade in den 60er- und 70er-Jahren sozialpolitisch relevant gemacht. Die schwarze Musik aus Amerika hat mich vor allem deswegen interessiert, weil sie eng mit der Bürgerrechtsbewegung verbunden war. Hier in Deutschland gab es so etwas ja nur sehr am Rande.

Es gab Liedermacher wie Wolf Biermann oder Hannes Wader …

Schon, aber das hat mich musikalisch zu wenig interessiert. Wir haben diese Art von Musik auch nie im Radio gespielt. Ich finde die Texte gut, wie ich auch Texte von Reinhard Mey gut finde. Aber die Musik erfasst mich nicht, nimmt mich nicht mit.

Auf welchem Live-Konzert waren sie zuletzt?

Es war Jennifer Lopez. Weil meine Tochter sie unbedingt sehen wollte. Ich war, das gebe ich ehrlich zu, daran nicht besonders interessiert,  aber das war dann doch eine durchaus eindrucksvolle Show.

Wie oft hören Sie Livemusik?

Inzwischen nur noch ganz selten. Ich war in meinem Leben bestimmt auf 600 Konzerten. Die Eintrittskarten habe ich übrigens alle aufgehoben, um nachsehen zu können, ob ich eine Band tatsächlich live gesehen habe. In der Tat vergisst man manche Konzerte komplett, weil von ihnen nichts hängen bleibt. Andere Konzerte wiederum verfolgen mich mein ganzes Leben. Eines davon erlebte ich bei meiner ersten Reise nach New York. Durch Zufall und Unwissenheit geriet ich ins Apollo-Theater in Harlem.  Ausgerechnet James Brown trat an diesem Abend dort auf, der wohl wichtigste schwarze Sänger aller Zeiten.  Das beeindruckte mich unglaublich. Eine derartige Intensität in der Musik und in einem Konzert, und auch beim Austausch mit dem Publikum, habe ich seither nie wieder erlebt. Der Abend glich einer Voodoo-Zeremonie, so intensiv war der emotionale und geistige Austausch zwischen Künstler und Publikum.

Was raten Sie einer jungen Band, die heute berühmt werden möchte?

Tour, Tour, Tour; spielen, spielen, spielen. Da kann man die besten Beispiele aus der Popgeschichte nehmen: Die haben oft zehn Jahre lang nichts anderes gemacht als Livekonzerte zu spielen. Um dann im Studio die Reife und Erfahrung zu haben, zu wissen, was das Publikum will.

Auf was freuen Sie sich bei der neuen Sendung besonders?

Dass ich etwas freier bin in meiner Musikauswahl und auch etwas abenteuerlustiger sein darf. Am Sonntagvormittag bei „Fritz & Hits“ ist beim Bayern 3-Hörer eine gewisse Erwartungshaltung da, und ich könnte, wenn ich mal so richtig aus meinem Musikschatz schöpfen würde, vieles die Leute verschrecken. Das wird beim Kultabend anders sein.

Für wen ist Ihre Sendung?

Für alle, die offen sind, auch mal etwas zu hören, das vielleicht nicht sofort ins Ohr geht, aber eine starke Ausstrahlung hat, Schwingung hat. Die offen sind für alles, das noch nicht zu abgenudelt ist. Das werde ich versuchen anzubieten, ohne damit zu viele Leute zu verschrecken.

Interview: Felicia Englmann







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