Unternehmen - Der BR


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Leiterin Bettina Hasselbring „Wir schaffen die Quellen für die Zukunft“

Bettina Hasselbring ist Leiterin des Unternehmensarchivs im Bayerischen Rundfunk und "Frau der ersten Stunde". Als Studentin hat sie Ende der 80er Jahre das Archiv mit aufgebaut. Im Interview erzählt sie über die täglichen Herausforderungen, ihr neuestes Buch und warum ihr die Arbeit so großen Spaß macht.

Von: Ursula Zimmermann

Stand: 07.04.2020

Bettina Hasselbring, Leiterin des Historischen Archivs im BR | Bild: BR / Sabine Rittner

Sie haben Anfang 1990 mitgeholfen, das Unternehmensarchiv im BR aufzubauen und leiten es seit 1996. Was macht für Sie den Reiz und die besondere Herausforderung dieser Aufgabe aus?

Als Historikerin habe ich einfach Spaß im Umgang mit Geschichte, speziell der des Rundfunks und Bayerischen Rundfunks.
Als kleineres Archiv sind wir Allrounder. Unsere Tätigkeiten sind sehr vielseitig: Wir recherchieren, bewerten, erschließen Akten und bauen Datenbanken auf. Wir publizieren, erstellen die BR-Chronik und die BR-Gedenktage, bestücken Ausstellungen und präsentieren besondere Fundstücke im Rahmen von History-Marketing-Aktivitäten im Netz. Zur Zeit lernen wir "Records Management" und digitale Archivierung, denn das sind die nächsten großen Herausforderungen, nämlich strukturierte elektronische Akten auch langfristig erhalten zu können.

Wir arbeiten mit Kulturjournalisten zusammen, mit Kolleginnen und Kollegen aus den aktuellen Bereichen, wir haben Projekte mit Technikern, mit dem Team der Pressestelle wie auch der Rechtsabteilung. Hier versammeln sich unglaublich unterschiedliche Mentalitäten, dazu kommen viele externe Nutzer - das ist sehr spannend.
Außerdem kooperieren wir mit zahlreichen anderen Archiven in München zusammen. Wir sind eine große Archivfamilie, die sich regelmäßig trifft, so auch alle zwei Jahre zum bundesweiten Tag der Archive. Und last but not least vertrete ich den Bayerischen Rundfunk in der Historischen  Kommission in der ARD.

Welche Eigenschaften zeichnen eine gute Archivarin aus?

Man braucht eine gewisse Ordnungsliebe und natürlich auch Spaß, sich in die Sachen hinein zu vertiefen: Von außen sind es nur graue Schachteln und Ordner, doch drinnen wird es spannend. Oft finden sich wahre Schätze.
Eine gute Archivarin benötigt Weitblick, denn wir planen ja auch in die Zukunft. Wir schaffen die Quellen für die Zukunft, denn wir bestimmen, was vernichtet, was aufgehoben und was archiviert wird.

War Archivarin schon immer Ihr Berufswunsch? Haben Sie Ihren Traumjob gefunden?

Mittlerweile ist dies mein Traumjob. Ich habe Geschichte und Germanistik für Lehramt und Magister in Bonn und München studiert. Dabei lag mein Schwerpunkt auf Geschichtsdidaktik. Geschichte zu vermitteln hat mich schon immer interessiert. Das Thema meiner Magisterarbeit "Geschichtssendungen des Bayerischen Rundfunks in den 1950er Jahren" führte mich 1989 in den BR, genauer in die Zentrale Aktenregistratur. Es gab ja noch kein Historisches Archiv, nur eine Historische Kommission. Diese war bei der Sendeleitung Hörfunk angesiedelt und wurde von Gerhard Bogner geleitet. Bogner hatte großes Interesse an der Aufbewahrung und Erschließung des gesamten BR-Unternehmens- und Programmschriftguts und entwickelte die Idee, ein Unternehmensarchiv aufzubauen. Er konnte die Geschäftsleitung von seinem Vorhaben überzeugen und fragte mich, ob ich mithelfen wollte. So war ich von Anfang an dabei, erst als freie Mitarbeiterin, dann ab 1996 als Leiterin fest angestellt. 2004 wurde die Zentrale Aktenregistratur in das Historische Archiv eingegliedert.

Wie sind Sie und Ihr Team bei dem Aufbau vorgegangen?

Das Unternehmensarchiv hier im Haus untersteht nicht dem Bayerischen Archivgesetz, das die Archivierung von Unterlagen in staatlichen Archiven und Archiven sonstiger öffentlicher Stellen in Bayern regelt. Das Unternehmensarchiv im BR unterliegt allein den Entscheidungen der Geschäftsleitung. Als man sich entschied, im Haus ein solches Archiv aufzubauen, schauten wir uns erst mal an, wie es die anderen Rundfunkanstalten machten. Es wurden Arbeitsgrundlagen entwickelt und ein Akten-Vernichtungsstop erwirkt. Als nächsten Schritt mussten wir – unser Team bestand damals aus Studenten und freien Mitarbeitern - alle Akten in der Zentralen Registratur erfassen. Es waren um die 90.000 Ordner: Sendemanuskripte, Rundfunkrats-Protokolle, Verwaltungsunterlagen, Ordner aus den Redaktionen und dem ganzen Haus. Nach vier, fünf Jahren hatten wir den Bestand im Griff.

Neben Akten befinden sich in unseren Beständen auch historische Fotos, Plakate, Marketingartikel, alle vom BR herausgegebenen Publikationen, auch alte Rundfunkgeräte. Wir bekommen immer wieder Nachlässe oder private Sammlungen vermacht. Dazu kommen jährlich 3.000 bis 4.000 Papierakten. Früher mussten wir die Kollegen bitten, keine Unterlagen zu vernichten. Heute gibt es darüber die Dienstanweisung Nr. 9.35: Alle Redaktionen und Unternehmensbereiche müssen uns ihre Akten geben. Zudem wächst der Bestand an digitalen Dokumenten rasant. So ist unser derzeitiges Großprojekt der Aufbau eines Digitalen Archivs.

Sie bewahren und erhalten - auswerten muss die Forschung. An diese Zielgruppe richtet sich auch Ihre neueste Publikation "Das Gedächtnis des Rundfunks" , bei der Sie neben Prof. Dr. Markus Behmer, Kommunikationswissenschaftler, und Dr. Birgit Bernard, Dokumentarin im Historischen Archiv des WDR, Mitherausgeberin sind.

Zu meinen Aufgaben als Leiterin eines Archivs gehört es natürlich auch, regelmäßig zu publizieren. "Das Gedächtnis des Rundfunks – Die Archive der öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Bedeutung für die Forschung" ist das erste Standardwerk seiner Art. Es ist eine Kooperation, ca. 30 Leute haben dabei mitgewirkt. Es richtet sich an Forschende, Dozenten und Studierende. Wir beschreiben darin sehr kompakt die vielfältige Archivlandschaft und stellen verschiedene Forschungsarbeiten zu Rundfunkthemen vor. Die Ausgabe soll eine Art Handbuch sein für die spezielle Nutzung von Medienarchiven. Bis dato erschienen die Medienarchive nämlich in den Standardwerken immer nur als kurzer Hinweis. Wir erklären den Leserinnen und Lesern die etwas komplizierte ARD- und ZDF-Archivlandschaft: was gibt es für Archive, was haben die einzelnen Archive für Quellenbestände und wie lassen sich diese nützen. Dabei geben die einzelnen Autorinnen und Autoren Einblick in die tägliche Praxis. Das Buch will allen, die sich mit der Entwicklung des deutschen Rundfunks befassen, einen umfassenden Service bieten, neue Einblicke vermitteln und so auch zu neuen Studien zur Rundfunkgeschichte anregen.


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