Reinhold Vöth Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Reinhold Vöth gestaltete über vier Jahrzehnte das politische, kulturelle und soziale Leben Bayerns mit, als CSU-Landtagsabgeordneter, als Mitglied der Staatsregierung, als Mitglied und Vorsitzender im Rundfunkrat, als Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes und 18 Jahre lang – von 1972 bis 1990 – als Intendant des BR.
Studium und beruflicher Werdegang
Reinhold Vöth, am 23. März 1930 in Würzburg geboren, war Jurist. Von 1949 bis 1953 studierte er in Würzburg Rechts- und Staatswissenschaften. Seine Berufskarriere begann 1956 in der bayerischen Staatsverwaltung, als Justitiar in der Würzburger Wohnungsbaugenossenschaft. Es folgte ein Jahr als Assessor in der Versicherungskammer in München. Weitere Stationen ab 1960 waren das Versorgungsamt Würzburg, das Landesversorgungsamt München und schließlich 1970 das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (als Staatssekretär).
Politisches Engagement
Daneben betätigte er sich politisch, trat mit 20 Jahren in die CSU ein und wurde 1958 in seiner Heimatstadt Würzburg als jüngster Abgeordneter - mit 28 Jahren - für die CSU direkt in den Bayerischen Landtag gewählt. Hier profilierte er sich von 1964 bis 1970 als Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses und von 1968 bis 1970 als stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion.
Mitglied im Rundfunkrat und Rundfunkratsvorsitzender
ln seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses konnte Vöth sich auch intensiv mit dem BR befassen. 1960 kam er in den Rundfunkrat des BR, eher gegen seinen Willen, wie er sich in einem Interview erinnerte:
"Mehr durch Zufall bin ich dann zum Bayerischen Rundfunk gekommen. Bei der Novellierung des Rundfunkgesetzes im Jahre 1959 musste ich eigentlich gegen meinen Willen in einen von der CSU-Fraktion gebildeten Unterausschuss, weil der damalige Fraktionsvorsitzende Franz Heubl der Meinung war, es müsse ja wenigstens ein Jurist dabei sein und nicht nur Rundfunkpolitiker."
Reinhold Vöth
Rundfunkratssitzung im Funkhaus, Intendant Christian Wallenreiter Mitte vorne, rechts daneben Rundfunkratsvorsitzender Reinhold Vöth, 1970
Vöth arbeitete sich schnell in die Rundfunkmaterie ein, vor allem in die Vorstellung eines staatsfreien unabhängigen Rundfunks, die bis zum Ende sein Rundfunkverständnis prägte. Er bekannte sich vehement zum öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem und bezeichnete den Ausdruck "duales System" als "Etikettenschwindel", da es sich um konkurrierende Systeme handele.
Am 25. März 1965 wählte der Rundfunkrat den damals 35-jährigen CSU-Landtagsab-geordneten Vöth zum neuen Vorsitzenden, nachdem sein Vorgänger Max Zillibiller aus gesundheitlichen Gründen verzichtet hatte. Die Wahl Vöths galt als geschickter Schachzug des CSU-Fraktionsvorsitzenden Ludwig Huber. Der Wahlausgang wurde als ein Erfolg der CSU gewertet.
Intendant für 18 Jahre
Als Christian Wallenreiter sich im Jahr 1972 nicht mehr zur Wiederwahl stellte, wählte der Rundfunkrat am 11. November 1971 seinen langjährigen Vorsitzenden zum neuen Intendanten. Reinhold Vöth, der einzige Kandidat, erhielt die klare Mehrheit (32 Ja-Stimmen, 3-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen). Bevor er seine erste Amtsperiode am 1. Oktober 1972 antrat, legte er alle politischen Ämter nieder. Gleich bei seiner Antrittsrede am 29. September 1972 legte er sich und seine Mitarbeiter*innen auf die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fest:
"Es geht hier bei dieser gemeinsamen Aufgabe darum, den Auftrag des Rundfunkgesetzes zu erfüllen und darüber hinaus den Bayerischen Rundfunk als einen freien Funk in einer freien Gesellschaft zu erhalten. Dabei wird es für die Zukunft eine Aufgabe sein, den Freiheitsraum des Programmgestalters im Programm zu wahren und im Institutionellen sorgsam abzusichern. Andererseits geht es auch darum, das Freiheitsrecht des Einzelnen auf Zugang und Zugriff zu Informationen und Darbietungen aller Art zu gewährleisten ... Der Bayerische Rundfunk ist kein Selbstzweck: er ist vielmehr eine freie Institution einer freien Gesellschaft."
Reinhold Vöth
Vöth übernahm den Intendantenposten in medienpolitisch turbulenter Zeit. 1972 wollte die CSU das Rundfunkgesetz novellieren und die Zahl der Rundfunkratsmitglieder erhöhen. Im Landtag drückte die CSU gegen die Stimme von Vöth - der auch später in vielen Situationen bewies, dass ihm die Unabhängigkeit des BR wichtiger war als seine politischen Freunde - das Gesetz durch.
Das Amt des Intendanten hat er einmal folgendermaßen beschrieben:
"Es besteht zur Hälfte aus Ärger, zu einem Sechstel aus Administration, zu einem weiteren Sechstel aus politischer Auseinandersetzung und schließlich zu einem Sechstel aus der eigentlichen Aufgabe, nämlich das Programm anzuregen, zu gestalten und dafür verantwortlich zu sein."
Reinhold Vöth
Redaktionskonferenz des Hörfunks und Besuch des Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, links daneben Reinhold Vöth, 1986
Insgesamt fünf Mal hintereinander wurde Vöth vom Rundfunkrat in seinem Amt bestätigt. Bei den Wahlen 1971 und 1975 fand er breite Zustimmung. 1980 geriet sein Chefsessel kurz ins Wanken, da im Vorfeld Kritik an seiner Amtsführung aus den Reihen seiner eigenen Partei laut geworden war, wobei Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber zu Vöths Kritikern zählten.
Umstritten war vor allem sein vehementes Eintreten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Ausbau des Bayerischen Fernsehens zum Vollprogramm im Januar 1978. Der Rundfunkrat hatte 1979 die Verabschiedung des Haushalts verzögert und auf diesem Wege erhebliche Korrekturen am Programmkonzept erzwungen.
1988 wählte der Rundfunkrat Vöth wiederum für vier Jahre. Doch zum 31. März 1990 legte er aus gesundheitlichen Gründen überraschend sein Amt nieder. Seine Ärzte hatten ihm dazu geraten.
Umbruch in der Medienlandschaft
Eröffnung des Nürnberger Fernsehstudios am 1. Dezember 1978: Intendant Reinhold Vöth (links) mit dem langjührigen Fernsehchef Manfred Boos.
In die Ära Vöth fiel ein ganz wesentlicher Umbruch in der Medienlandschaft. Aus dem Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde eine Wettbewerbssituation durch die Etablierung privater Rundfunkanbieter. Nach dem Volksentscheid von 1973 war privater Rundfunk in Bayern unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle gesetzlich zugelassen. BR-intern gehörten neben dem Ausbau des Bayerischen Fernsehens zum Vollprogramm (1978) die Einführung der vierten Hörfunkwelle »Bayern 4 Klassik« (1980) und die Erweiterung des Regionalprogramms auf »6 x Bayern« (von 1973 bis 1979) zu den wichtigsten Veränderungen seiner Intendantenzeit. Besonders am Herzen lag dem Franken Vöth der Ausbau des Studios Nürnberg zu einem Landesstudio Franken. Bereits 1974 wurde die Fernsehredaktion in Nürnberg gegründet. Doch die Umbenennung in "Studio Franken" erfolgte erst im Mai 1990 - kurz nach Vöths Ausscheiden. Darüber hinaus war seine Amtszeit geprägt von einem fünfjährigen Ringen um eine neue Gebührenerhöhung, die zum 1. Juli 1983 endlich durchgesetzt wurde.
Reinhold Vöth in der ARD
Vöth hatte zudem von Anfang 1980 bis Ende 1983 den ARD-Vorsitz inne. Abweichend von der ARD-Satzung, die eine einmalige Wiederwahl vorsieht, wurde er viermal mit der Geschäftsführung beauftragt. Vöth wurde zu einer Instanz in der ARD. Viele Jahre verantwortete er das wichtige Gebiet des Finanzausgleichs zwischen den Rundfunkanstalten der ARD und führte die Verhandlungen um Sportübertragungsrechte. Trotz des klaren Bekenntnisses zur ARD war Vöth immer auch Föderalist und nahm sich föderale Freiheiten heraus: Dreimal blendete sich der BR aus dem laufenden Gemeinschaftsprogramm aus.
Als Intendant war er Ansprechpartner für alle, bei Fahrern, Kameraleuten, Redakteur*innen gleichermaßen beliebt. Ein Intendant, der gerne auch einmal (und öfter) zur Gitarre griff, Volkslieder sang und damit seine Liebe zur Volksmusik demonstrierte. Ein gemütlicher und überzeugter Franke. Obwohl er die meiste Zeit seines Lebens außerhalb der fränkischen Grenzen verbracht habe, sei er mit seinem Wesen immer Franke geblieben.
Unerwartet verstarb Reinhold Vöth am 30. März 1997, eine Woche nach seinem 67. Geburtstag, in der Münchner Universitätsklinik. Todesursache war Herzstillstand nach einem akuten Nierenversagen.