BR-Magazin-Tipp: Kultur Genie und Megalomane
Am 6. Mai 1915 wurde Orson Welles geboren. Der BR würdigt den Meisterregisseur mit Spielfilmen und Dokumentationen
Er war ein Wunderkind: Mit zehn Jahren brachte der junge Orson Welles "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" auf die Bühne. Er produzierte das Stück nicht nur, er schrieb auch das Bühnenbuch und spielte sämtliche Rollen. Orson Welles, der Universalkünstler, setzte als Autor, Regisseur und Schauspieler Maßstäbe. Sein Meisterwerk "Citizen Kane" gilt vielen als bester Film aller Zeiten. Unvergessen auch sein fiktives Radiohörspiel "Krieg der Welten", das so realistisch klang, dass viele US-Bürger tatsächlich an eine Invasion von Außerirdischen glaubten, oder seine zwiespältige Rolle als Harry Lime im Nachkriegsthriller "Der dritte Mann".
Doch der frühe Ruhm hatte Schattenseiten. Welles war erst 25, als er "Citizen Kane" schuf, und wurde daran gemessen. In Hollywood war er ein Außenseiter. Viele seiner Projekte und Ideen blieben unvollendet. Die Dokumentation "The One-Man Band" blickt hinter das Klischee vom düsteren Megalomanen und entdeckt den Menschen Welles: verletzlich, manchmal einsam, doch immer von unerschütterlichem Optimismus.
Mit "Der Prozess" adaptierte Orson Welles den wohl berühmtesten Roman Franz Kafkas. Das Ergebnis ist ein visuell atemberaubend inszenierter Albtraum über die Bürokratie und das Ausgeliefertsein des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Die Hauptrolle spielt Anthony Perkins ("Psycho"), in weiteren Rollen sind unter anderen Orson Welles, Jeanne Moreau und Romy Schneider zu sehen. Die schicksalhafte und bedrückende Atmosphäre des Romans wird im Film neben dem Einsatz von Weitwinkelobjektiven und kontrastreichem Schwarz-Weiß auch durch den Drehort vermittelt, den Pariser Bahnhof Gare d’Orsay mit seinen zahllosen Fensterscheiben, endlosen Gängen und Eisentreppen.